Eiskunstlauf-WM:"Sie ist eine Inspiration für alle anderen"

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Weltmeisterin im Alter von 40 Jahren: Deanna Stellato-Dudek (re.) und ihr kanadischer Partner Maxime Deschamps. (Foto: Minas Pangiotakis/Getty Images via AFP)

Die Paarläufer Minerva Hase und Nikita Wolodin gewinnen WM-Bronze. Eindruck macht aber vor allem Titelgewinnerin Deanna Stellato-Dudek - als älteste Weltmeisterin der Eiskunstlauf-Geschichte.

Von Barbara Klimke

Ohne Akribie bringt man es zu nichts im Eiskunstlauf. Deanna Stellato-Dudek bat deshalb nachts, als alle Freudentränen getrocknet waren und die Sprache unweigerlich auf das Alter kam, die historischen Siegerlisten noch einmal auf ihre Genauigkeit zu prüfen. Sei wirklich niemand jemals älter gewesen als 40, hakte sie bei der Pressekonferenz nach. "Auch niemand in den 1920-er Jahren?" In dem Fall, so erklärte sie, muss man das Rekordbuch ihres Sports eben mit einem Hinweis versehen: "Vierzig ist jetzt das neue Zwanzig!"

Deanna Stellato-Dudek, 40 Jahre alt, die mit ihrem kanadischen Partner Maxime Deschamps, 32, bei der Paarlauf-Konkurrenz in Montreal triumphierte, ist tatsächlich die älteste Weltmeisterin im Eiskunstlauf, quer durch alle Sparten. "Sie ist eine Inspiration für alle anderen", sagte die neben ihr sitzende, 16 Jahre jüngere Minerva Hase aus Berlin, die mit Nikita Wolodin WM-Bronze gewann.

Minerva Hase war gerade erst geboren, als Deanna Stellato-Dudek sich mit 16 Jahren schon zu einer Junioren-Eisprinzessin kürte. Aber die Spuren, die die Kufen ins Eis ritzen, sind keine Jahresringe, wie Stellato-Dudek richtig sagte: "Es gibt keine Punkte dafür, dass man älter ist. Es spielt keine Rolle."

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Obwohl sie erst seit einem Jahr ein Paar bilden, sind Minerva Hase und Nikita Wolodin das beste Eiskunstlauf-Duo des Winters. Wie die Berlinerin und der Sankt Petersburger Show-Läufer trotz des russischen Angriffskrieges zusammenfanden.

Von Barbara Klimke

Die Anforderungen der Juroren sind für alle Weltklassepaarläufer gleich: für Hase/Wolodin, für Stellato-Dudek/Deschamps sowie für die Berliner Paar Annika Hocke und Robert Kunkel, die ausgezeichnete Fünfte wurden. Verlangt werden riskante Hebungen, Dreifachsprünge, Schrittfolgen und Würfe, bei denen die Athleten in der Luft dreimal um die eigene Achse wirbeln, ehe sie vorschriftsmäßig auf einem Bein landen. Die kanadischen Weltmeister erhielten in der Kür zur Filmmusik "Interview mit einem Vampir" die Höchstnote für ihren Dreifach-Twist. Und niemals ist einer schaurigen Nachtgestalt eine schönere Todesspirale gelungen, mit Griff an die Kufe.

Auch Annika Hocke und Robert Kunkel können für Olympia planen

Der Vortrag von Minerva Hase in Montreal an der Seite des im russischen Eislaufsystem ausgebildeten Nikita Wolodin, 24, ist kaum weniger hoch einzuschätzen. Gerade weil dem Paar jene Erfahrung und Routine fehlen, die eine lange Karriere prägen. "Ich kann es kaum glauben: Wir haben bei unserer ersten gemeinsamen WM in unserer ersten Saison eine Medaille gewonnen", sagte Hase, als sie vor den Journalisten saß.

