El Clásico:Die Magie des Lionel Messi

Lesezeit: 4 min

  • 15 Sekunden vor Schluss trifft Lionel Messi zum 3:2 für Barcelona in Madrid. Es ist sein 500. Pflichtspieltor.
  • Zuvor wurde Messi von Marcelo gefoult und lag mit blutendem Mund im Gras. Sergio Ramos musste nach einem Foul an ihm mit Rot vom Platz.
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Von Thomas Hummel

Die Menschen in den weißen Fan-Trikots blickten von den Tribünen des riesigen Santiago-Bernabéu-Stadions hinunter auf den kleinen, bärtigen Mann. Sie sahen Lionel Messi, wie er ihre Fußball-Kathedrale entweihte. Doch die meisten waren zu keiner Reaktion fähig, ihr Mund stand offen, sie verharrten regungslos in Körper und Geist.

Messi stand breitbeinig am Rande des Spielfelds, das Trikot des verhassten FC Barcelona wie ein Heiligtum in die Menge zeigend, für Augenblicke zur Statue versteinert. Es gibt Fotos, da hält Messi sein Hemd nur mit der linken Hand fest, mit der rechten zeigt er ins Publikum - doch das Trikot mit der Nummer 10 hängt wie von Geisterhand in der Luft. Selbst die Anhänger von Real Madrid ahnten, dass sie einem magischen Moment beiwohnten.

Der 29-jährige Argentinier wohnt längst im Himmel der Fußballgötter, doch dieser Sonntagabend bewies seinen Jüngern, dass er selbst dort die größte und schönste Wohnung bezieht. Wer das Drehbuch des 3:2-Sieges des FC Barcelona in Madrid betrachtet, muss zu dem Urteil kommen, dass es sich hier nur um außerirdische Fügung handeln kann. Wäre der Clásico in Spanien nicht so eine bitterernste Angelegenheit, man müsste von Kitsch sprechen.

Barcelona musste gewinnen, um die Meisterschaft in der Primera Division halbwegs offen zu halten. Drei Punkte Rückstand, ein Spiel mehr - bei einer Niederlage wäre Real praktisch Meister gewesen. Und so riskierten die Katalanen viel, obwohl sie eigentlich die schwächere Mannschaft stellten. Die letzte Verteidigungslinie stand sehr offensiv, die Außenverteidiger rannten ständig nach vorne, wodurch Real Madrid bei Kontern oft riesige breite Schnellstraßen zur Verfügung hatte. So müsste der Clásico-Held für Barcelona eigentlich Marc-André ter Stegen heißen, der deutsche Torwart zeigte teils fantastische Reaktionen und insgesamt zwölf Paraden. Doch am Ende sprach man nur ein kleines bisschen von ter Stegen. Und sehr viel über Messi.

"Er ist gefährlich, so lange, bis er zu Hause beim Abendessen sitzt", erklärte sein Trainer Luis Enrique, "er ist der beste Spieler der Geschichte." Mitspieler Ivan Rakitic sagte: "Wer davon überrascht ist, der sollte sich an die Geschichte des Fußballs erinnern. Wenn er Lust hat, kann er alles machen, was er will."

Und wann sollte Lionel Messi Lust haben, wenn nicht in der Nachspielzeit des Clásico? Es stand 2:2, Barcelona hatte ganz hinten Probleme, aus der Bedrängnis zu kommen. Als plötzlich der zuvor 91 Minuten lang sehr lahme Sergi Roberto zu einem energischen Sololauf ansetzte. Über 60 Meter sprintete er an einigen Real-Spielern vorbei, passte den Ball nach links. Kurz darauf flankte Jordi Alba in die Mitte, aber nicht vor das Tor wie erwartet, sondern flach in den Rückraum. Es blieben noch 15 Sekunden auf der Uhr und plötzlich schien die Zeit stehen zu bleiben. Der Ball kullerte fast gemächlich in den Strafraum, genau auf Lionel Messi zu. Für Real-Spieler und -Fans ein albtraumhafter Moment, denn sie alle wussten, was kommen würde. Aber niemand konnte mehr etwas dagegen tun. Messi rannte, Messi schoss mit links, Messi traf links unten. Letzte Aktion, 3:2, Aus.

