Neuer Nachwuchsdirektor beim DFB:Wolfs Revier und Gerlands Garten

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Neuer Nachwuchsdirektor beim DFB: Hannes Wolf am Montag in Frankfurt. (Foto: Jörg Halisch/Imago)

Der bisherige Juniorentrainer Hannes Wolf will als Chef eines Kompetenzteams die Nachwuchsarbeit im DFB verändern. Die Besetzung eines weiteren Postens gestaltet sich turbulent.

Von Christof Kneer

Es ist noch nicht so lange her, dass ein Nachwuchsfußballer bei Hermann Gerland an der Tür geklingelt hat. In seinem Verein gebe es kein Stürmertraining mehr, klagte der Spieler, aber Gerland wusste Rat. Gemeinsam haben die beiden in Gerlands Garten dann Finten geübt, was vermutlich ebenso nützlich wie schmerzhaft war. Der ehemalige Verteidiger Gerland hat sich dem jungen Mann in all seiner Knochigkeit in den Weg gestellt, und dann haben sie gemeinsam Bewegungen und Tricks simuliert, mit denen sich knochige und auch andere Verteidiger überwinden lassen.

Natürlich ist auch der Name Gerland wieder gefallen, als sie am Montag beim Deutschen Fußball-Bund den neuen Nachwuchsdirektor Hannes Wolf, 42, vorgestellt haben. Dass der deutsche Fußball nach Jahren der Überakademisierung wieder zurück in Gerlands Garten möchte, wäre zu viel gesagt, aber erkennbar bleibt das Bemühen, der Überakademisierung mit einer Erhöhung des Senioritätslevels zu begegnen.

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:Eine Weltfußballerin für den DFB

Nadine Keßler beendete im Alter von 28 Jahren ihre aktive Karriere - nun wird die Uefa-Mitarbeiterin als Nachfolgerin von Oliver Bierhoff gehandelt.

Die Veranstaltung, die der DFB am Montag ins Programm hob, spielte auf zwei Ebenen, auf einer fachlichen und einer verbandspolitischen. Auf inhaltlicher Ebene erklärte der bisherige U20-Trainer Wolf mit lobenswertem Enthusiasmus den neuen Ausbildungsweg, für den er künftig stehen will - an der Spitze eines sog. Kompetenzteams, dem auch die Ex-Profis Sandro Wagner, Hanno Balitsch, Lars und Sven Bender, die ehemalige Stürmerin Lena Lotzen sowie selbstverständlich der Besitzer von Hermann Gerlands Garten angehören. Zwar wirkte Wolfs Vortrag angesichts des Oberthemas - Abschaffung der Überakademisierung! - etwas akademisch, aber unterwegs gelangen Wolf durchaus ein paar bemerkenswerte Sätze, die das Problembewusstsein in seiner neuen Abteilung dokumentieren.

Zu Wolfs Job gehört es auch, die Wettkampfreform im Nachwuchsfußball zu rechtfertigen

"Für unsere Idee von Fußball haben wir Positionen gekillt", sagte er zum Beispiel - eine farbige Formulierung, die gut umschreibt, was im vergangenen Jahrzehnt schief gelaufen ist. Verkürzt gesagt: Im Bemühen, allen Talenten eine taktische Universal-Ausbildung zukommen zu lassen, wurden versehentlich Individualismus und Spezialistentum abgeschafft - was sich längst in akutem Fachkräftemangel bei Mittelstürmern oder Außenverteidigern äußert. Leidenschaftlich referierte Wolf darüber, dass die A-Jugend eines großen Klubs von den 450 Netto-Minuten, die wöchentlich fürs Training auf dem Rasen zur Verfügung stehen, künftig auch alle 450 für Training und Entwicklung verwenden sollte - und nicht mehr 150 für Videoschulungen oder Gegneranalyse verschwenden (ein Ansatz, der in Gerlands Garten gut ankommen wird).

Auch bemühte er sich (etwas weniger leidenschaftlich), ein paar Gründe zu liefern für die - nicht von ihm verantwortete - Wettkampfreform des DFB, die von Fernseh- und anderen Experten mit einiger Empörung als Abschaffung des Wettbewerbs kritisiert wird. Im Kinder-Kleinfeldfußball bleibe der Leistungsgedanke durchaus erhalten, sagte Wolf (wenn auch nicht in Form von Tabellen); und von der Aufhebung des Abstiegsprinzips in den Junioren-Bundesligen verspreche man sich Trainer, die weniger an den Ergebnisdruck oder ihre eigene Karriere denken als daran, den Talenten Raum zum Reifen zu geben.

Hannes Wolf wird künftig - und dies ist nun die verbandspolitische Ebene - eine von drei Direktoren-Stellen übernehmen, die unter einer noch zu findenden Geschäftsführung arbeiten werden. Von diesen vier Stellen ist zurzeit nur eine - die von Wolf - zukunftstauglich besetzt. Für den Posten des Sportdirektors A-Nationalmannschaft/U 21 ist Rudi Völler nur mal kurz eingesprungen, sein Vertrag endet im August 2024. Sein Nachfolger wird nun doch nicht Sami Khedira werden, der mit dem Verband zu keiner Einigung fand; und für das Direktorat "Frauenfußball" ist der DFB ebenso noch auf der Suche nach einer tauglichen Lösung wie für die Geschäftsführung - Konfliktpotenzial inklusive.

Nadine Keßler ist eine Kandidatin für die Geschäftsführung - mehr noch nicht

Dass der Name Nadine Keßler kürzlich öffentlich wurde, hat im Verband für Aufregung und Irritation gesorgt. Die 35-jährige Ex-Nationalspielern gilt zwar als "interessante Kandidatin" für den Geschäftsführungsposten, heißt es, allerdings habe ein Zeitungsartikel fälschlicherweise den Eindruck erweckt, die Sache sei bereits entschieden. Tatsächlich ist offenbar noch nicht einmal die Phase der Sondierungen abgeschlossen, es sind weitere Anwärter im Rennen, zu konkreten Verhandlungen sei es noch gar nicht gekommen. So fahnden die zuständigen Stellen in diesem turbulenten Verband nun erstmal nach der Motivlage möglicher Maulwürfe - bestehen bleibt aber der Zeitplan, wonach der Geschäftsführer/die Geschäftsführerin spätestens bis zur USA-Reise der A-Nationalelf im Oktober gefunden sein soll.

Erst im neuen Jahr wird dagegen der Auswahlprozess für den Völler-Job beginnen, der zwar nicht qua Organigramm, aber von der öffentlichen Wirkung her der prominenteste ist, den der DFB zu vergeben hat. Idealerweise soll statt Khedira ein anderer ehemaliger A-Nationalspieler den Posten übernehmen, zu dessen Profil es gehört, Nationalmannschaft und Bundestrainer bei Länderspielen und Turnieren zu begleiten und zu beurteilen.

Hermann Gerland, man muss das so sagen, kommt für diesen Job nicht in Frage. Er hat in seiner Karriere leider kein A-Länderspiel bestritten.

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