Sie war 2022 WM-Fünfte gewesen mit ihrem damaligen Berliner Partner Nolan Seegert, ehe sich die Wege trennten. Ihr russischer Trainer Dmitri Savin stellte den Kontakt zu Wolodin her, der zu jener Zeit mit einer Eisrevue durch Hallen von Krasnojarsk bis Tscheljabinsk tourte. Zwar hatte Wolodin als Junior mit einer früheren Partnerin einen Grand Prix gewonnen, es aber später in dem Land mit dem riesigen Reservoir an Eisathleten nicht mehr in den Kader geschafft.

Im Mai 2023 erhielt die deutsche Eislauf-Union seine Startfreigabe vom Weltverband ISU, seitdem trainiert das Paar überwiegend am Bundestützpunkt Berlin bei dem erfahrenen Knut Schubert nach Plänen von Savin. Russische Athleten sind seit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine von internationalen Eiskunstlauf-Wettkämpfen ausgeschlossen; es ist ein interessantes sportpolitisches Detail, dass nun ein ehemaliger russischer Show-Läufer für die DEU vom WM-Podium winkt.

Erste Saison, erste Medaille: Minerva Hase und ihr neuer Partner Nikita Wolodin laufen dem dritten Platz bei der WM entgegen. (Foto: Geoff Robins/AFP)

Minerva Hase und Nikita Wolodin verblüfften die Experten von Beginn an durch ihre technische und tänzerische Harmonie. Sie gewannen in diesem Winter auf Anhieb zwei Grand-Prix-Wettbewerbe samt dem Finale in Peking; nur bei der EM im Januar leisteten sie sich zu viele Fehler. Kaum hatten sie in Montreal die Kür hinter den neuen Weltmeistern und den zweitplatzierten Japanern Riku Miura und Ryuichi Kihara beendet, verkündete Wolodin auch schon, dass er Raum für Verbesserungen sieht. Ziel sind die Winterspiele 2026 - ein erfolgreiches deutsches Einbürgerungsverfahren vorausgesetzt.

Für Olympia können auch Annika Hocke, 23, und Robert Kunkel, 24, planen, die nicht in Berlin, sondern in Bergamo trainieren und nach einer längeren Verletzungsphase bei der WM nur die Medaillengewinner und das Duo aus Ungarn vorbeispringen lassen mussten. Sie seien jetzt auf dem richtigen Weg, sagte Annika Hocke, "nach all dem Stress". Im Dezember litt Kunkel derart unter Rückenschmerzen, dass er sich kaum die Schuhe binden, geschweige denn zum Grand-Prix-Finale reisen konnte. Am Donnerstag feierten sie auf dem Eis auch ihre wiedergewonnene Bewegungsfreude.

Zwischenzeitlich war Deanna Stellato-Dudek Managerin in einem Kosmetikzentrum

Den Traum Olympia will sich auch die in den USA geborene Deanna Stellato-Dudek noch erfüllen. Zu ihrem staunenswerten Werdegang gehört der Umstand, dass sie zwischenzeitlich 16 Jahre lang keine Eisbahn betreten hatte. Nach Platz zwei bei der Junioren-WM 2000 beendete sie ihre Karriere als Einzelläuferin wegen einer Verletzung, absolvierte eine Berufsausbildung und arbeitete als Managerin eines Kosmetikzentrums. Erst im Alter von 32 Jahren reizte es sie, noch einmal Axel und Toeloops zu springen - und zwar als Paarläuferin. Zunächst probierte sie es mit dem Amerikaner Nathan Bartholomay, nun ist sie mit dem Kanadier Maxime Deschamps Weltmeisterin geworden.

Ob sie sich das als Kind hätte träumen lassen, wurde sie Donnerstagnacht gefragt. "Mein früheres Ich wollte zu Olympia 2006", sagte sie lachend: "Es würde mich wohl fragen: Was machst du denn jetzt bei Olympia 2026?"

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