Delegiertenversammlung bei 1860 München:Schneider schlägt zurück

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Eigentlich verlief die Delegiertenversammlung des TSV 1860 München friedlich, nur Präsident Dieter Schneider sorgte mit einer scharfen Rede für Aufregung: Darin mahnte er Investor Hasan Ismaik, sich an getroffene Absprachen zu halten - und lehnte neuerliche Transfers auf Pump ab. Auch für Geschäftsführer Robert Schäfer hatte er deutliche Worte übrig.

Philipp Schneider

Draußen im Foyer waren die saftigen Leberkäs-Semmeln gerade restlos vertilgt, als der Präsident seine Stimme erhob. Hätte es diese Rede von Dieter Schneider auf der Delegiertenversammlung des Turn- und Sportvereins München von 1860 e. V. am Montagabend nicht gegeben, es wäre wohl ein langweiliger Abend geworden. Die diversen Präsidien des vergangenen Geschäftsjahres wurden allesamt entlastet, aber Schneiders Rede, sie gestaltete sich zur Abrechnung. Einer stilvollen.

Löwenpräsident Dieter Schneider nutzt die Delegiertenversammlung des TSV 1860 München für eine persönliche Abrechnung. (Foto: Rauchensteiner)

Es ging Schneider in dem schwelenden Kompetenzkonflikt mit dem arabischen Investor Hasan Ismaik, der seit Mai 2011 49 Prozent der stimmberechtigten Anteile an der KGaA des Fußball-Zweitligisten hält, nicht darum, dessen Beteiligung rückwirkend in Frage zu stellen. In Schneiders Welt geht es um Regeln - und darum, dass sich alle an die Absprachen halten, auf die sie sich einmal geeinigt haben.

Das machte der Präsident so deutlich wie nie zuvor. "Wie sie wissen, haben wir in zwölf harten Verhandlungen mit Ismaik einen Kooperationsvertrag geschlossen", begann Schneider noch recht harmlos. Zum damaligen Zeitpunkt hätten sich alle anderen Optionen zerschlagen: "Wir standen vor der Entscheidung: Entweder Insolvenz anzumelden - oder die Investorenlösung durchzuziehen."

Der letztlich abgeschlossene Vertrag sei dadurch geprägt gewesen, dass "beide Seiten nicht ihre Idealvorstellungen durchbringen konnten und Kompromisse machen mussten." Dann hielt der Präsident kurz inne, ehe das große "Aber" des Abends folgte, der entscheidende Satz in Richtung des nicht anwesenden Hasan Ismaik und seines verspätet eingetroffenen Münchner Statthalters Hamada Iraki: "Ein derartiger Vertrag ist die absolute Grundlage für die künftige Zusammenarbeit. Und eben nicht die Ausgangsbasis, um in der Folge all das, was ich in den regulären Verhandlungen nicht erreicht habe, nachzuverhandeln." Was Schneider hier äußerte, war die Replik auf jene ziemlich unverblümte Rücktrittsforderung ("der Verein braucht frisches Blut"), die Iraki zuletzt stellvertretend an Präsident Schneider und die Aufsichtsräte des Vereins adressiert hatte.

Er habe im Rahmen des Vertrages Kontrollaufgaben wahrzunehmen, sagte Schneider, der auch stellvertretender Vorsitzender des KGaA-Aufsichtsrats ist, und darüber hinaus den Vereinsmitgliedern gegenüber eine "hohe Fürsorgepflicht". Und wenn er dieser Pflicht nicht nachkomme, mache er sich "schadensersatzpflichtig".

Konkret spielte Schneider dabei auf die Finanzierung der bevorstehenden Wintertransfers an: Seit einiger Zeit gilt als sicher, dass 1860 einen neuen Innenverteidiger verpflichten will. Seit Montag steht immerhin fest, dass im Sturm keine akute Handlungsnot besteht, da Kevin Volland erst nächsten Sommer zu Hoffenheim wechseln wird. Iraki hatte kürzlich deutlich gemacht, dass Ismaik nur indirekt mittels Kreditverträgen für anstehende Transfers aufkommen will.

Dieser Weg sei mit ihm nicht drin, so Schneider: "Da wären wir in kürzester Zeit stärker verschuldet als je zuvor", das Insolvenzrecht würde den Verein wieder "einholen". Investitionen in neue Spieler, die ja auch "den Wert des Aktienanteils erhöhen", müssten stattdessen, "an Erfolg oder Misserfolg dieser Investition gekoppelt werden". Der Investor profitiere als Anteilsinhaber schließlich vom möglichen Plusgeschäft, müsse aber ebenfalls das "unternehmerische Risiko" im Falle eines Misserfolges tragen.

Nach Schneiders Mahnung an den Investor folgte eine schneidende Ansage an Geschäftsführer Robert Schäfer. Er sei bereits, so Schneider, "kurz nach Vertragsschluss" seitens der "Geschäftsführung vom Informationsfluss abgeschnitten" worden. Informationen zu den Vorgängen im Verein habe er nur nach "sehr genauem Nachfragen" erhalten, "von einem Eingreifen ins Tagesgeschäft, aber auch von einer irgendwie gearteten Kontrollmöglichkeit kann seitdem nicht die Rede sein."

Ein herzliches Verhältnis zwischen Präsident und Geschäftsführer kam hier nicht zum Ausdruck, auch keine partnerschaftliche Zusammenarbeit. Schäfer war bei Schneiders Rede nicht anwesend, es hieß, "dringende Geschäfte" hätten ihn aufgehalten. Aber die Worte des Präsidenten werden ihn erreichen. Die nächsten Wochen könnten unruhig werden bei 1860.

© SZ vom 15.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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