Dirk Bauermann im Interview:"Bayern ist ein schlafender Riese"

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Basketball-Bundestrainer Dirk Bauermann über die WM-Chancen seiner jungen Mannschaft ohne Dirk Nowitzki, sein Engagement als Zweitliga-Coach beim FC Bayern und die Chemie zwischen ihm und Uli Hoeneß.

Jonas Beckenkamp

sueddeutsche.de: In zehn Tagen beginnt die WM in der Türkei - welche Eindrücke haben Sie im Verlauf der Vorbereitung bisher von Ihrem Team gewonnen?

Basketball-Bundestrainer Dirk Bauermann: "Es wird schon anerkannt, wie viel Talent diese Generation hat." (Foto: dpa)

Dirk Bauermann: Ich bin alles in allem zufrieden. Sicherlich tut es weh, wenn man, wie beim Supercup, zwei Spiele mit über zehn Punkten verliert. Das ist wie ein 0:2 im Fußball. Aber mit einer realistischen Betrachtungsweise muss man sagen, dass wir einen so drastischen Neuaufbau zu bewältigen hatten, dass diese Ergebnisse überhaupt nicht überraschen und die Leistung der Mannschaft, ihr Bemühen, aber auch ihr Talent dafür verantwortlich sind, dass es immer im Rahmen geblieben ist. Wir haben bewiesen, dass wir mit starken Teams wie Kroatien, Litauen oder der Türkei auf Augenhöhe sind. Wir haben in der Vorbereitung die Russen geschlagen, die Kroaten fast geschlagen - nur von den Griechen gab's eine Lehrstunde.

sueddeutsche.de: Sehen Sie die WM noch als Schnupperkurs oder glauben Sie insgeheim doch an eine kleine Überraschung?

Bauermann: Überraschungen sind immer möglich. Wir hoffen, dass wir Spiele gewinnen, bei denen uns keiner den Sieg zutraut. Die WM ist für uns aber trotz des großen Reizes, sich mit den Besten zu messen, eher eine Übergangssituation, eine Möglichkeit, sich zu entwickeln und Erfahrungen zu sammeln. Eigentlich sind mehr die mittel- und langfristigen Ziele von Bedeutung: 2011 die EM und 2012 die Olympischen Spiele - dann wieder mit Dirk Nowitzki und danach mit der jungen Generation an Spielern, die jetzt erst 21, 22 Jahre alt sind. Für die ist das langfristige Ziel Olympia 2016 in Brasilien.

sueddeutsche.de: Ärgert Sie manchmal die öffentliche Fokussierung auf die WM-Absage Nowitzkis?

Bauermann: Ärgern wäre zu viel gesagt. Nach 20 Jahren Profisport kenne ich die Mechanismen. Beim DBB reift gerade eine Generation heran, von der ich sicher bin, dass zumindest drei Spieler demnächst auf höchstem europäischen, wenn nicht sogar auf NBA-Niveau agieren werden. Das kommt mitunter ein bisschen kurz, auch wenn mittlerweile honoriert wird, dass wir den Jungen eine Chance geben.

sueddeutsche.de: Was fehlt ihrer Auswahl, um europäische Größen wie Griechenland zu schlagen?

Bauermann: Neben Nowitzki, Chris Kaman (Los Angeles Clippers, d. Red.) und unserem eigentlichen Kapitän Sven Schultze (verzichtet wie Kaman freiwillig auf die WM, d. Red) fehlt uns vor allem Routine. Erfahrung in Spielminuten ist das Eine - permanentes Mitspielen auf dem höchsten europäischen Niveau das Andere. Dort geht alles viel schneller. Die Entscheidung zwischen Schießen, Passen oder Dribbeln muss viel rascher passieren als in der Bundesliga. Die Physis, die mittlerweile eher einer körperbetonten Sportart wie Handball entspricht, ist für junge Spieler sehr gewöhnungsbedürftig. Das geht nicht in einem Sommer, wie vergangenes Jahr bei der EM, sondern das braucht Zeit. Das Spiel auf Topniveau ist athletischer, intensiver. Da müssen wir geduldig sein, auch mal Rückschläge in Kauf nehmen und den Spielern Vertrauen schenken.

sueddeutsche.de: Sie sagten neulich über die Griechen, sie hätten so gut gespielt, wie Sie es noch nie gesehen haben - was verstehen Sie unter perfektem Basketball?

