Eishockey:Der Duracell-Hase läuft den Zweifeln davon

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Brandon Kozun (li.), hier bei seiner DEL-Premiere in München. (Foto: Heike Feiner/Eibner Pressefoto/Imago)

Brandon Kozun vom ERC Ingolstadt ist in seiner Karriere auf viele Widerstände getroffen. Der Tiefpunkt war eine Dopingsperre, die bei ihm tiefe Wunden hinterließ. Aus seinem Loch hat ihm auch ein Psychologe geholfen.

Von Christian Bernhard

Sein erstes Tor für den ERC Ingolstadt hatte wenig mit dem zu tun, wofür der Eishockeyspieler Brandon Kozun eigentlich steht. Der 33-jährige US-Stürmer garantiert Tempo und Technik, er sucht gerne den perfekten Pass, statt einfach draufzuhalten. Am vergangenen Sonntag stand Kozun allerdings derart nah vor dem Tor der Augsburger Panther, dass er die Scheibe, die ihm vor den Schläger fiel, nur noch per Rückhand über die Linie beförderte. Sein Premierentreffer in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) war also ein schnödes Abprallertor, fast zu langweilig für diesen spannenden Spieler.

Sein DEL-Debüt hatte Kozun vor knapp vier Wochen in München gegeben, dort erzählte er seine Geschichte, die wie eine "Atombombe" in sein Leben eingeschlagen sei, wie er sagte. Es ging um sein Dopingdrama, das im Dezember 2017 seinen Anfang nahm. Kozun war damals im erweiterten Kader Kanadas für die Olympischen Spiele 2018, das brachte zahlreiche Dopingproben mit sich. Einer davon kam er nicht nach, auf Druck eines Verantwortlichen des Teams Kanada. Er habe kein gutes Gefühl dabei gehabt, dem angeblich nicht autorisierten Kontrolleur die Probe zu verweigern, später berichtete er von einem Machtkampf zwischen dem Funktionär und dem Kontrolleur, in den er geraten sei. Im April 2019 jedenfalls wurde er für ein Jahr gesperrt. Kozun durfte trotzdem weiterspielen, weil die Sperre nach mehreren Revisionen auf März 2018 rückdatiert wurde und damit bereits als "abgesessen" galt, auch bei Olympia war er dabei.

Als letzter ERC-Spieler hatte er die Münchner Olympia-Eishalle nach seiner Premiere verlassen, draußen schilderte er, wie ihn diese Erfahrungen reifer und weiser hätten werden lassen, wie er durch sie gelernt habe, Negatives in Positives umzuwandeln: "Du lernst nichts aus guten Momenten. Du lernst alles, wenn dir etwas Schlechtes passiert."

Seit knapp einem Monat ist Kozun nun in Ingolstadt. In den Wochen vor dem Anruf aus Oberbayern hatte er im Camp des NHL-Teams Colorado Avalanche versucht, sich für einen NHL-Vertrag zu empfehlen. Weil das nicht klappte, war er noch zu haben, als die Ingolstädter einen Stürmer nachverpflichten wollten. "Kozun war der beste Spieler für uns auf dem Markt", sagt Sportdirektor Tim Regan. Schließlich wird jene Spielgeschwindigkeit, die Kozuns Stärke ist, auch in Ingolstadt großgeschrieben. Er sei sicher an der Scheibe und bringe gutes Tempo und gute Energie mit, sagt ERC-Trainer Mark French. "Er kann uns in allen Facetten unseres Spiels helfen."

Die Olympischen Spiele hat er mitgemacht: Hier duelliert sich Brandon Kozun mit Patrick Reimer in Pyeongchang (Foto: Andrew Nelles/USA TODAY Network/Imago)

Kozun stammt aus Los Angeles, wo er als Dreijähriger mit dem Eishockey begann, weil zu jener Zeit der für viele größte Eishockeyspieler der Geschichte in der Stadt der Engel spielte und dort einen Boom auslöste: Wayne Gretzky. Kozun war mehrmals im Hause Gretzky zu Gast, er war mit einem der Söhne Gretzkys befreundet. Er schaffte es in die NHL, doch seine erfolgreichste Zeit als Profi erlebte er in der russisch geprägten KHL, die als zweitbeste Liga der Welt gilt. Von 2016 bis 2023 spielte Kozun dort, abgesehen von einem Intermezzo 2021 beim Schweizer Kultklub Ambri-Piotta. In der vergangenen Saison, als der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, das Geburtsland seiner Großmutter, tobte, war er Kapitän des weißrussischen Topklubs Dinamo Minsk.

"Diese Geschichte hat all mein Vertrauen zerstört, auch im normalen Leben."

Das Doping-Urteil hinterließ tiefe Wunden in ihm. "Diese Geschichte hat all mein Vertrauen zerstört, auch im normalen Leben", erzählt er. Kozun tat sich schwer, sich anderen Menschen gegenüber zu öffnen, seine sportlichen Leistungen wurden schwächer, er verletzte sich häufiger. Erst die Zusammenarbeit mit einem Psychologen half ihm aus dem Loch. "Wer weiß, wo ich heute wäre, wenn ich ihn nicht gehabt hätte", sagt er rückblickend. Kozun traf diese unglückliche Geschichte - all seine anderen acht Dopingtests in jenem Jahr waren negativ - auch deshalb so hart, da seine ganze Karriere von externen Zweifeln begleitet gewesen war. "Mein ganzes Leben bestand aus: 'Du bist nicht gut genug, du bist nicht groß genug, du wirst es nicht schaffen'", erzählt der 1,73 Meter große Angreifer.

Für Ingolstadt ist er mittlerweile zu einer Art Glücksbringer geworden. Seit der Stürmer für den ERC aufläuft, haben die Oberbayern fünf ihrer acht Partien gewonnen und nur in einer nicht gepunktet. Bislang sind ihm neben seinem Treffer beim 6:3 gegen Augsburg auch schon fünf Vorlagen gelungen. Inzwischen liegt sein Team nur noch fünf Punkte hinter dem viertplatzierten Meister München, den es an diesem Donnerstag (19.30 Uhr) empfängt.

Mit Korbinian Holzer, dem in München geborenen Mannheimer, hat Kozun in Nordamerika zusammengespielt. Holzer hat ihn mal als Duracell-Hasen bezeichnet, weil er auf dem Eis derart viel und intensiv läuft. "Ich habe in meiner ganzen Karriere aufs Tempo gedrückt", sagt Kozun dazu, "so wie ich spiele, braucht es viel Energie". Und er hat genug davon, dass nun auch sein neues Team davon profitiert.

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