Die DFB-Elf in der Einzelkritik:Mit Bierruhe im Lärm

Torhüter Manuel Neuer spielt im lauten Gebrüll Istanbuls wie einst der "Hexer" im Handball, Bastian Schweinsteiger verwandelt mit großer Gelassenheit einen Elfmeter und Thomas Müller ruckelt über den Platz wie ein türkischer Stadtbus. Die deutsche Auswahl in der Einzelkritik.

Thomas Hummel, Istanbul

Die DFB-Elf in der Einzelkritik

Manuel Neuer

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(Foto: dapd)

Torhüter Manuel Neuer spielt im lauten Gebrüll Istanbuls wie ein Hexer aus dem Handball, Bastian Schweinsteiger verwandelt mit großer Gelassenheit einen Elfmeter und Thomas Müller ruckelt über den Platz wie ein türkischer Stadtbus. Die deutsche Auswahl in der Einzelkritik. Von Thomas Hummel, Istanbul Hat kein Problem mit Lärm. Ging trotz des erwarteten Furors von den Tribünen wie immer weit vor allen Mitspielern hinaus zum Aufwärmen und wurde entsprechend begrüßt. Da haben noch auf der anderen Seite des Bosporus die Blätter an den Bäumen gewackelt. Doch weder das infernalische Gebrüll der türkischen Fans, noch die circa 1000 Minuten Langeweile im Bayern-Tor beraubten Manuel Neuer seines Könnens. Klärte nach vier Minuten gegen Hamit Altintop im Stile des Handballtorwarts Andreas Thiel, der einmal der "Hexer" genannt wurde. Leitete dann die stillen Momente des Abends ein: Aus seinem Abwurf auf Müller resultierte das 1:0 (35.), aus seinem Befreiungsschlag auf Götze das 2:0 (65.)

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Jerome Boateng

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(Foto: dpa)

Oh, der arme Jerome! Alle wissen nun, dass er so gerne Innenverteidiger spielen würde. Und jetzt musste er doch wieder zeigen, dass er einfach der beste Rechtsverteidiger des Landes ist. Vor allem seine Schnelligkeit bewahrte die deutsche Elf bei einigen Kontern für die Türken vor größerer Gefahr. Zeigte eine Verteidiger-Glanzleistung nach knapp einer Stunde, als Burak Yilmaz schon alleine auf das Tor zusteuerte und Boateng den Ball noch von der Seite fair zur Ecke klärte.

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Holger Badstuber

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(Foto: AP)

Eigentlich als Innenverteidiger nominiert. Erfüllte diesen Auftrag auch tadellos, grätschte und köpfte meist erfolgreich. Beeindruckte zu Beginn zudem als Spielmacher - dabei vor allem mit wunderbaren Diagonalpässen auf seinen Münchner Kameraden Thomas Müller. Lenkte auch noch den ersten Ball Richtung türkisches Tor, nach 33 Minuten per Brust nach einer Ecke. Hat sich als erster Innenverteidiger in der deutschen Mannschaft etabliert.

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Per Mertesacker

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(Foto: REUTERS)

Zunächst stiller Beobachter der Verteidigerkunst seines Nebenmanns Badstuber. Fast teilnahmslos am Spielgeschehen bis weit in die erste Halbzeit hinein. Als sich die Türken bei Badstuber alle blaue Flecken geholt hatten, prüften sie auch Mertesacker. Und da war dann erkennbar, dass der Teilnahmslosigkeit des Spielers vom FC Arsenal ein überragendes Stellungsspiel zugrunde liegt.

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Philipp Lahm

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(Foto: dapd)

Fiel durch ungewohnte Unsicherheiten auf. Hatte eigentlich seiner kleineren Statur entsprechend ideale Gegenspieler mit den eher kleingewachsenen Arda Turan und Gökhan Töre. Doch wenn es gefährlich wurde, dann über seine linke Seite.

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Sami Khedira

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

Wählte in der Vorbereitung auf das Spiel laute Worte. Fand es "respektlos", dass in seiner Abwesenheit über ihn und seinen Stammplatz diskutiert worden sei, "das ist unfair gegenüber meiner Leistung der vergangenen Jahre". Wollte dann auch eine besonders laute Leistung zeigen, forderte viele Bälle, behielt diese Bälle dann aber oft viel zu lange, verlor seine Mitspieler aus den Augen und trieb sich in unnütze Kämpfe gegen die motivierten Türken. Verschwand nach der Pause in den Tiefen des Raumes und war kaum mehr zu sehen. Eine sehr leise Leistung.

