Dem Nationalspieler Patrick Franziska vom Champions-League-Sieger 1. FC Saarbrücken schreibt die jüngste Pressemitteilung des Deutschen Tischtennis-Bunds zur Olympia-Nominierung eine "wichtige Funktion" zu: die des "Ergänzungsspielers". Diese Position kann im Sommer in Paris tatsächlich wichtig werden, aber nur, falls von den nominierten Teammitgliedern Dang Qiu, Dimitrij Ovtcharov und Timo Boll einer erkrankt oder sich eine Verletzung zuziehen sollte. Dann wird Franziska spielen. Wenn sie alle gesund bleiben, wird der 31-Jährige bei Olympia keinen einzigen Ballwechsel machen. Das hat er 2016 in Rio de Janeiro schon einmal erlebt.
Damals war es verkraftbar für den Odenwälder, denn es waren seine ersten Olympischen Spiele. Diesmal, bei seinen dritten Spielen und nachdem er 2021 in Tokio Teil der Silber-Mannschaft war, wäre es eine große Enttäuschung. Den umkämpften dritten Teamplatz hinter den gesetzten Qiu und Ovtcharov hat der 43 Jahre alte Timo Boll bekommen. Für ihn sind es die siebten Olympischen Spiele.
Franziska hatte sich große Hoffnungen gemacht, schließlich hat er jüngst bei einem Turnier in Singapur die chinesische Legende Ma Long besiegt sowie in der nächsten Runde Ovtcharov. Am Osterwochenende ist er mit Saarbrücken zum zweiten Mal nacheinander Champions-League-Sieger geworden, indem er beim Finalturnier unter anderem auch wieder Ovtcharov schlagen konnte.
Franziskas Klub Saarbrücken zeigt sich überrascht und enttäuscht von der Nichtnominierung
Über Franziskas Ersatz-Nominierung sagte der Saarbrücker Tischtennis-Manager Nicolas Barrois der SZ: "Patricks Leistungen waren zuletzt sehr gut, wir hatten fest darauf gehofft, dass er zu den ersten drei Teammitgliedern gehört; dass dies nicht so ist, kam für uns überraschend; wir sind enttäuscht und haben beim DTTB auch erwähnt, dass wir die Entscheidung nicht zu hundert Prozent nachvollziehen können."
Leicht war die Entscheidung für den Bundestrainer Jörg Roßkopf wohl nicht. Er musste wählen unter dem Weltranglisten-Zehnten Dang Qiu, dem Elften Dimitrij Ovtcharov, der Nummer 16 Patrick Franziska, der Nummer 27 Timo Boll und der Nummer 45 Benedikt Duda. Zwei Spieler (Qiu und Ovtcharov) dürfen bei Olympia im Einzel antreten. Qiu hat sich mit Nina Mittelham außerdem im Mixed qualifiziert. Drei dürfen in der Mannschaft spielen, ein Vierter muss die unbefriedigende Rolle des Ergänzungsspielers akzeptieren. Vor einigen Wochen hatte Boll gesagt, diese Rolle des Ersatzspielers würde er sich mit 43 Jahren nicht mehr antun wollen.
Roßkopf hatte schon vor der Nominierung von "Fluch und Segen" seiner fünf starken Spieler gesprochen. Hinterher betonte er, dies sei seine "schwierigste Nominierung als Trainer" gewesen. Recht klar war, dass er Qiu und Ovtcharov fürs Einzel nominieren würde.
Roßkopf hat die Nominierung gemeinsam mit dem Sportdirektor Richard Prause, dem Co-Trainer Lars Hielscher und dem Bundesstützpunkttrainer Xiaoyong Zhu diskutiert und beschlossen. Die Entscheidung über den dritten Team-Platz zwischen Boll und Franziska war demnach eng. Boll ist zwar schon 43, aber noch absolut konkurrenzfähig - wenn er denn fit ist. Er hat im Januar ein Turnier in Doha gewonnen durch Schlussrunden-Siege gegen den Südkoreaner Lee Sang Su, den Taiwaner Lin Yun-Ju und den Japaner Tomokazu Harimoto. Beim Turnier in Singapur hat er den Chinesen Lin Shidong bezwungen.
Der SZ sagte Roßkopf: "Zwischen Timo und Patrick war es eine schwierige Entscheidung, bei der am Ende Nuancen den Ausschlag für Timo gegeben haben. Beide haben bei den Turnieren in diesem Jahr sehr gut gespielt und sich sehr positiv entwickelt. Wir haben lange überlegt und dann entschieden, in Paris etwas mehr auf den Punkt Erfahrung zu setzen. Ob es die richtige Entscheidung war, wissen wir erst nach Paris. Und selbst dann kann man nicht mit Sicherheit beurteilen, wie es gelaufen wäre, wenn Patrick die Nummer drei gewesen wäre."
Die Startplätze in Einzel, Mixed und Team so unter vier Spielern aufzuteilen, dass auch alle vier zum Einsatz kämen, hat für den Verband keine vorrangige Bedeutung. "Wir können es nicht allen recht machen", sagt Roßkopf, "wir haben uns viele Gedanken gemacht und dann entschieden, wohl wissend, dass es für manche Spieler sehr schwierig ist." Man wolle aber in allen Wettbewerben "die aus unserer Sicht bestmögliche Mannschaft und Paarung und die besten Einzelspieler aufstellen".
Patrick Franziska will dem Bundestrainer auch in den nächsten Wochen zeigen, wie gut er drauf ist. Am 30. Juni steht in Frankfurt das Bundesliga-Endspiel um die Meisterschaft an, vermutlich zwischen Saarbrücken und Borussia Düsseldorf (mit Dang Qiu und Timo Boll). "Wir hoffen", sagt Saarbrücken-Manager Barrois, "dass Patrick zeigen kann, dass es eventuell eine falsche Entscheidung war."