Kolo Muanis Wechsel nach Paris:Pokern bis in die Nacht

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Nicht mehr im Frankfurter Trikot: Torjäger Randal Kolo Muani setzt seinen Willen durch und wechselt nach Paris. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Nach einem langen Tauziehen kassiert Eintracht Frankfurt die Rekordablöse von 95 Millionen Euro für Torjäger Randal Kolo Muani. Doch weil kein Ersatz beschafft werden kann, schmälert der Klub damit auch die sportlichen Ansprüche.

Von Frank Hellmann, Frankfurt

Vielleicht musste es nach dem Pokerspiel so sein, dass Paris Saint-Germain solche Sequenzen über die Sozialen Medien versandte: Randal Kolo Muani, der mit einem breiten Grinsen in der Dunkelheit die am Absperrgitter ausharrenden französischen Fans begrüßte. Kurz zuvor hatte der schwerreiche Spitzenklub PSG seinen Kader um einen der hoffnungsvollsten Stürmer der Bundesliga bereichert, der sich längst in Paris aufgehalten hatte, um seinen Wechsel auf fragwürdige Art und Weise durchzudrücken.

Letztlich ist Kolo Muani, 24, ans Ziel gekommen. Am Samstagmorgen - wieder bei bester Laune - stellte er sich bei seinen neuen Kollegen vor. PSG hat nun eine gut mögliche neue Angriffsreihe der französischen Équipe Tricolore vereint: Kylian Mbappé wurde noch einmal zum Bleiben überredet, Ousmane Dembélé vom FC Barcelona verpflichtet - und nun holte man eben noch den Angriffschef von Eintracht Frankfurt zurück in die Ligue 1, wobei diese finale Verpflichtung das i-Tüpfelchen eines irrwitzigen Gezerres am Deadline Day bedeutete.

Nachmittags lehnt Frankfurt das PSG-Angebot ab - kurz darauf kommt es doch zum Transfer

Allein das Versanddatum der um 0.30 Uhr in Umlauf gebrachten Eintracht-Medienmitteilung "031" deutete auf das Tauziehen hin, in dem beide Seiten das Recht des Stärkeren beanspruchten. Eigentlich stand der Deal am Freitagabend mit dem Ende der Transferzeit in Deutschland (18 Uhr) vor dem Aus, doch in Frankreich können Zugänge noch bis 23 Uhr gemeldet werden. In dieser Zeitspanne überschlugen sich die Ereignisse.

"Am späten Nachmittag haben wir aufgrund der Angebotslage der Spielerseite und Paris Saint-Germain mitgeteilt, dass wir keine Grundlage für eine Einigung sehen und weiterhin mit Randal Kolo Muani planen", teilte Frankfurts Sportvorstand Markus Krösche mit, um die Kehrtwende dann so zu erklären: "Am späten Abend haben wir ein Angebot erhalten, welches wir aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten im Sinne von Eintracht Frankfurt nicht ausschlagen konnten." Für eine Rekordablösesumme von 95 Millionen Euro habe der ursprünglich bis zum 30. Juni 2027 gebundene Angreifer gehen dürfen. Die Entscheidung hätten der Vorstand und der Aufsichtsrat einstimmig gefällt.

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"Unsere Voraussetzung für einen Verkauf war eigentlich, dass wir einen Stürmer bekommen, der Kolo Muani ersetzen kann", räumte Krösche allerdings ein. Es sei "bitter", dass die Vorbereitungen mit Blick auf Nachfolgekandidaten wegen des späten Angebots für Kolo Muani nicht umsetzbar gewesen seien, gab der 42-Jährige zu. "Auch - und so ehrlich muss man sein - der Leihe von Rafael Borré ( zu Werder Bremen, d. Red.) hätten wir drei Stunden später nicht zugestimmt", betonte der Sportchef. Der Kolo-Muani-Transfer sei "eine Grundsatzentscheidung" gewesen, die "langfristig gesehen verantwortungsvoll und richtig" sei, aber: "Kurzfristig müssen wir uns eingestehen, dass die Situation aufgrund der fehlenden Kompensation im Sturm nicht ideal ist."

PSG-Chef Nasser Al-Khelaïfi zeigte sich hocherfreut: "Wir freuen uns, Randal Kolo Muani als stolzen Pariser und Franzosen in seiner Stadt und seiner Heimat willkommen heißen zu dürfen. Wir haben unglaublich hart gearbeitet, um diesen Transfer über die Ziellinie zu bekommen." Der Zugang soll einen Fünfjahresvertrag erhalten, dazu gibt es selbstredend ein Spitzensalär.

