Santos brachte noch vor der Pause Papadopoulus für Papadopoulus, aber auch mit diesem feinen Trick konnte er die polnische Offensivabteilung nicht verwirren. Im Gegenteil, der eingewechselten Kyriakos Papadopoulus vom FC Schalke legte dem polnischen Abwehrspieler Damien Perquis mit seinem ersten Ballkontakt eine vorzügliche Schusschance auf. Und wieso Perquis bei dieser Gelegenheit nicht auf 2:0 erhöhte, wissen wohl griechische Götter.
Auch die dürften allerdings die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen haben, als der spanische Schiedsrichter Carlos Velasco Carballo kurz vor der Pause den griechischen Verteidiger Sokratis von Werder Bremen nach einem harmlosen Zweikampf mit Gelb-Rot vom Platz stellte. Spätestens an dieser Stelle schien der Weg zum ungefährdeten polnischen Sieg vorgezeichnet zu sein. Und dann kam doch alles anders.
Nach dem Wechsel übernahm auf einmal der griechische Kapitän Giorgos Karagounis die Hoheit über das Spiel. Wo eben noch Dortmund war, war plötzlich gar nichts mehr. Und wo eben noch das polnische Zentrum war, war plötzlich der stolze EM-Sieger von 2004. Das 1:1 ging dann aber zu großen Teilen auf die Kappe des polnischen Keepers Wojciech Szczesny. Er tauchte unter eine harmlosen Flanke hindurch und der eingewechselten Dimitris Salpingidis musste nur noch einschieben.
Und der Abend wurde nicht besser für Szczesny. Bei der nächsten Großchance von Salpingidis holte er den Griechen formlos von den Beinen und sah Rot. Somit war die ungerechtfertigte numerische Überlegenheit der Polen auch schon wieder weg. Das ganze schien jetzt dramatische Züge anzunehmen für die Gastgeber. Es wurde dann aber erst einmal dramatisch für Karagounis. Der beste Spieler der zweiten Hälfte scheiterte mit seinem Strafstoß am frisch eingewechselten polnischen Ersatztorwart Przemyslaw Tyton.
Gleichwohl lag jetzt eine seltsame Atmosphäre in der Warschauer Hallenbadluft. Niemand wusste mehr so recht, ob er lachen oder weinen sollte. Es war, als ob jemand das polnische EM-Projekt von Trainer Franciszek Smuda wieder zurück auf Null gesetzt hätte. Smuda hatte in den zurückliegenden zwei Jahren mit erheblichen Widerständen im eigenen Land zu kämpfen gehabt. Sein Spielsystem und seine Nominierungspolitik erschlossen sich weder den gemeinen Fußballfans noch den kritischen Beobachtern.
Smudas Dauerkritik an der heimischen Liga und sein offensichtliches Faible für Auswahlspieler mit ausländischem Arbeitgeber brachten ihm dem Vorwurf des Vaterlandsverrats ein. Wenige Wochen vor dem Turnierbeginn war die Stimmung in Polen allerdings komplett ins Euphorische gekippt. Diese Volte lässt sich relativ genau auf den Tag datieren, als Robert Lewandowski im deutschen Pokalfinale einen Hattrick erzielte. Wer drei Tore gegen den FC Bayern schießt, der macht auch die Griechen platt, so die allgemeine Auffassung.
Am Ende blieb von diesem Eröffnungsspiel aber ein 1:1 und der Eindruck zurück: Ein Lewandowski macht noch keinen EM-Sommer.