Deutschlands Remis gegen Kamerun:Phasenweise bedenklich

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An ihm lag es nicht: Deutschlands Torwart Roman Weidenfeller. (Foto: dpa)

Bunte Mischung aus Stärken und Schwächen: Beim 2:2 gegen Kamerun in der ersten von zwei WM-Generalproben zeigt die deutsche Nationalmannschaft feine Momente vor ihren Treffern - und eine defensive Unordnung, die den Sieg kostet.

Von Philipp Selldorf, Mönchengladbach

Ein merkwürdiges Spiel war diese erste von zwei Generalproben vor der Abreise der Nationalmannschaft nach Brasilien. Nach drei Minuten sah es aus, als stehe Kameruns Torwart Charles Itandje ein Albtraum bevor, wie er ihn im Laufe seiner unkonventionellen Karriere vermutlich selten erlebt hat. Itandju ist schon 32 Jahre alt, ein weitgereister Mann, mit den Tabellenkellern diverser europäischer Ligen vertraut, derzeit hütet er die Ersatzbank des türkischen Vereins Konyaspor.

Wahrscheinlich hat er schon manches Fußballerleid erfahren, aber als nun die Partie zwischen Deutschland und Kamerun eröffnet wurde, war man sofort geneigt, ihn nicht nur um seine Kleiderwahl - er trug ein schreiend rosafarbenes Torwart-Set -, sondern auch um sein Schicksal zu bedauern, denn die Deutschen schienen es verdammt ernst zu meinen.

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Nicht mal eine Minute war verstrichen, als Mesut Özil ganz allein und ungestört vor Itandju auftauchte und sich die freie Ecke aussuchen durfte. Dass er trotzdem schnöde vorbeischoss, ließ sich leicht verkraften, weil sich schon zwei Minuten später die nächste große Chance für ein furios gestimmtes DFB-Team ergab.

Es schien jetzt angeraten, noch schnell beim Buchmacher einen Tipp auf Kantersieg für den Gastgeber zu platzieren. Aber das wäre eine schlechte Entscheidung gewesen, denn weder hat es einen Kantersieg für die Deutschen gegeben, noch hat es in der weiteren Spielzeit danach ausgesehen. 2:2 endete das Spiel, die Deutschen mussten einen Rückstand ausgleichen und verspielten eine Führung.

Sie zeigten Schwächen in der Deckung und ließen Präzision und Fantasie in der Offensive vermissen. Sie hatten feine Momente wie beim Ausgleich, als Jerome Boateng die Flanke für den Schützen Thomas Müller schlug und wie beim Führungstreffer, als der eingewechselte Lukas Podolski mit einem explosiven Sprint den Raum gewann, um den eingewechselten André Schürrle zu bedienen. Aber sie hatten auch diese Momente der Unordnung wie beim 0:1 durch Eto'o, und dann war da auch wieder dieser Sekundenschlaf, den Boateng ja öfter zu halten pflegt, und der den (im Übrigen verdienten) Ausgleich brachte.

Auch Bundestrainer Joachim Löw stellte fest, dass einiges nicht stimmte. "Bei uns hat man gemerkt, dass die Frische fehlt, das Passspiel war nicht gut, wir haben viele, viele Fehler gemacht", sagte er und erklärte außerdem: "Es zieht sich durch die letzten Jahre, dass wir viele Chancen brauchen."

Der Bundestrainer hatte für diesen angenehmen Frühlingsabend am Niederrhein eine Formation gewählt, die in ähnlicher Gestalt auch beim ersten Ernstfall des Turniers auftreten könnte. Roman Weidenfeller übernahm, wie sich noch herausstellen sollte: in würdiger Manier, den Posten von Stammkeeper Manuel Neuer; Boateng fand seinen Platz in der ersten Elf dadurch, dass er an Philipp Lahms Stelle als rechter Außenverteidiger einsprang.

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Auf der linken Abwehrseite durfte der Länderspieldebütant Erik Durm zeigen, ob er tatsächlich seinen Dortmunder Kollegen Marcel Schmelzer vertreten kann - oder aber, wie überall geraunt wird, gleich seine privilegierte Position in der Viererkette usurpieren könnte. Durm, 22, hat im Gegensatz zu Schmelzer den Vorzug, dass er noch mit Neugier betrachtet wird, weil das breite Publikum ihn lediglich aus einer Handvoll Champions-League- und Bundesligaeinsätzen kennt. An diesem Abend hatte er wenig Gelegenheit zur Profilierung. Die Zusammenarbeit mit seinem Vordermann Marco Reus funktionierte unauffällig, in der Deckung wurde er wenig gefordert.

Andere hatten größere Mühen. Vor allem Löws Maximo Lider im Mittelfeld, der viel gepriesene Sami Khedira, erfuhr eine Reihe bedenklicher Unannehmlichkeiten. Einige hatte er selbst verursacht, weil ihm nach der langen Verletzungspause das Selbstverständliche und die Abstimmung in seinem Spiel fehlt, weshalb er zum Beispiel nach 18 Minuten im Strafraum eine Kerze schlug wie einst Georg Schwarzenbeck, was dem berüchtigten Samuel Eto'o eine ordentliche Schusschance eintrug.

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Fast ebenso unerfreulich waren für Khedira aber auch die Attacken, denen er durch die eher ruppigen als robusten Gegenspieler ausgesetzt war. Nach zwanzig Minuten brach bereits Entsetzen aus auf der deutschen Bank: Alexandre Song hatte Khedira mit einer gepflegten Sense von den Beinen geholt, der Betroffene blieb liegen und spürte ausgiebig dem Schmerz nach. Schon eilten besorgt die Trainer an die Seitenlinie - aber dann gab Löws Führungskraft Entwarnung.

Erleichterung. Khedira spielte bis zur 74. Minute, dann ersetzte ihn Christoph Kramer, der mutmaßlich während des Trainingslagers einen Platz unter der brasilianischen Sonne gewonnen hat.

Das Spiel hatte längst mehrere Wendungen genommen. Von den furiosen Deutschen der ersten Minuten war nur noch gelegentlich etwas zu sehen. Von Mesut Özil, dem gedachten Spitzenkünstler, sogar so wenig, dass man ihn erst kurz vor der Pause wiederentdeckte: Bei einem recht törichten Foul, mit dem er einen Fehlpass von Reus zu korrigieren versuchte.

Löw musste feststellen, dass Özil "nicht seinen besten Tag gehabt", um eilig anzufügen: "Er braucht noch zwei Wochen, dann werden wir bei der WM einen starken Mesut sehen." Die Zuschauer ließen das nicht gelten. Als Özils Auswechslung bekannt gemacht wurde, pfiffen sie, nachdem sie Mario Götze bei dessen Abschied zuvor noch verschont hatten. Götze agierte auch nicht besonders überzeugend. Als heimliche Angriffsspitze inmitten der offensiven Viererbande hinterließ er keinen nennenswerten Eindruck. Miroslav Klose saß jedoch 90 Minuten auf der Bank. Auffälligster und natürlich auch eifrigster Angreifer war Götzes Münchner Kollege Thomas Müller.

© SZ vom 02.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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