Wer in die Nähe von Giorgio Chiellini gerät, wird geknufft, geherzt und umarmt, das läuft schon die ganze Europameisterschaft so. Ständig hat Chiellini irgendeinen Gegenspieler im Arm, manchmal auch im Schwitzkasten, aber immer mit diesem breiten Lächeln im Gesicht, als würde er gerade einen guten Freund auf der Straße treffen und nicht einen Gegenspieler durch den Strafraum verfolgen. Mensch! Du hier? Ewig nicht gesehen! Komm an meine Brust, Kumpel!
So auf die Spitze getrieben wie vor dem Elfmeterschießen gegen Spanien hat Italiens Kapitän es aber noch nie. Zwei letzte Münzwürfe stehen nach 120 Minuten Spielzeit immer an, der erste entscheidet darüber, auf welches Tor die Elfmeter geschossen werden, der zweite, welche Mannschaft anfängt. Spaniens Kapitän Jordi Alba dachte irrtümlich, das Halbfinale werde nun vor der spanischen Kurve entschieden, Chiellini war sich sicher, dass vor Italiens Anhängern geschossen wird, was Schiedsrichter Felix Brych auch bestätigte. "Lügner! Lügner!", scherzte Chiellini in Richtung Jordi Alba- und knuffte den Spanier in die Wange wie ein stolzer Nonno, wenn er seinen frechen Lieblingsenkel einer Flunkerei überführt hat.
Auch die Frage, wer anfangen darf, entschied Chiellini für sich. Und danach nahm er Jordi Alba nicht etwa noch mal kurz in den Arm - er packte ihn und hob ihn zweimal in die Luft. Immerhin, am Ende verließ der zwischenzeitlich stark irritierte Jordi Alba die Szenerie mit einem Lächeln. Verständlich. Er wusste ja, dass er genau wie Chiellini gar keinen Elfmeter würde schießen müssen.