DFB-Team besiegt Island:Gruß an den Golf

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Eine kleine, politische Botschaft vor dem Anpfiff: Die Nationalspieler laufen in T-Shirts auf, die das Wort "Human Rights" ergeben. Ein Gruß an den WM-Ausrichter Katar. (Foto: Pool/Getty Images)

Im Spiel eins nach dem 0:6 gegen Spanien überzeugt die deutsche Nationalmannschaft sportlich und sendet eine Botschaft ans Emirat Katar. Sogar Uli Hoeneß ist zufrieden - und wütet nur Richtung Verband.

Von Martin Schneider

Dafür, dass der Tag mit einem "blöden Backgammon-Spiel" (Oliver Bierhoff) begann, endete er aus Sicht der Nationalmannschaft ganz vergnüglich. Backgammon, das zur Einordnung, ist eines der ältesten Brettspiele der Welt, sogar im Grab des Pharao Tutanchamun hat man ein Spielbrett gefunden und es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet in der Pandemie-Zeit, in der Fußballprofis lieber einzeln Playstation spielen sollten, sie ihre Begeisterung fürs analoge Steineauswürfeln entdecken. Weil der auf Corona positiv getestete Jonas Hofmann mit dem Leipziger Marcel Halstenberg gespielt hatte, verordnete das Gesundheitsamt Düsseldorf Quarantäne für beide - das geht ja wieder gut los mit der Nationalmannschaft, dachte man.

Es sprach für die Ereignisdichte des Abends, dass am Ende keiner mehr über Backgammon sprach, es gab so viele andere Themen. Sportlich das 3:0 gegen Island, ein optimaler Auftakt zur WM-Qualifikation, mit sehr fein und leicht herausgespielten Toren rund um ein Mittelfeld, bei dem man gar nicht weiß wohin mit all den begabten Fußballern. Dann eine Botschaft, "Human Rights" stand auf den T-Shirts der Nationalspieler nach Abspielen der Hymne in Richtung des WM-Gastgeberlandes Katar.

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Und ein neuer TV-Experte, Uli Hoeneß, der zunächst freundlich und wohlgesonnen, am späteren Abend aber ziemlich scharf gegen den DFB als Verband schoss.

Lippenbekenntnisse oder ein Schritt in die richtige Richtung?

Aber der Reihe nach. "Wir wollten unbedingt Emotionen reinkriegen. Dass man vor dem Fernseher sieht, dass da elf Jungs auf dem Platz stehen, die richtig Bock haben. Das hat gut geklappt", sagte Leon Goretzka, Torschütze zum 1:0 nach zwei Minuten (Kai Havertz traf nach sieben Minuten zum 2:0). "Wir haben uns alle darauf gefreut, das erste Spiel in 2021 spielen zu dürfen", sagte Kapitän Manuel Neuer.

Den Nationalspielern war offensichtlich bewusst, dass sie die Mannschaft in eine Art emotionale Sackgasse manövriert hatten. Nach dem 0:6 gegen Spanien und dem angekündigten Rücktritt von Joachim Löw wurde dieses Spiel gegen Island wichtiger als es sonst Spiele gegen Island wären, das sah man am Spieltempo, am Drang zum Tor, an der sogenannten Körpersprache. Weil das eh gerade formstarke Bayern-Quartett Kimmich-Goretzka-Gnabry-Sané durch den sehr formstarken Ilkay Gündogan (erzielte das 3:0) und den sehr begabten Kai Havertz ergänzt wurde, stellte sich beim Außenseiter aus dem Nordatlantik alsbald Überforderung ein.

Schon vor dem Spiel überraschte die Mannschaft, als sie T-Shirts mit der Aufschrift "Human Rights" präsentierte. Goretzka, der auch sonst außerhalb des Platzes mit gesellschaftlichem Engagement auffällt, sagte nach dem Spiel ein paar Worte dazu. Die Idee dazu sei auch aus der Mannschaft gekommen. "Wir haben natürlich die WM vor uns. Darüber wird immer wieder diskutiert", erklärte er: "Das möchten wir der Gesellschaft klarmachen, dass wir das nicht ignorieren. Dass wir ganz klar sagen, was für Bedingungen da herrschen müssen."

Tags zuvor hatte die norwegische Nationalmannschaft ebenfalls per T-Shirt-Schriftzug auf die Lage im Emirat Katar hingewiesen. Menschenrechtsorganisationen kritisieren seit Jahren die Situation am Persischen Golf, der britische Guardian hatte kürzlich recherchiert, dass seit Vergabe der WM 6500 Bauarbeiter im Land ums Leben gekommen sein sollen.

Man kann solche Botschaften als Lippenbekenntnisse abtun (was unmittelbar danach auch viele in den sozialen Medien taten) - aber wenn man bedenkt, dass sich der DFB 2017 nach dem Confederations Cup in Russland noch beim Ausrichter für die schönen Stadien bedankte, kann man es auch als Schritt in die richtige Richtung interpretieren. Zumindest werden politische Probleme nicht mehr wegignoriert. "Wir haben da eine große Reichweite. Die können wir wunderbar nutzen", sagte Goretzka.

Hoeneß kritisiert den DFB - und schlägt sich auf die Seite von Präsident Keller

Auf welch schwierigem Terrain sich der Fußball in Sachen Katar allerdings bewegt, merkte man daran, dass der neue TV-Experte Uli Hoeneß die Aktion lobte und meinte, auch durch das Engagement des FC Bayern in Katar ändere sich dort was. Dazu muss man wissen, dass der FC Bayern von der staatlichen Fluglinie Qatar Airways gesponsert wird, regelmäßig ins Trainingslager nach Doha fliegt und auch in Werbespots für die Fluglinie des kritisierten Emirats auftaucht. Es ist alles nicht so einfach.

Hoeneß übrigens, bei dem noch nicht so klar ist, ob er nun als TV-Experte oder doch eher als Uli Hoeneß rund um die Länderspiele agiert, war sportlich voll des Lobes. Erst spät am Abend hatte er eine scharfe Botschaft in Richtung Verband. Den dortigen Machtkampf zwischen dem Präsidenten Keller und dem Generalsekretär Curtius nannte er ein "Trauerspiel". Man streite "wie die Besenbinder", es ginge nicht mehr um Fußball, sondern nur um "Postengeschacher". Er schlug den am Jahresende vom FC Bayern scheidenden Karl-Heinz Rummenigge als Repräsentanten des DFB bei Fifa und Uefa vor und schlug sich klar auf die Seite des amtierenden DFB-Präsidenten Keller.

Auch zur Neubesetzung des Bundestrainerpostens wurde Hoeneß befragt - er äußerte sich diplomatisch und verwies auf den Vertrag von Hansi Flick. Auch da war nicht so klar, ob er nun als Experte oder doch eher als Ehrenpräsident des FC Bayern sprach.

Erster Schritt auf den Platz: Jamal Musiala. (Foto: Federico Gambarini/dpa)

Es ging in dieser ganzen Gemengelage fast unter, dass der noch amtierende Bundestrainer, Löw heißt er, seinem Nachfolger noch einen vermutlich großen Dienst erwies. In der 78. Minute betrat Jamal Musiala den Platz und hat sich damit für den DFB "festgespielt" - er hätte auch für England auflaufen können. "Ich bin ganz stolz und einfach happy, hier zu sein", sagte Musiala. Debütanten, vor allem 18-Jährige, wünschen sich oft einen geräuschlosen ersten Auftritt. Das war bei Musiala an diesem Abend der Fall - es war einfach sonst zu viel los.

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