Bayern-Profi Michaël Cuisance:Herzschläge beim Sportdirektor

Lesezeit: 3 min

Mickael Cuisance verlässt die Bayern. Von ihm bleiben wenige Erinnerungen. (Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images)

Nach ewiger Wartezeit verhilft Hansi Flick einem jungen Franzosen zu seinem Debüt in München - auch Hasan Salihamidzic sieht großes Potenzial in ihm.

Aus dem Stadion von Benedikt Warmbrunn, München

Es gibt Tore von formvollendeter Schönheit, es gibt Tore für die Geschichtsbücher, es gibt Tore, die zumindest ein Spiel entscheiden. Und es gibt Tore, die ein Sportdirektorenherz schneller schlagen lassen.

Im Geisterspiel des FC Bayern gegen Borussia Mönchengladbach lief am Samstagabend die 39. Minute, die Münchner hatten kurz zuvor durch ein Eigentor von Benjamin Pavard den ärgerlichen Ausgleich zum 1:1 kassiert, da dribbelte sich Lucas Hernández runter zur Torlinie, er flankte in die Mitte. Dort stieg Michaël Cuisance in die Luft zum Kopfball.

Eine Kombination zwischen Hernández und Cuisance, zwischen dem 80-Millionen-Mann und dem Mann, der angekündigt war als einer für die Zukunft, zwischen zwei Spielern, die Bayerns Sportdirektor Hasan Salihamidzic im Sommer unbedingt wollte, beide sind seine Transfers - doch beide sind in dieser Saison noch blass geblieben. Der Ball flog also in die Mitte, Cuisance stieg nach oben, und auf der Münchner Bank sprang der Sportdirektor Salihamidzic auf, mit einem Satz stand er fast auf dem Platz. Kopfball Cuisance. Der Ball flog am Tor vorbei. Salihamidzic setzte sich.

Bayern gegen Gladbach
:Sieg im Spiel der Kuriositäten

Die Gladbacher zwingen Bayern zeitweise fast in eine Außenseiterrolle. Doch die Einwechslungen von Trainer Flick greifen - und Leon Goretzka schießt die Münchner nahe an den Titel.

Aus dem Stadion von Maik Rosner

Das Sportdirektorenherz beruhigte sich wieder, auch wenn es möglicherweise ein paar Herzschläge gedauert haben könnte.

Das 2:1 gegen Gladbach hatte der Münchner Trainer Hansi Flick auch genutzt, um entgegen seiner Gewohnheit zu rotieren - die Offensivkräfte Robert Lewandowski und Thomas Müller fehlten gelbgesperrt, dazu der zentrale Mittelfeldspieler Thiago nach einer Leisten-OP. Hernández rutschte zudem in die Startelf, um dem Dauersprinter Alphonso Davies eine Pause zu gönnen. Doch die überraschendste Personalie war die des Mannes, dessen Kopfball kurz nach dem zwischenzeitlichen Ausgleich am Tor vorbei geflogen war.

Cuisance wollte einen Stammplatz in Gladbach - und bekam keinen in München

Der 20 Jahre alte Cuisance war im Sommer aus Mönchengladbach für angeblich zwölf Millionen Euro gekommen, unter einigem Lärm. Bei der Borussia verabschiedeten sie sich mit dem Vorwurf, dass Cuisance kein einfacher Typ sei; den Verantwortlichen soll er zu forsch aufgetreten sein, mit der Forderung auf einen Stammplatz. Den wollten sie ihm nicht garantieren, zum Ärger des Franzosen. Dass er dann ausgerechnet nach München gewechselt war, kommentierten sie durchaus spöttisch. Cuisance aber bekam von Salihamidzic eine mittelfristige Perspektive angeboten, der Sportdirektor sieht in ihm einen Spieler, der in Zukunft mal das Mittelfeld der Bayern prägen kann. Und in München zeigte Cuisance auf einmal die Geduld, die er bei seinem Ex-Klub noch vermissen ließ. Er zeigte sehr viel Geduld.

Bis zum Samstag spielte er insgesamt 456 Minuten, davon gerade einmal 86 für die Profis. Fünf seiner zwölf Spiele absolvierte er in der dritten Liga, in diesen traf er zweimal. Ansonsten fiel er nicht auf - außer einmal, als er für die U23 nicht spielen durfte, weil er zu spät gekommen war.

Am Samstag, gegen seinen ehemaligen Verein, stand er erstmals bei den Profis in der Startelf. Er war bemüht, er war bissig. Aber er konnte nicht Thomas Müller ersetzen, was vielleicht niemand kann - dass dem Münchner Offensivspiel zwischendurch die letzte Zuspitzung fehlte, das sagt wahrscheinlich mehr über Müller als über dessen Ersatz Cuisance. Es sagt aber auch etwas über ein Thema, das Hansi Flick sehr wichtig ist.

Der Trainer hat in den vergangenen Tagen immer wieder darauf hingewiesen, dass es dem Kader an Breite fehle. Zu erkennen war dies auch daran, wie Cuisance versuchte, das Spiel zu beeinflussen. Er war zweikampfstark, gewann viele Bälle. Er war eifrig unterwegs, bot sich immer wieder als Spieler an, gerne auch für Doppelpässe. An einigen flotten Aktionen war er auch beteiligt, in der 11. Minute schoss er nach einer Vorlage mit der Brust von Ivan Perisic volley am Tor vorbei, sieben Minuten später flankte er präzise auf den Kopf von Serge Gnabry.

Ja, und in der 39. Minute, da hätte er seine Mannschaft beinahe wieder in Führung gebracht. Zu Beginn der zweiten Halbzeit aber, als Gladbach drängte und viele gute Chancen hatte, stand Cuisance etwas windschief herum, aber da ging es ihm nicht anders als seinen Mitspielern. Er kämpfte also, dennoch fehlte dem Münchner Spiel vor dem Gladbacher Tor zwischendurch die eine, überraschende Idee.

Trotzdem konnte der junge Unbekannte auf sich aufmerksam machen, endlich einmal positiv. "Er hat sich reingehauen, hat versucht seine Aufgaben zu erfüllen, ist viel gelaufen. Ein ordentliches Startelf-Debüt", lobte Gladbachs Trainer Marco Rose. Flick erwähnte, dass Cuisance "am Spiel teilgenommen" habe, vermutlich war das zumindest als ein kleines Kompliment gemeint. Er lobte immerhin auch Cuisances Leistungen im Training. Es klang aber auch nicht so, als ob der Trainer nun seine Startelf dauerhaft überdenken würde. Aber versprochen bekommen hat Cuisance ja auch eine mittelfristige Perspektive. Er wird sich also weiter in einer Eigenschaft üben müssen, die ihm manchmal gefehlt hat, in der Geduld.

In der 61. Minute wurde Cuisance dann ausgewechselt, es kam Coman, und somit ein Spieler, der mit seinen Haken und Tricks für mehr Dynamik sorgte. Cuisance verließ das Spielfeld mit einem hochroten Kopf. Er sah aus wie einer, der alles gegeben hatte.

© SZ vom 14.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Müller-Wohlfahrt beim FC Bayern
:Ein letzter Sprint

Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt hört nach mehr als 40 Jahren beim FC Bayern als Klubarzt auf - diesmal wohl unwiderruflich. Und versöhnlich.

Von Benedikt Warmbrunn

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: