Es war einmal WM - 1950:No World Cups, please!

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Stand beim Treffer der Amerikaner im Tor: Englands Bert Williams. (Foto: picture alliance / AP Photo)

In Brasilien tritt England 1950 erstmals bei einer WM an - und blamiert sich. 0:1 verliert das Mutterland des Fußballs gegen eine Amateurmannschaft aus den USA. Es dauert, bis die Engländer einsehen: Auch andere Nationen können Fußball spielen.

Von Johannes Knuth

Es war einmal WM: In einer Serie blicken wir auf einige komische, merkwürdige, besondere Momente in der Geschichte der Fußball-Weltmeisterschaften zurück. Teil vier thematisiert den ersten Auftritt des Fußball-Mutterlands England bei einer WM - der für den großen Favoriten mit einer großen Schlappe endete.

Die Journalisten in den heimischen Zeitungsstuben glaubten an einen Tippfehler. England 0, USA 1? Das konnte nicht sein. Ein Londoner Redakteur besserte den Text, den sein Kollege aus Brasilien gerade hereintelefoniert hatte, schnell aus, er schrieb: England 10, USA 1.

Aber es war kein Tippfehler. England, das Mutterland des Fußballs, hatte bei der Weltmeisterschaft 1950 sensationell verloren. 0:1 gegen die USA, einen Fußball-Nobody.

Es war die wohl größte Überraschung der jungen WM-Historie, die sich an diesem 29. Juni 1950 in Belo Horizonte abspielte. Die Engländer gaben sich zum ersten Mal die Ehre bei einer Fußball-WM. Bei den Premieren-Turnieren zwischen 1930 und 1938 hatten sie es nicht für nötig gehalten, mitzumachen. Sie stritten sich mit dem Fußball-Weltverband, und überhaupt: Wozu brauchte man einen "World Cup", wenn man seit 1870 nur einmal gegen eine nicht-britische Auswahl verloren hatte, 1929 gegen Spanien (0:1)? Wenn man zweifelsfrei die beste Mannschaft des Planeten stellte? No World Cups, please.

Übernachtung in einer Goldmine

Nach dem Zweiten Weltkrieg änderte sich diese Haltung. Fußball prosperierte auf der Insel, die Öffentlichkeit interessierte sich für diese WM, die Zeitungen schickten ihre Reporter nach Brasilien. Die Anreise der Mannschaft verlief chaotisch, mehr als 30 Stunden hockten sie im Flieger. Das erste Spiel gewannen die Engländer trotzdem 2:0 gegen Chile. Es ging chaotisch weiter, vor dem Spiel gegen die Amerikaner logierten die Engländer in einer abgelegenen Goldmine. Stanley Matthews, ihr Bester, ihr Wirbelwind auf dem rechten Flügel, saß gegen die USA auf der Tribüne, er sollte sich schonen.

Na und?

Der Rest der Truppe war doch talentiert genug. Und die Amerikaner traten mit einer Amateurtruppe an, mit einem Postboten, einem Tellerwäscher, einem Maler, einem Leichenwagenfahrer. Manche Spieler wie der Schotte Eddie McIlvenny besaßen nicht einmal einen amerikanischen Pass, sie durften nur auflaufen, weil sie versprochen hatten, nach der WM die US-Staatsbürgerschaft anzunehmen (was sie später nicht taten).

Die Engländer begannen überlegen. Sie trafen Pfosten und Latte, nur ins Tor trafen sie nicht. Nach 38 Minuten schlug US-Kapitän Walter Bahr, ein Lehrer aus Philadelphia, den Ball in den gegnerischen Strafraum. Mittelstürmer Gaethjens, der Tellerwäscher, kam irgendwie an den Ball - 1:0 USA, 1:0 durch Gaethjens. Die Engländer kannten nicht einmal dessen Vornamen (er hieß Joseph).

Die Engländer spielten weiter besser, aber sie trafen weiterhin nicht ins Tor. Stan Matthews rutschte mit jeder Minute unruhiger auf der Tribüne hin und her. Seine Kollegen verkrampften mit jeder Minute ein wenig mehr. Dann war die bis dato größte Sensation der WM-Historie perfekt. Wenig später verlor England auch gegen Spanien 0:1, der Favorit war ausgeschieden.

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Die brasilianischen Zeitungen reagierten gleichgültig, sie schrieben Namen und/oder Resultat des USA-Spiels falsch, erwähnten das Ergebnis im Kleingedruckten, wenn überhaupt. Für sie zählte nur der fest eingeplante WM-Triumph der eigenen Mannschaft - der bekanntlich nicht eintreten sollte, weil sich Uruguay in der Finalrunde durchsetzte. Die zweite Sensation des Turniers.

Die mitgereisten Reporter aus England waren derweil entsetzt. "Englands Fußball wurde noch nie so gedemütigt", schrieb der Daily Mirror. Trainer Walter Winterbottom behielt trotzdem seinen Posten, er machte mildernde Umstände geltend: die Anreise, das Wetter, der fremde Kontinent. Da verliert man halt mal gegen eine Amateurtruppe.

Erst drei Jahre später, nach einem 3:6 im Freundschaftsspiel gegen Ungarn in der eigenen Festung in Wembley, stellten die Briten fest: Das Aus bei der WM in Brasilien war kein Betriebsunfall. Der Rest der Welt kann ebenfalls Fußball spielen.

Teil eins der Serie: Schwarzes Wunder - die Geschichte von José Leandro Andrade, dem ersten Glamour-Star des Fußballs und Weltmeister von 1930.

Teil zwei: "Deutschland ehrenvoll ausgeschieden" - die erste WM-Teilnahme der Deutschen 1934 zwischen Nazipropaganda und Szepans tollem Spiel.

Teil drei: Torhüter mit gebrochenen Knochen - wie schwer es die besten Torhüter ihrer Zeit in den dreißiger Jahren hatten.

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