Europa League:BVB: Schock im Theater der Emotionen

Lesezeit: 2 min

  • Borussia Dortmund führt fast das gesamte Spiel lang gegen den FC Liverpool - und verliert noch 3:4.
  • Der BVB scheidet damit aus der Europa League aus.
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Von Johannes Knuth, Liverpool

Der letzte Akt misslang. Der letzte Akt führte Jürgen Klopp vor die Kurve der Dortmunder Fans, die gerade versteinert bezeugt hatten, wie der ehemalige Trainer dem BVB den sicher geglaubten Einzug ins Halbfinale entrissen hatte. Klopp näherte sich also der Kurve, er wollte sich wohl für den Abend bedanken, aber er spürte schnell, dass ihm nur zarter Applaus und feurige Abneigung entgegenschwappte. Klopp winkte flüchtig. Dann drehte er um. Zu tief war die Enttäuschung in die BVB-Fans gekrochen über dieses verrückte Spiel, über das Tor von Liverpools Dejan Lovren zum 4:3 (0:2) in der Nachspielzeit.

"Es fühlt sich leer an, einfach sehr bescheiden", sagte Dortmunds Trainer Thomas Tuchel später, heftig untertreibend.

Es war, wie erwartet, das große Theater der Emotionen, das Viertelfinal-Rückspiel in der Europa League zwischen dem FC Liverpool und Borussia Dortmund. Im Stadion fand quasi ein Konzert statt, 45 000 intonierten gemeinsam "You'll never walk alone", minutenlang. Und irgendwie war es folgerichtig, dass sich dieses Spiel nicht mit einem kühlen Dortmunder Sieg zufriedengab, der sich früh abgezeichnet hatte. Sondern dass Jürgen Klopps FC Liverpool ein frühes 0:2 bzw. 1:3 noch in ein 4:3 verwandelte und ins Halbfinale aufrückte.

Die Spieler riefen, inspiriert von der flirrenden Atmosphäre, jedes Volt an Spannung ab. Wobei es zunächst die Dortmunder waren, die ihren Energiefluss in geordnete Bahnen lenkten. Aubameyangs zweiter Warnschuss prallte an Liverpools Torwart Mignolet ab, vor die Füße von Henrik Mkhitaryan - 0:1 (5.). Liverpool schüttelte gerade den Schock aus den Gliedern, als der Ball zum zweiten Mal ins Netz rauschte - und wie. Reus schlängelte sich durchs Mittelfeld, schmuggelte den Ball quer durch die Liverpooler Zentrale zu Aubameyang. Der verstaute den Ball humorlos im kurzen Eck (9.). Zwei dicke Dinger waren das, die der BVB den Gastgebern früh an die Backe geschmiert hatte. Alles schon klar, nach dem 1:1 im Hinspiel?

Stimmen zum BVB-Spiel
:"Wir haben gedacht, das Ding ist durch"

Mats Hummels ist selbstkritisch, Thomas Tuchel fühlt sich leer - und Jürgen Klopp hat Schmerzen im Arm. Die Stimmen zur Niederlage des BVB.

Die Roten brauchten eine Viertelstunde, ehe sie sich aus ihrer Starre lösten. Origi und Moreno stellten sich mit zwei höflichen Abschlüssen bei Weidenfeller vor, Firmino und erneut Origi scheiterten schon knapper. Klopp hüpfte, schrie, fuchtelte, versuchte, die Energiezufuhr von den Rängen wieder anzukurbeln, die der BVB früh gekappt hatte. Nach einer halben Stunde wurde die Borussia wieder munterer, es war jetzt ein wildes Ballklauen und Zurückklauen. Das 0:2 zur Halbzeit hätte auch ein 6:7 sein können.

Die zweite Hälfte begann nicht minder knackig. Liverpools Can schickte einen messerscharfen Pass durch Dortmunds Zentrale zu Origi, 1:2 (48.). Eine rote Welle nach der nächsten rollte jetzt aufs Dortmunder Tor zu. Mats Hummels bemühte sich um Ordnung, ruhig bleiben, bedeutete er mit beiden Händen - er wirkte so hilflos wie ein Schiffskapitän, dessen Kommandos vom Orkan verschluckt werden. Reus schlenzte den Ball kurz darauf lässig zum 1:3 ins Tor (57.), aber das betäubte Liverpools Kampfeslust nur kurz. Löste das 2:3 von Coutinho (66.) noch lauwarmen Jubel aus, erzitterte das Stadion nach 77 Minuten: Sakho hatte Piszczek abgeschüttelt und den Ball ins Tor gedrückt. Tuchel warf Ginter, Gündogan und Ramos ins Spiel, der Favorit rettete sich bis in die Nachspielzeit. Dann stieg Lovren in die Luft.

© SZ vom 15.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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