Deutsche Sportförderung:Wo Transparenz unerwünscht ist

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Es gibt nicht einen Fürsprecher für die immer heftiger attackierte Organisationskultur im deutschen Sport. Immer mehr peinliche Fragen tauchen auf - trotzdem bleibt der DOSB untätig. So wird alles beim Alten bleiben im nationalen Sport unter DOSB-Chef Thomas Bach.

Thomas Kistner

Polternd reiht sich Helmut Digel ein in die Riege sachkundiger Systemkritiker. Er bescheinigt den im Deutschen Olympischen Sportbund vereinigten Köpfen des nationalen Spitzensportbetriebs recht umfassende Unfähigkeit. Konkret rügt der Sportsoziologe in einem Zeitungsbeitrag, dass die DOSB-gesteuerte Bürokratie "nur über äußerst geringe fachliche Kompetenz" verfüge.

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Wer zu Olympia fährt, will meist Medaillen gewinnen. Es kann jedoch auch ganz anders laufen: Ein chinesischer Sprinter erlebt ein Drama wie 2008, die deutschen Beckenschwimmer gehen völlig leer aus - und ganz Spanien muss lernen, wie es ist, im Fußball zu verlieren.

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Zähe Entscheidungswege prägen die Verwaltungsmühle, "völlig ungeklärt" sei die Frage nach der Verantwortung. Medaillen, klar, hefte sich jeder hier gern an die Brust, bei Misserfolg indes "stehen Heimtrainer und Athlet auf der Anklagebank". Sagt Digel, der einst selbst den Deutschen Leichtathletik-Verband regierte. Eine olympische Kernsportart.

Allmählich fällt zweierlei auf. Nicht einen Fürsprecher vom Fach gibt es für die immer heftiger attackierte Organisationskultur im deutschen Sport. Trotzdem bleibt der DOSB untätig. Gemeinsam mit dem Geldgeber, dem Bundesinnenministerium (BMI), verschanzt er sich in einem undurchdringlichen Dickicht aus selbstgebastelten Leistungskritierien und Förderstrukturen.

Zur stillen Freude der Ministerialen hatten die DOSB-Oberen mit den Fachverbänden sogenannte "Zielvereinbarungen" für die Verteilung der Fördergelder ausgeheckt, die von so fragwürdiger Substanz sind, dass sie um jeden Preis vorm Blick der (zahlenden) Öffentlichkeit verborgen bleiben mussten.

Der absurde Gipfel dieser Geheimniskrämerei trat in der Endphase der Londoner Spiele zutage: Da musste ein Berliner Gericht dem BMI erst 10.000 Euro Zwangsgeld androhen, um die Herausgabe zumindest der angestrebten Kernzahlen zu erzwingen.

Diese entlarvten das deutsche Abschneiden bei Olympia (44 Plaketten) als Desaster und warfen peinliche Fragen an die DOSB-Spitze auf: 86 Medaillen, darunter 28 goldene, wurden in den Zielvereinbarungen verankert. Also ungefähr die Ausbeute, die China mit seiner anonymen Muskelarmee unter recht erstaunlichen Begleitumständen einsackte.

Was sich seither tat? Die Zielvereinbarungen sollen in "Fördervereinbarungen" umgetauft werden, sonst nichts. Wie es zu der tollkühnen Hochrechnung kam, liegt weiter im Dunklen; offenbar sind die Inhalte der Zielvereinbarungen nicht öffentlichkeitstauglich.

Transparenz ist unerwünscht, den Eindruck vertiefen BMI und DOSB mit Hinweisen auf Datenschutz und Betriebsgeheimnis. So wird alles beim Alten bleiben im nationalen Sport unter DOSB-Chef Thomas Bach, der eifrig am internationalen Werdegang bastelt und sich just vor dem Zielstrich, der IOC-Präsidentenwahl 2013, keine Strukturdebatte aufhalsen dürfte.

Da hilft, wenn sich sein DOSB nicht als Sachwalter und Unterhändler der Verbände versteht, sondern als Kombattant der Politik. Mögen die Fachleute in den Fachverbänden schimpfen, wie sie wollen - die Laien im Dachverband und im Ministerium werden alles unter Kontrolle halten. Es steht viel auf dem Spiel.

© SZ vom 19.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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