Bauermann: Definierend dafür ist erstens ein immens hoher Druck in der Verteidigung, der den Gegner komplett aus den gewohnten Strukturen hinausdrängt. Zweitens: die enorme Präzision im Angriff, die extreme Bewegungsgeschwindigkeit - alles passiert im Sprinttempo. Und drittens: selbstloses Passspiel. Nicht nur miteinander, sondern auch füreinander zu spielen. Immer den besser postierten Mann zu finden. Das ist die große Kunst, die den Spitzenbasketball ausmacht.

sueddeutsche.de: In der WM-Vorrunde warten Favoriten wie Argentinien oder Serbien - und machbare Gegner wie Australien, Jordanien oder Angola. Wie stehen die Chancen?

Bauermann: Australien halte ich nicht unbedingt für einen leichten Gegner. Die sind für mich sogar ein Geheimfavorit, der es bis ins Halbfinale schaffen könnte - und das obwohl sie mit Andrew Bogut ihren großen NBA-Star nicht dabei haben. Ich schätze sie ähnlich stark ein wie die Serben. Argentinien hat trotz des möglichen Ausfalls von Andres Nocioni immer noch genügend Ausnahmespieler wie Delfino, Oberto und Scola, die sind vom Papier her der Favorit. Zwischen uns, Angola und Jordanien wird es um den vierten Platz gehen, der zum Weiterkommen reicht. Das müssen wir uns zutrauen. Wenn wir das nicht schaffen, wäre es sicher eine Enttäuschung.

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sueddeutsche.de: Sie sind seit kurzem auch Vereinstrainer in der zweiten Liga beim FC Bayern - wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?

Mit Bayer Leverkusen gewann Dirk Bauermann in den Neunzigern sieben Meistertitel in Folge. Außerdem war er in Bamberg, den USA, Griechenland und Belgien tätig. (Foto: dpa)

Bauermann: Die Basketballabteilung des FC Bayern hat beschlossen, dass Basketball in der betriebenen Form keinen Sinn mehr macht. Man wollte es entweder sein lassen oder ganz richtig machen. Richtig heißt: Deutsche Spitze. Voraussetzung dafür war aber, dass Basketball vom Präsidenten nicht nur befürwortet, sondern auch unterstützt wird. Damit er das tut, brauchte man starke Argumente, ein gutes Konzept und Personen, die diese Ideen glaubwürdig verkörpern. Deshalb haben sie mich angesprochen und gefragt, ob ich mit dieser neuen Philosophie etwas anfangen könnte. Ich hielt das Ganze für ein interessantes Vorhaben, wollte aber mit Uli Hoeneß darüber sprechen. Da stellte sich dann schnell heraus, dass wir uns sympathisch sind und wir eine gemeinsame Herangehensweise haben. Die Chemie stimmte einfach. Er hat mir versichert: Ich bin dabei, ich unterstütze das, ich mag Basketball sehr. Das hat mich überzeugt und ich habe zugesagt.

sueddeutsche.de: Hätten Sie gedacht, dass in dem großen Fußballmacher Uli Hoeneß ein heimlicher Basketball-Fan schlummert?