Diese Fähigkeit, selbst im wichtigsten Moment sein Können zu zeigen, ist epochal. Er hatte diese eine Chance, Millionen Menschen in aller Welt schauten zu. Er nutzte sie knallhart. Man kann Lionel Messi vermutlich eine Woche lang nicht schlafen lassen, ihn bei Wasser und Brot internieren und er würde diesen Ball dennoch genau so links unten versenken. Dass es zudem sein 500. Pflichtspieltor für den FC Barcelona war, setzte der Szene die fußballhistorische Krone auf. 500 Tore in 577 Partien - eine einzigartige Bilanz.

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Das Drehbuch des Spiels hatte noch mehr zu bieten. Messi hatte sein Wirken damit begonnen, dass er Gegenspieler Casemiro am Mittelkreis der Lächerlichkeit preisgab: Er umspielte den Brasilianer auf der Fläche eines Bierdeckels. Casemiro reagierte wütend und grätschte Messi von hinten nieder. Real Madrid erkannte, dass ihnen nur dieser Mann gefährlich werden konnte, die Gastgeber waren fast immer überlegen, kraftvoller, energischer, zielgerichteter. Barcelona wirkte ausgelaugt, müde, mit einigen Schwachstellen im Team.

Als sich kurz darauf Lionel Messi den Ball etwas zu weit vorlegte, rauschte Real-Verteidiger Marcelo dazwischen, spielte unten den Ball und verpasste dem Argentinier oben mit dem Ellbogen einen spitzen Schlag. Messi sank ins Gras, das Blut tropfte ihm aus dem Mund. Es hätte das Bild des Abends werden können: der geschlagene, blutende Ex-Held, überrollt von einem bärenstarken Gegner. Kurz darauf ging Real hochverdient in Führung, Casemiro traf per Abstauber (28.). Wie sollte Barcelona nur ein Tor schießen? Klar: Messi nahm einen Pass kurz vor dem Strafraum auf und machte deutlich, worin das Problem seiner Gegenspieler liegt: Es geht einfach alles viel zu schnell. Der zweitbeste Rechtsverteidiger der Welt, Dani Carvajal, schlug im Zweikampf ein Luftloch, für das er in der Bezirksliga einen Kasten Bier für seine Mitspieler ausgeben müsste. Flachschuss, 1:1 (33.).

Weil Real Madrid ständig an ter Stegen scheiterte, kam Barcelona besser in den Rhythmus. Und vergab selbst riesengroße Möglichkeiten. Auch Keylor Navas erwischte für Madrid einen guten Torwart-Tag. Die Partie raste bisweilen von einer Seite zur anderen, von strukturiertem Mannschaftsspiel war vor allem bei Barcelona kaum etwas zu erkennen. Am Ende wies die Statistik ein Torschussverhältnis von 22:16 für Real auf. Es war ein Spektakel.

Ivan Rakitic brachte die Gäste mit einem herrlichen Linksschuss unverdient 2:1 in Führung (73.). Kurz darauf kam Sergio Ramos geflogen. Der Abwehrspieler mit dem granitharten Scheitel wollte dem Treiben dieses Messi wohl ein für allemal ein Ende bereiten, also setzte er bei einem Konter von Barcelona zu einer beidbeinigen Power-Grätsche an. Seinen tätlichen Angriff ahndete der Schiedsrichter (mit dem schönen spanischen Namen Alejandro Hernández Hernández) völlig zu Recht mit der roten Karte. Wonach die Eigenart der Fußballer-Psyche zu Tage kam, dass selbst nach bösartigsten Fouls noch protestiert wird, was das Zeug hält. Es war die 22. Hinausstellung in der Karriere des Sergio Ramos, die vierte (!) in einem Spiel gegen den FC Barcelona.

Dennoch blieb Real überlegen, erzielte fünf Minuten vor Schluss das 2:2 durch James Rodriguez. Wie wild diese Begegnung war, zeigte der Umstand, dass Real selbst danach noch in Unterzahl auf das dritte Tor spielte, statt kühl das Unentschieden zu verteidigen. So wurde der Lauf des Sergi Roberto erst möglich. So öffnete Madrid die Tür für den 500. Treffer des Lionel Messi.

Toni Kroos übrigens stand direkt daneben, als es geschah. Für Huldigungen hatte der sehr nüchterne deutsche Nationalspieler noch nie etwas übrig. Seine Meinung zum Abend äußerte er auf Englisch: "Sometimes football sucks." Frei übersetzt: Fußball ist manchmal beschissen.

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