DFB-Team:"Wer das glaubt, der irrt gewaltig"

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Vor dem Spiel gegen Rumänien müssen Bundestrainer Joachim Löw und Joshua Kimmich die Botschaft für Menschenrechte verteidigen. Der Vorwurf: Marketing.

Von Martin Schneider

Manchmal wird dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) oder der Nationalmannschaft vorgeworfen, sie würde Kritik nicht nur nicht ernst nehmen, nein, sie würden sie erst gar nicht mitbekommen. Das zumindest kann man aktuell als widerlegt ansehen, denn Bundestrainer Joachim Löw eröffnete seine Pressekonferenz in Rumänien ungefragt mit einem Statement, das auf Kritik einging - speziell auf Kritik an der T-Shirt-Aktion vor dem WM-Qualifikationsspiel gegen Island. "Human Rights" stand auf den Shirts, und Löw sagte im Presseraum in Bukarest, er habe "den ein oder anderen Kommentar" dazu gelesen, ohne genauer zu werden.

Welche Kommentare das auch waren, sie haben ihm jedenfalls nicht gefallen. "Wer glaubt, dass sich Spieler wie Manuel Neuer, Ilkay Gündogan oder Lukas Klostermann aus Marketinggründen vor so einen Karren spannen lassen, der irrt gewaltig." Daraus konnte man schließen, dass es um Kommentare ging, die der Nationalmannschaft unterstellten, nicht nur aus hehren Motiven die Buchstaben auf die Shirts gemalt haben. Er fand die Aktion richtig gut, die Idee sei aus der Mannschaft gekommen, weil sich die Spieler "für solche Dinge" interessieren. Nicht alles, was beim DFB passiere, sei "negativ zu bewerten".

Das stimmt natürlich, am 3:0 gegen Island gab es sportlich zum Beispiel ausgesprochen wenig negativ zu bewerten, aber an der Stelle lohnt es sich, kurz auf den Kontext zurückzukommen. Denn die Aktion, auf Menschenrechte beziehungsweise auf Menschenrechtsverletzungen beim künftigen WM-Gastgeber Katar hinzuweisen, wurde eigentlich nicht überwiegend negativ bewertet, eher im Gegenteil. Seit langem besteht der Wunsch, dass sich die Nationalmannschaft politisch stärker positioniert, oft genug gelang das nicht. Beim Confederations Cup 2017 bedankte man sich noch beim Gastgeber Russland für die schönen Stadien, am Millerntor in St. Pauli ließ der Verband mal bei einem Training den Slogan "Kein Fußball den Faschisten" abkleben. Weil: Politische Äußerung. Wolle man sich nicht mit gemein machen.

Der Vorwurf des Marketings wurde erst so richtig laut, als der DFB selbst in den sozialen Medien ein "Making of"-Video veröffentlichte, auf dem man Spieler (und DFB-Sponsoren) sah, die, mit Musik unterlegt, Buchstaben auf Shirts pinselten. Der Vorwurf: Ihr nehmt euch selbst wichtiger als die Botschaft. Oder auch: Ihr missbraucht die Botschaft für Werbung.

Dazu muss man auch wissen, dass der Nationalmannschaft schon länger das Image anheftet, zu viel für ihr Image zu machen. Das hat viel mit der auf vielen Ebenen missglückten WM 2018 zu tun. Ein Slogan "Best never rest" verträgt sich schlecht mit einem Vorrunden-Aus. Auch Termine, an denen Teammanager Oliver Bierhoff den Mannschaftsbus des Automobilsponsors vorstellte und meinte, der Bus stehe "für Teamgeist und Gemeinschaft", halfen da nicht. Nun macht natürlich jeder Fußballklub der Welt Werbung, oft auch unbeholfen und garantiert nicht zu knapp, aber bei der Nationalmannschaft hat sich der Gedanke eingebrannt, dass das Verhältnis gar nicht mehr stimmt.

In diesem Rahmen musste sich Löw und kurz darauf auch Joshua Kimmich für die Aktion rechtfertigen. Angesprochen auf das "Hochglanzvideo" meinte der Bayern-Spieler: "Wenn man es als Hochglanzvideo bezeichnet, spricht das für unsere Kameraleute. Aber es war nicht für die Kameras, wir wollten ein Zeichen setzen. Die Norweger haben es auch gemacht - was ich super fand." Tags zuvor hatte die norwegische Nationalmannschaft als erstes Nationalteam gegen Katar protestiert, am Samstag beim Spiel gegen die Türkei machten sie das erneut - und nahmen dabei auch auf die deutsche Mannschaft Bezug: "Norway, Germany, Next?", stand diesmal auf den Shirts. Die Niederländer liefen in schwarzen Shirts mit dem Schriftzug "Football Supports Change" ("Fußball unterstützt Wandel") auf. Auch Dänemark hatte Botschaften angekündigt.

Die Norweger verweisen auf die Aktion der Deutschen. (Foto: Vegard Wivestad/imago)

Neben der Kritik an dem Social-Media-Video mussten sich Löw und Kimmich auch der Frage stellen, ob alle Botschaften nicht vergebens seien, wenn man sie nicht mit einer Boykott-Drohung verbinde. "Generell bin ich der Meinung, dass wir für einen Boykott zehn Jahre zu spät dran sind", sagte Kimmich und spielte darauf an, dass die Weltmeisterschaft von der Fifa in einem umstrittenen Doppelverfahren bereits 2010 vergeben wurde. Dass mehrere Stimmen als gekauft gelten, muss man kaum noch erwähnen. "Ein Boykott hilft niemanden. Man kann mit so einem Turnier Aufmerksamkeit in der ganzen Welt erzeugen und Dinge in die Richtige Richtung bringen", sagte Löw. Tatsächlich sind auch Organisationen wie Amnesty International gegen einen Boykott. Sie fordern, den Druck auf Fifa und Katar zu erhöhen - das würde mehr bewirken.

Ob Deutschland am Sonntag gegen Rumänien eine weitere Aktion plant, weiß man nicht. Ansonsten ging es bei der Pressekonferenz noch ein bisschen ums Tagesaktuelle. Niklas Süle ist verletzungsbedingt abgereist, Löw will mit der gleichen Abwehr wie gegen Island auflaufen, Leon Goretzka und Leroy Sané haben leichte Probleme. Es ging tatsächlich ein bisschen unter, dass das Auswärtsspiel in Bukarest sportlich gesehen vielleicht die schwierigste Aufgabe auf dem Weg nach Katar ist.

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