Das Wetter gilt als untergeordneter Faktor, um Fußballspiele zu analysieren oder vorherzusagen, lange galt dies auch für Fußballspiele des FC Bayern. Im Sommer 2017 hatte die Mannschaft einmal die Saison eröffnet, es blitzte und hagelte, den Spielern war das egal, der FC Bayern gewann 3:1 gegen Leverkusen. Im Januar 2010 mussten bei starkem Schneefall zwischendurch die Strafraumlinien freigeschippt werden, der FC Bayern besiegte Mainz 3:0. Auch hohe Temperaturen störten die Bayern nicht, 2012 gewannen sie im Pokal 4:0 in Regensburg, beim Anpfiff um 20.30 Uhr hatte es 30 Grad. Das Wetter also war diesem so stolzen Verein herzlich egal. Bis zum Karsamstag 2019.
"In der ersten Halbzeit hatten wir sehr langsam gespielt, es war aber auch sehr heiß", sagte Niklas Süle, der Innenverteidiger. "Bei den Temperaturen, die heute anders waren als in den letzten Wochen, war es schwierig, ins Spiel reinzukommen", sagte Hasan Salihamidzic, der Sportdirektor. Niko Kovac, der Trainer, erklärte, dass das Wetter "sehr extrem umgeschlagen" habe, bei handgemessenen "25 bis 30 Grad unten auf dem Platz", daher hätten sich "beide Mannschaften schwer getan". Gemeldet hatten die gängigen Wetterdienste Temperaturen von ungefähr 23 Grad.
Das Wetter ist also ein Faktor geworden in dieser Saison, in der der stolze FC Bayern immer noch zwei Titel gewinnen kann, den Pokal und die Meisterschaft. Das Wetter ist aber auch ein Faktor geworden in einer Saison, in der es so schwer wie lange nicht mehr war, verlässlich vorherzusagen, wie viele Titel der FC Bayern am Ende tatsächlich gesammelt haben wird.
Kurzfristig gibt es eine gute Nachricht für den FC Bayern
Nach dem 1:0 (0:0) am Samstag gegen Bremen führt das Team weiterhin die Tabelle an, wie bei den sechs Meisterschaften in den vergangenen sechs Spielzeiten am 30. Spieltag. Im vergangenen Jahr allerdings hatten die Münchner damals 20 Punkte Vorsprung. In dieser Saison beträgt das Polster auf den ersten Verfolger, auf Borussia Dortmund, nach 30 Spielen einen Punkt. So eng ist das Titelrennen, dass selbst das Wetter mitspielen muss.
Kurzfristig aber gibt es eine gute Nachricht für den FC Bayern: Das nächste Spiel, das im Pokal, findet am Mittwochabend statt; voraussichtliche Temperatur beim Anpfiff: 19 Grad, dazu leicht bewölkt. Nicht ganz so gut ist jedoch die Nachricht, dass diese Partie wieder eine gegen die Bremer sein wird, gegen die sich die Mannschaft am Samstag so lange quälen musste.
Dieses 1:0 war ein doppelt verzerrtes Ergebnis. Verzerrt war es, erstens, weil die Bayern gerade in der zweiten Halbzeit eine Strafraumszene nach der anderen hatten, nach 90 Minuten hatten sie 28 Mal aufs Tor geschossen. Verzerrt war das Ergebnis, zweitens, aber auch, weil Bremen nach einer gelb-roten Karte für Milos Veljkovic 33 Minuten lang in Unterzahl gespielt hatte und dabei die ohnehin schon sparsamen Offensivaktionen nahezu endgültig eingestellt hatte, um sich in den eigenen Strafraum zurückzuziehen. Erst danach häuften sich die Chancen. "In der zweiten Halbzeit haben wir ein Powerplay aufgezogen", sagte Salihamidzic, "aber es war schwierig, ein strukturiertes Spiel aufzuziehen, weil die einfach gut verteidigt haben."
Dass die Bayern den Druck erhöhten, lag nicht allein daran, dass Werder einen Gegenspieler weniger hatte, auch nicht allein daran, dass sich der Schatten über dem Rasen ausbreitete. Es lag auch, erklärte Kovac, an einer taktischen Vorgabe: "Wir haben versucht, unsere beiden Achter mehr in den Zwischenräumen zu finden, das war ein wichtiger Punkt." Ob Überzahl, Schatten oder Taktik: Mit allen Feldspielern positionierte sich der FC Bayern nun am Bremer Strafraum, die Mannschaft zeigte ein paar hübsche Aktionen. Der Innenverteidiger Jérôme Boateng zum Beispiel tanzte einmal an der Strafraumkante, er flankte zum völlig freistehenden Thomas Müller, doch der verfehlte mit dem Kopf aus kurzer Distanz (70.). Zwei Minuten später klärte Werders Davy Klaassen kurz vor der Linie nach einem Schuss von Robert Lewandowski. Wirklich hübsch waren ein paar Aktionen. Aber eben ohne Ertrag.
Süle schreit so laut, dass Thiago ihn hört
Die Tabellenführung behauptete der FC Bayern an diesem Karsamstag daher nicht über die Schönheit oder die Struktur, er behauptete sie dank der Süße der Urgewalt. Die 75. Minute: Klaassen wirft sich in einen Schuss von Franck Ribéry, der Ball bleibt bei den Bayern, Thiago sieht, dass Süle vor dem Strafraum steht, er hört ihn auch, so laut schreit Süle. Der Ball kommt zu dem Innenverteidiger, und da Süle vor der Strafraumkante steht, überlegt er nicht lange. Ein brachialer Schuss, nur einer traut sich noch dazwischen, der unerschrockene Klaassen. Er fälscht den Ball ab, ganz leicht, und doch unhaltbar. "Dann muss eben auch mal ein dreckiges Tor reichen", sagte Süle. "Irgendwann geht halt einer rein", sagte Leon Goretzka. "Ein Standard wäre auch noch typisch gewesen", sagte Salihamidzic fröhlich, er wollte sich an diesem Nachmittag am Einfluss des Dusels gar nicht stören.
Süle, der mit seiner pragmatischen Art den Bayern im Meisterkampf möglicherweise den entscheidenden Vorteil verpasst hat, dieses Wissen nämlich, dass es irgendwie schon klappen wird, wollte sich abends "ein Gläschen" einschenken, er sei "ein Weißwein-Typ". Er durfte es sich erlauben, auch, weil er am Mittwoch im Pokal gesperrt ist. In Bremen spielen daher vielleicht zum letzten Mal in der Innenverteidigung der abwanderungsfreudige Boateng und Mats Hummels, der am Samstag aufgrund einer Zerrung pausiert hatte. "Klar" werde Süle fehlen, sagte Salihamidzic, "aber wir haben trotzdem eine gute Mannschaft, die das auffangen wird."
In der Liga wird Kovac bis zum letzten Spieltag auf Süle setzen, ein bisschen vielleicht auch aufs Wetter. Am nächsten Sonntag geht es nach Nürnberg, bis dahin soll es etwas abkühlen. Doch die wichtigen Spiele stehen erst im Mai an. Und der Mai hat es so an sich, dass er üblicherweise höhere Temperaturen mit sich bringt als der April.