Derweil richtete die Eintracht bloß noch ein Dankeschön für die guten Leistungen der Vorsaison und keine weiteren guten Wünsche aus, denn der Angreifer hatte in den letzten Tagen mitsamt seinem Agenten Moussa Sissoko viel Zorn auf sich gezogen: Erst das Abschlusstraining vor dem nicht ganz unwichtigen Playoff-Rückspiel zur Conference League gegen Lewski Sofia (2:0) zu schwänzen, um sich dann bereits nach Paris zu begeben, das konterkarierte den angenehmen Eindruck, den der sonst stets korrekte Profi hinterlassen hatte.

Eintracht-Rekordspieler Körbel über Kolo Muani: "Macht mich fassungslos"

Die Aufregung war gewaltig - zumindest bei denjenigen, die es noch mit der Fußball-Romantik haben. Eintracht-Rekordspieler Karl-Heinz Körbel wetterte via Facebook: "Die Geschichte mit Kolo Muani macht mich fassungslos. Unser Vorstand darf sich das nicht gefallen lassen und muss klare Kante zeigen."

Doch was hätten Krösche und Co. tun sollen? Eine fristlose Kündigung aussprechen und damit im Grunde 100 Millionen Euro Ablöse in den Wind schießen? Das konnte sich der Europa-League-Sieger von 2022 gar nicht leisten. Nachdem Kolo Muani bei einem ersten (erlaubten) Abstecher an die Seine eröffnet worden war, was es bei PSG zu verdienen gibt, war die Sache für den neunmaligen französischen Nationalspieler klar: Er wollte nur noch weg von dem Verein, über den er auch den Sprung zur WM in Katar geschafft hatte.

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Wahrscheinlich wäre Kolo Muani, der sich mit Tempo, Wucht und Raffinesse zu behaupten weiß, sogar schon im Winter für einen dreistelligen Millionenbetrag gewechselt, wenn im WM-Finale gegen Argentinien nicht Emiliano Martínez mit einer der besten Paraden der WM-Geschichte seinen Siegtreffer in der letzten Minute der Verlängerung verhindert hätte. Von der vergebenen Topchance im Lusailstadion von Doha erholte sich Kolo Muani aber ziemlich rasant. Als sich die Hessen in der vergangenen Rückrunde ihre Auszeit im Liga-Betrieb nahmen, gab Frankfurts Nummer neun den tapferen Alleinunterhalter und lieferte verlässlich.

Dass am Ende über Platz sieben die Hintertür nach Europa aufging, war zuvorderst seinem Tatendrang zu verdanken. Am Ende standen für Kolo Muani nach einer Bundesliga-Spielzeit 31 Scorerpunkte (15 Tore/16 Vorlagen) in der Bilanz, sechs Treffer steuerte er zum Einzug ins DFB-Pokal-Finale bei, zweimal traf er in seiner Premierensaison in der Champions League.

Während Paris mit dem drittteuersten Weggang der Bundesliga-Geschichte die Sehnsucht nach dem Henkelpott erfüllen will, hat Frankfurt einiges von seinem sportlichen Anspruch verkauft: Denn durch die späte Finalisierung war die Zeit zu knapp, sich Ersatz zu besorgen. Wunschkandidat Hugo Ekitike von Paris Saint-Germain hätte das Gehaltsbudget gesprengt, andere Alternativen zerschlugen sich.

Drei Toptorschützen gehen - Kandidaten, um die Lücke sofort zu schließen, fehlen

Allenfalls könnte die Eintracht nun noch einen vertragslosen Mittelstürmer wie Anthony Modeste an sich binden. Unter dem Strich steht in dieser Sommertransferperiode ein ziemlicher Qualitätsverlust in der Offensive: In dem ablösefrei zu Lazio Rom gewechselten Daichi Kamada, dem erst kürzlich für 30 Millionen Euro an den SSC Neapel abgegebenen Jesper Lindström und nun Kolo Muani sind die drei besten Torschützen gegangen, wettbewerbsübergreifend war das Trio für 81 (!) Scorerpunkte zuständig.

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Diese Lücken werden Zugänge wie Omar Marmoush, 24, Jessic Ngankam, 23, und auch Farès Chaïbi, 20, trotz guter Anlagen nicht auf Anhieb füllen können. Und keiner dieser drei ist ein klassischer Mittelstürmer, die es in Frankfurt in jüngerer Vergangenheit immer gab: erst Sébastian Haller, dann André Silva und schließlich Kolo Muani.

Jetzt hat der neue Trainer Dino Toppmöller als einen solchen Spielertyp nur noch den als Fehleinkauf geltenden Lucas Alario. Und Krösche wird vielleicht bald mit dem Vorwurf leben müssen, dass zwar das Bankkonto bestens aussieht, aber das Punktekonto den gestiegenen Erwartungen nicht mehr entspricht.

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