Bauermann: Ich habe von seiner Begeisterung nichts gewusst. Aber Basketball ist doch auch eine tolle Sportart. Mich wundert es manchmal, wie populär die Superstars aus der NBA auch bei anderen Sportlern sind. Das ist wirklich erstaunlich. Ich weiß von Bastian Schweinsteiger, Philipp Lahm und vielen anderen Fußballern, dass sie Basketball sehr mögen. Insofern war das für uns als Basketballer eine gute Nachricht, dass eine der größten deutschen Persönlichkeiten im Sport ein Herz für uns hat. Das kann nur helfen.

sueddeutsche.de: Der Aufstieg ist nach den Zugängen namhafter Spieler wie Demond Greene, Steffen Hamann oder Alexandar Nadjfeji quasi Pflicht - wie gehen Sie mit den Erwartungen um?

Bauermann: Die hohen Erwartungen sind nötig. Es ist ja auch ein Novum, dass ein Bundestrainer in die zweite Liga geht, aber es ist eben auch ein Novum, dass ein Verein, der auf Augenhöhe mit Real Madrid oder Barcelona ist, sagt: Wir schreiben uns jetzt auch Basketball auf die Fahne. Insofern ist das etwas ganz Besonderes. Wir wissen, was uns erwartet und welche Dynamik sich bei Auswärtsspielen entwickeln wird. Da will natürlich jeder den großen Bayern ein Beinchen stellen, da werden die Hallen immer voll sein. Aber das sorgt auch dafür, dass man Topleistungen abruft. Ich kenne das ja aus meiner Zeit in Leverkusen. Da haben wir sieben Meisterschaften in Serie gewonnen und haben auch immer polarisiert.

sueddeutsche.de: München war lange Zeit keine Basketballstadt - ist das auch ein besonderer Ansporn?

Bauermann: Es gibt in Bayern engagierten Amateursport, was den Basketball betrifft. Viele Vereine machen gute Jugendarbeit. Aber es haben wohl auch viele darauf gewartet, dass mal ein großer Klub wie der FC Bayern Verantwortung übernimmt und diese ganzen Energien und Talente bündelt. Diese Region ist basketballerisch sicher ein schlafender Riese. Wir müssen den Vereinen klarmachen, dass alle in der Region davon profitieren, deshalb machen wir auch Trainerfortbildungen für die Jugendtrainer. Die werde ich genauso leiten wie ein großes Basketball-Camp mit Kindern. Wir wollen so versuchen, eine Identifikation mit diesem Projekt zu erzielen - jetzt nur diese Mannschaft zu haben, ist nicht genug.

sueddeutsche.de: Als Bundes- und Vereinstrainer wartet eine Menge Arbeit auf Sie - warum tun Sie sich das an?

Bauermann: Das ist gewiss stressig. Ich hatte diese Doppelfunktion ja schon einige Jahre in Bamberg, aber da war der Akku dann irgendwann leer. Deshalb habe ich die vergangenen zwei Jahre nur für den DBB gearbeitet und musste feststellen: Die tägliche Arbeit mit dem Team fehlt mir doch irgendwie. Die Entwicklung junger Spieler bei der Nationalmannschaft ist für mich aber auch eine Herzensangelegenheit - insofern freue mich darauf, jetzt wieder beides zu tun.

sueddeutsche.de: Wäre eine solche Doppelrolle auch als Bundesligatrainer des FC Bayern denkbar?

Bauermann: Sicher. Das ist im Grunde auch unabdingbar. Wir haben mit dem Nationalteam das große Ziel Olympia 2012 - dann auch mit Nowitzki, der mir am Wochenende noch einmal fest versprochen hat, dass er ab nächstem Jahr wieder dabei ist. Aber auch das Projekt in München ist natürlich nicht nur auf ein Jahr angelegt. Der Aufstieg muss gelingen und dann will ich auf jedenfall weitermachen. Nach einem Jahr wieder aufzuhören und die Früchte der Aufstiegsarbeit zu verpassen, wäre nicht in meinem Sinn. Ich hoffe, dass dann zumindest eine Übergangslösung für eine Doppelfunktion möglich sein wird.

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