FC Barcelona vor dem Spiel gegen Chelsea:Baustellen im Paradies

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Der FC Barcelona galt stets als Hort der Harmonie - bis jetzt: Eine Maulwurfaffäre rund um die bittere Pleite gegen Real Madrid sorgt für Ärger, die offene Zukunft von Trainer Guardiola und Gerüchte um den Lebenswandel von Verteidiger Piqué belasten das Team. Zu allem Überfluss zeigen führende Mitarbeiter wie Lionel Messi auch noch Formschwächen.

Javier Cáceres

Das hatte dem FC Barcelona vor dem Champions-League-Halbfinalrückspiel gegen den FC Chelsea noch gefehlt: eine Maulwurfaffäre rund um den "Klassiker" gegen Real Madrid am vergangenen Samstag, dessen Schatten noch immer zu sehen sind. Schon fünf Stunden vor Spielbeginn am Samstag hatten der im gegnerischen Lager verortete Sender Radio Marca und die Zeitung As die Aufstellung nebst taktischer Grundausrichtung veröffentlicht - obwohl Trainer Josep Guardiola sie dem Team noch nicht offiziell mitgeteilt hatte.

Barcelonas Lionel Messi bei der bitteren Niederlage gegen Real Madrid. (Foto: REUTERS)

Wie das geht? Ein Kreis bestimmter Spieler konnte die Startelf, die gegen Real Madrid 2:1 verlor und damit die Titelchancen in der Meisterschaft verspielte, ziemlich genau erahnen. Denn am Vormittag hatte Guardiola ein letztes Mal das Positionsspiel perfektionieren und Standardsituationen üben wollen, die letzte Übungseinheit ließ Rückschlüsse zu. Der katalanische Radiosender RAC-1 berichtete nun, dass Guardiola der Mannschaft am Sonntag eine in der jüngeren Vereinsgeschichte beispiellose Brandrede hielt. Denn der gewünschte Überraschungseffekt, den die Aufstellung von Tello und Tiago bewirken sollte, war dahin. Real Madrid konnte sich stundenlang darauf vorbereiten, Barças Spiel zu deaktivieren. Was dann ja auch gelang.

Es ist einigermaßen überraschend, dass die Geschichte über das Informationsleck und die folgende Abreibung durch Guardiola an die Medien gelangte. Denn während beim Erzrivalen Real Madrid immer wieder Geschichten über interne Zerwürfnisse an die Außenwelt gelangen, galt Barcelona als Friedensinsel ohnegleichen. Nun sind auf dem Eiland einige Baustellen zu besichtigen. Im Hintergrund schwelt die heikle Trainerfrage, Guardiola hat noch immer nicht erklärt, ob er seinen zum Saisonende auslaufenden Vertrag verlängert oder nicht. Fans, Medien und Vorstand tappen in völliger Dunkelheit und fürchten, dass sein Abschied nicht zu kompensieren wäre.

Derweil bereitet Innenverteidiger Gérard Piqué Sorgen. Wurde er jüngst noch als "Piquenbauer" gefeiert, soll er am Freitag von Trainer Guardiola eine gehörige Kopfwäsche erhalten haben. Das war neue Nahrung für die Gerüchte um Piqués Lebenswandel, der seit seiner Liaison mit der kolumbianischen Sängerin Shakira im Ruf steht, öfter mal Fünfe gerade sein zu lassen. Dazu kommen Formschwächen bei führenden Mitarbeitern wie Cesc Fàbregas, Dani Alves, Adriano und vor allem: Lionel Messi.

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Was für eine Wendung im spanischen Spitzenspiel: Ein Treffer von Sami Khedira sowie eine glänzende Vorlage von Mesut Özil verhelfen Real Madrid zum umjubelten 2:1-Sieg in Barcelona. Für Barça ist die Meisterschaft damit vom Tisch, während die "Königlichen" fast schon am Ziel sind. Das Team von José Mourinho zeigt: Die Bayern werden es schwer haben im Bernabeu.

Jonas Beckenkamp

Am Sonntag gegen Real Madrid wirkte der Argentinier wieder seltsam apathisch. Dafür strafte er neuerlich einen aufstrebenden Nachwuchskicker mit Verachtung. Als Cristián Tello eine Großchance versiebte, war es, als ob Messi ihn mit seinen Blicken durchlöchern wollte. Tello hatte sich tatsächlich täppisch angestellt. Doch das Problem ist, dass das ganze System Barça unter Guardiola auf der einerseits nachvollziehbaren Privilegierung Messis beruht - die aber von dessen Teamkameraden mitgetragen werden muss.

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Das wiederum wird schwieriger, je kleinlicher und divenhafter Messi auf Fehler von Nebenleuten reagiert - und dürfte schwerer wiegen als der Umstand, dass der Argentinier seit 270 Minuten nicht mehr traf. Zuletzt hatte er im Februar eine vergleichbare Durststrecke zu ertragen. Danach schüttelte er 26 Tore in 15 Spielen aus dem Fußgelenk. Der FC Chelsea, der ein 1:0 aus dem Hinspiel verteidigen will, dürfte gewarnt sein.

Nach außen legt Guardiola eine schützende Hand über sein Team. Es könne schon sein, dass ein paar Prozente fehlen, um jenes Stadium der Inspiration zu erreichen, dass aus Barcelona eine der besten Mannschaften der Geschichte gemacht hat. Aber: "Wir kommen von sehr weit her. Wir spielen seit vier Jahren in allen Wettbewerben alle Spiele." Intern aber forderte er die Champions-League-Titelverteidiger vor dem Chelsea-Spiel zu einem ultimativen Kraftakt auf.

"Dieses Spiel wird unsere Zukunft markieren", sagte Guardiola. "München oder Depression", übersetzte die Zeitung El Periódico de Catalunya die Ausgangslage. Denn in der bayrischen Hauptstadt findet am 19. Mai das Finale statt. Wobei der größte anzunehmende Unfall selbstredend darin bestünde, dass Erzrivale Real Madrid ein Finale erreicht, das man selbst nur am Bildschirm verfolgen darf.

Dass ein solch düsteres Szenario überhaupt am Horizont aufscheint, erzählt viel vom latenten Defätismus im Umfeld des FC Barcelona. Nicht mal der beispiellose Erfolgszyklus - mit dreizehn Titeln in knapp vier Jahren (zwei Champions-League-Titel, drei Meisterschaften, ein Pokal, drei spanische Supercups, zwei europäische Supercups, zwei Weltpokale) - konnte ihn auslöschen.

Mittelfeldstratege Xavi klang regelrecht sauer, als er in einer Pressekonferenz gefragt wurde, ob sich das Team in einer delikaten Lage befinde. "Delikat? Dies ist ein Moment der Hoffnung!", rief er aus. Das Pokalfinale, das Barcelona Ende Mai gegen Athletic Bilbao austrägt, sei bereits erreicht, "nun spielen wir um den Einzug ins Champions-League-Finale. Damit ist doch alles gesagt!"

© SZ vom 24.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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