Die DFB-Elf in der Einzelkritik

Bastian Schweinsteiger

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(Foto: dpa)

Wedelte schon nach zwei Minuten wild mit den Händen in der Luft zum Zeichen, er möge doch bitte den Ball bekommen. Da herrschte im Stadion noch der infernalische Lärm einer landenden Boeing, doch Schweinsteiger wollte führungsspielermäßig die Sache in die Hand nehmen. Das gelang ihm bisweilen hervorragend. Und wer noch einmal sagt, die Bender-Zwillinge oder sonstige Jungsspunde würde so viel mehr laufen als alle anderen im Mittelfeld, der hat an diesem Abend nicht Bastian Schweinsteiger gesehen. Egal, ob hinten rechts oder links vorne - fast immer war Schweinsteiger in der Nähe, wenn es Entscheidendes zu tun gab. Als es noch mal aufregend zu werden schien, verwandelte er mit großer Bierruhe den Elfmeter zum 3:1.

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Mario Götze

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(Foto: dapd)

Oh Mario! Ein Raunen ging nicht nur durch den kleinen deutschen Block bei fast jeder Ballberührung des 19-Jährigen aus Dortmund. Ersetzte Mesut Özil, doch was heißt da schon ersetzen? Erinnerte nicht nur wegen seiner neongrünen Schuhe an einen Tänzer, seine Körperbeherrschung, sein Gefühl für den Ball führen zu Szenen voller Anmut und Eleganz. Die Türken liefen teilweise ins Leere als hätte sich der Ball in Luft aufgelöst. Dabei hatte ihm Mario Götze eine kleine, feine Richtungsänderung gegeben. Dem möglichen Vorwurf, ihm fehle es an Zielstrebigkeit zum Tor, begegnete Götze mit der Vorlage zum 2:0.

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Lukas Podolski

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(Foto: dapd)

Wurde kürzlich von seinem Trainer Stole Solbakken zum besten Spieler der Bundesliga ernannt. Durch dieses Lob vielleicht etwas irritiert, übte er auf das Spiel in Istanbul wenig Einfluss aus. Kam selten zu dem von Bundestrainer Löw geforderten Spiel aus der Bewegung, sondern musste sich in Querpässen üben. Ging nach 62 Minuten folgerichtig raus, war damit jedenfalls nicht der beste Spieler in Istanbul.

Die DFB-Elf in der Einzelkritik

Thomas Müller

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(Foto: dpa)

Bot eine Leistung, die einer Fahrt mit dem Omnibus durch die Istanbuler Stoßzeit glich. Mal ging schnell dahin, zwischen allen Gefährten hindurch, mal wurde er von einem gegnerischen Taxifahrer (Verteidiger) brüsk gestoppt. Mal wusste man nicht: Geht was vorwärts oder steckt er nun fest? Hatte ungewohnt viele unglückliche Szenen und Ballverluste, bereitete aber das 1:0 von Gomez mit einem wunderbaren Pass vor. Verpasste nach 58 Minuten das 2:0 nur um Busreifenbreite, schoss aber kurz darauf sicher ein. Ließ allerdings vor dem 1:2 seinen Gegenspieler Hakan Balta Busfahrer-mäßig aus den Augen. Holte fast im Gegenzug dafür einen Elfmeter heraus. Wie gehabt: eine rucklige Leistung.

Die DFB-Elf in der Einzelkritik

Mario Gomez

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(Foto: dapd)

Erste Aktion, 1:0. Mario Gomez ist so effektiv und genau im Abschluss wie einst Robin Hood beim Bogenschießen. Nach 35 Minuten passte beim Stürmer aus München einfach alles: Ballannahme, Gegner ausgespielt und dann mit links scharf und genau vollendet. Er schien davon so begeistert, dass er danach neues Gebiet für sich erschloss: Sprintete bei einem Konter 70 Meter die rechte Außenbahn entlang, dort wo sonst Arjen Robben sprintet. War nach diesem Sprint aber so kaputt, dass er einige Minuten auspusten musste. Wird sich das für die Zukunft überlegen.

Die DFB-Elf in der Einzelkritik

Andre Schürrle

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(Foto: dpa)

Verkörperte wie immer die Merkmale des "Jokers": Andre Schürle brauchte keine Anlaufzeit, lief sofort in voller Sprintgeschwindigkeit über den Platz, zog in Robben-Manier nach innen, schoss auf das Tor. Vergab dann eine Konterchance so fahrlässig, dass er den Zorn des Bundestrainers auf sich zog.

Die DFB-Elf in der Einzelkritik

Benedikt Höwedes

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(Foto: AFP)

Kam für Boateng als Rechtsverteidiger, obwohl auch er eigentlich nicht Rechtsverteidiger spielen will.

Die DFB-Elf in der Einzelkritik

Marco Reus

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(Foto: dpa)

Kam ganz kurz vor Schluss noch ins Spiel und schaffte damit, was er sich seit langem verdient hat: Sein Debüt im Nationalteam. Ganz ohne Zwischenfall. 

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