Sonderflug LH 2570 war schon aufgerufen, BOARDING blinkte hinter der Destination Turin. Karl-Heinz Rummenigge hatte sich längst vor die im Terminal aufgebaute Sponsorenwand gestellt und die Erwartung geäußert, dass Juventus "alles in die Waagschale werfen" werde am Mittwoch, dass man aber "mit dem nötigen Schuss Demut" gute Chancen habe, das Halbfinale der Champions League zu erreichen. Dann war der Vorstandschef dem Präsidenten Uli Hoeneß hinterhergeeilt zum Gate. Berni, das Maskottchen, stand recht alleine vor dem Schalter herum, einen Haufen schwarz-roter Schals über die Bärenpranke gehängt.
Bloß die Spieler des FC Bayern hatten noch nicht mal eingecheckt.
Auch das erledigen sie inzwischen nämlich mit rekordverdächtiger Präzision beim neuen Meister. Bilder, wie die Profis am Gate in Ledersesseln lümmeln und auf den Abflug warten, sahen ja immer nach Zeitverschwendung aus, nach einer Art Van-Gaal-Ballgeschiebe ohne Raumgewinn. Inzwischen hat der Jupp-Heynckes-FC-Bayern auch in dieser Hinsicht die Lauf- bzw. Fahrwege perfektioniert: Ankunft des Teambusses, Gepäckaufgabe, Sicherheitscheck, Take-off - das erledigen sie jetzt so zügig wie ihre Angriffswellen von Neuer über Van Buyten, Schweinsteiger, Robben und Mandzukic ins Tor.
Van Buyten? Ja, der Name irritiert ein bisschen in diesem Zusammenhang. Auf den ersten Blick. Denn wenn man mit dem schon 35-jährigen belgischen Innenverteidiger bisher etwas nicht in Verbindung gebracht hatte, dann war das: Geschwindigkeit. Er bewege sich mit der Wendigkeit einer Litfaßsäule, solche Dinge musste Van Buyten immer wieder über sich lesen, seit er 2006 vom HSV zum Rekordmeister kam. Hin und wieder hat der Sohn eines belgischen Berufs-Catchers, der in der Jugend noch Stürmer war, sogar selbst Witze über sein nicht gerade rekordverdächtiges Tempo gemacht.
Maradona, Matthäus und ein Bayern-Schreck: Die Aufeinandertreffen des FC Bayern mit italienischen Mannschaften endeten nicht immer glücklich. Anlässlich des Münchner Champions-League-Intermezzos mit Juventus Turin lohnt sich ein Rückblick auf bayerisch-italienische Duelle.
In die Mannschaft gespielt hat er sich trotzdem immer - früher trotz Lúcio, trotz Demichelis, heute trotz Boateng. Und nach der tadellosen Vorstellung im Hinspiel (2:0) gibt es auch am Mittwoch in Turin keinen Grund, auf ihn zu verzichten. Zumal der Trainer Jupp Heynckes erst kürzlich urteilte, Van Buyten spiele derzeit "so gut wie selten".
Woran das liegt? Daniel Van Buyten blättert in seinem Reisepass und schlendert dann, eine offenbar modisch gemeinte Wollmütze auf dem Kopf, vergleichsweise gemütlich durchs Airport-Terminal. "An meiner Professionalität", antwortet er, "daran, dass ich immer hart gearbeitet habe." Womöglich auch daran, dass er mit Lahm links und Dante rechts neben sich sowie Martínez vor sich in einem so stabilen System operiert wie vielleicht noch nie? "Na ja", sagt er: "Das mag schon auch eine gewisse Rolle spielen."
Gemessen an den Erwartungen, die man vor der Saison an den Bayern-Kader hatte, ist Daniel Van Buyten der einzige Überraschungsgast in diesem Viertelfinale. Angesichts der DFB-Innenverteidiger Holger Badstuber und Jérôme Boateng sowie des Transfer-Volltreffers Dante galt der Belgier nur als Nummer vier auf der Position - wichtig fürs Mannschaftsgefüge, weil er sich mit Franck Ribéry auf Französisch unterhält, bisweilen auch problematisch fürs Mannschaftsgefüge, da Verschwiegenheit bezüglich Kabinen-Interna angeblich nicht seine Stärke sein soll.
Dann verletzte sich Badstuber (Kreuzbandriss), Boateng leistete sich in der Champions League einen Aussetzer zu viel (Rot-Sperre), Van Buyten übernahm den Startelf-Platz - und gab ihn nicht wieder her. Und das, obwohl er fast die gesamte Vorsaison mit Verletzungen verpasst hatte.
Zwei Tore in der Nachspielzeit: Borussia Dortmund steht im Halbfinale der Champions League - die Mannschaft kann ihr Glück selbst kaum fassen.
Und, schon was wegen der erhofften Vertragsverlängerung um ein weiteres Jahr gehört? Daniel Van Buyten schüttelt den Kopf, dann muss er aber doch schnell los, der Flieger wartet.
Bayern und Juve im Teamvergleich