Debatte beim FC Bayern:Öffentlicher Verweis vom Klubchef

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Pro Hoeneß: Karl-Heinz Rummenigge (li.) (Foto: Bongarts/Getty Images)

Die atmosphärischen Spannungen beim FC Bayern verdichten sich: Nachdem Präsident Hoeneß Sportdirektor Sammer für dessen Kritik an der Mannschaft gerügt hatte, unterstützt Klubchef Rummenigge nun seinen Präsidenten.

Von Christof Kneer

Am Samstag reisen die Bayern zu einem Matthias-Sammer-Fan. Kevin-Prince Boateng hat zwar kein Sammer-Poster überm Bett hängen, aber er wird seinen Helden vor dem Ligaspiel am Samstag bestimmt euphorisch begrüßen. Vielleicht wird er ihm noch mal sagen, was er gerade der Sport Bild erzählt hat: Er müsse sich bei Sammer rückblickend bedanken, sagte Boateng, "dass er mir so häufig auf die Finger gehauen hat"; früher habe er "das alles noch nicht wahrhaben oder hören" wollen, heute verstehe er das "viel besser".

Heute wisse er: Sammer habe ihn durch die Kritik reizen wollen, er wollte "das alles herauskitzeln". Das alles wäre demnach eine respektable Karriere beim AC Mailand, die Boateng nun mit einer respektablen Karriere bei Schalke 04 anreichern möchte.

Dass es im fremden Schalke einen Sammer-Fan gibt, ist interessant zu wissen. Noch interessanter zu wissen wäre allerdings, wie viele Sammer-Fans es im Moment im heimischen München gibt.

Am Samstag hatte Sammer den Bayern-Profis noch mangelnde Leidenschaft unterstellt, am Dienstagabend gab es nichts mehr zu sagen. Warum auch? Aus seiner Sicht war der Plan ja aufgegangen: Jeder, der sich mittels Vereinskluft als Bayern-Angestellter zu erkennen gab, wurde zu Sammers 95 Thesen befragt, es gab viel Wider- und wenig Zuspruch. Aber: Die Spieler hatten mit viel Körperspannung gespielt. Sie hatten Moskau nicht unterschätzt. Sie hatten ihrem Trainer ein gelungenes Debüt in der Champions League beschert.

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War was? Die Profis des FC Bayern München kontern die jüngsten Debatten und Kritiken um ihre Einstellung mit einem konzentrierten 3:0 gegen ZSKA Moskau. Kleine taktische Anpassungen im defensiven Mittelfeld sorgen für eine kompakte und dynamische Defensive - auch ohne Bastian Schweinsteiger.

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Das ist die Art, wie Sammer sich und seine Rolle sieht. Kevin-Prince Boateng würde wohl sagen, dass Sammer diese hoch konzentrierte Teamleistung erst herausgekitzelt habe; das Team selbst befindet sich aber eher in jenem Boateng-Stadium, in dem man das alles nicht hören will.

"Wir wussten nach dem Hannover-Spiel selbst, dass wir besser agieren müssen", sagte Kapitän Philipp Lahm, und Arjen Robben ergänzte etwas spitz, Bayern habe "so viele gute und erfahrene Spieler, wir wissen genau, wann etwas gut war und wann nicht". Den Spielern sei die Debatte "wurscht" gewesen, ergänzte Lahm, "es ist kein Problem, wenn sich ein Vorstandsmitglied äußert. Wir registrieren das".

Matthias Sammer ist über die Phase, in der er geliebt werden will, längst hinaus. Vielleicht war er auch nie drin in dieser Phase. Er ist ein ebenso radikaler wie höchst erfolgreicher Verfechter der Theorie, wonach aus Reibung Wärme entsteht, und als Vertreter dieser strengen Glaubensrichtung passt er optimal zum FC Bayern - sollte man meinen. Allerdings hat Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge vor dem Moskau-Spiel ein paar Sätze gesagt, die aufs Gegenteil schließen lassen.

Nach Präsident Hoeneß hat auch er Sammer einen öffentlichen Verweis erteilt. Es gebe zwar den Satz "Wehret den Anfängen", so Rummenigge, aber man könne "mit solchen Äußerungen auch mediale Steilpässe abschießen, die am Ende kontraproduktiv sind". Der Mannschaft werde Sammers Tadel "nicht gefallen haben, ich kann mir auch nicht vorstellen, dass es dem Trainer gefallen hat, und uns hat's auch nicht gefallen".

Ein derartig muskulöse Rhetorik gehört durchaus zur Hauskultur dieses Vereins, dessen Angestellte 2001 die Champions League gewannen, nachdem der damalige Präsident Beckenbauer die Spieler zuvor noch als "Uwe-Seeler-Traditionself" verleumdet hatte. Ob der aktuelle Konflikt - hier Rummenigge/Hoeneß, da Sammer - aber noch zur Klubfolklore zählt, traut sich im Moment keiner vorherzusagen.

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Matthias Sammer kritisiert, Uli Hoeneß kontert: Der FC Bayern beginnt seine internationale Spielzeit mit einem Ruckreden-Duell. Der oberflächliche Zwist legt einen strukturellen Konflikt offen - es geht um die Rolle, die Sammer zukünftig im Klub einnehmen soll.

Von Christof Kneer

Dass Hoeneß und Rummenigge ihrem Sportvorstand öffentlich ins Wort fallen, lässt auf grundsätzlichere Verspannungen schließen. Uli Hoeneß' vorsichtiger Satz, wonach Sammer "erst mal das Sportliche in den Vordergrund stellt" ( SZ vom 17.9.), deutet auf eine unterschiedliche Auslegung des Jobprofils hin. Rummenigge und Hoeneß wünschen sich offenbar einen umfassend tätigen Klubrepräsentanten, der seine hohen Kompetenzen in Kaderplanung, Trainerpflege und Mentalitätsschärfung um jene handwerklichen Fähigkeiten erweitert, die es zur Abwicklung komplexer Transfers braucht.

Sammer sieht sich eher nicht als Verhandler, er findet, dass er nicht die Details von 40-Millionen-Deals verantworten muss, wenn die routinierten Rummenigge und Hoeneß das ohnehin besser können. Gleichzeitig hat er womöglich nicht das Gefühl, dass die Wichtigkeit seines Jobansatzes überall im Haus verstanden wird.

Zur bayerischen Folklore gehört, sich nach zünftigem Fingerhakeln unter Zuhilfenahme von ein paar Maß Bier wieder zusammenzuraufen. Das funktioniert immer; nein: fast immer. Am Samstag beginnt das Oktoberfest.

© SZ vom 19.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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