City und United spielen um die Meisterschaft:Masochistentreffen in Manchester

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Emotional aufgeladen und quälend für die Nerven: Manchester City und United spielen im entscheidenden Derby die englische Meisterschaft unter sich aus. Nach zwischenzeitlich komfortablem Vorsprung ließ United den Abstand zum Scheichklub bis auf drei Punkte schmelzen - sollte City gewinnen, stünde dem ersten Titelgewinn seit 1968 kaum etwas im Weg.

Raphael Honigstein, London

Unter der Woche hielt es sogar Manchester-United-Boss Alex Ferguson mit seinen Männern nicht mehr in der vor Derby-Fieber glühenden Stadt aus: Der verschlagene Trainer-Veteran entführte sein Team zu einem Golftrip nach Südwales. Etwas Abkühlung dürfte der spontane Ausflug tatsächlich verschafft haben.

Szene aus dem Hinspiel: Uniteds Wayne Rooney legt sich gegen die City-Defensive quer in die Luft.  (Foto: AFP)

Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt zuckelten die Spieler, in schlafsack-artige Daunenjacken verpackt, mit Golf-Buggies durch die Luxus-Anlage. Vor den Mikrofonen bemühte sich der Coach des Tabellenführers ebenfalls um Coolness, wenn auch weniger erfolgreich. Das Nachbarschaftsduell gegen Manchester City an diesem Montagabend (21 Uhr) sei "ein Match, für zertifizierte Masochisten", befand Ferguson, 70. Für den ehemaligen United-Verteidiger Gary Neville steht gar die "Vorherrschaft in Manchester, in der Premier League und im englischen Fußball" auf dem Spiel.

An der bedeutungsschwanger aufgeladenen Atmosphäre ist United zu einem großen Teil selbst schuld. Acht Punkte Vorsprung hatte der Meister vor drei Wochen auf die nach der Winterpause unkonstanten Diven von Roberto Mancini. Doch nach einem überflüssigen 0:1 gegen Abstiegskandidat Wigan und einem absurd kapriziösen 4:4 gegen Everton beträgt der Vorsprung nur noch drei Punkte.

Da City die bessere Tordifferenz aufweist, könnte der von Scheichs aus Abu Dhabi bezuschusste Klub United mit einem Heimsieg titelscheidend überholen. "Wenn City gewinnt, werden sie wahrscheinlich Meister", räumte Ferguson angesichts von nur noch zwei verbleibenden Partien nach dem "Derby aller Derbys" ein.

Neville, 37, sieht in dem gefühlten Meisterschaftsfinale Citys Chance, sich ein für alle mal von seinen historischen Minderwertigkeitskomplexen gegenüber der roten Supermacht zu befreien. Der erste Liga-Titel seit 1968 brächte "Selbstvertrauen und Glauben" in die Eastlands; im Umkehrschluss könne United den Aufstieg der Neureichen aber auch mit einem "psychologischen Treffer" Einhalt gewähren. Mancini denkt da kurzfristiger.

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Der FC Chelsea steht nach einem 2:2 im Rückspiel in Barcelona im Finale der Champions League. Spaniens Zeitungen sehen in Lionel Messi den gefallenen Helden und beweinen eine verkorkste Saison. Die britische Presse hingegen beschwört die "Unglaublichen" aus London.

Der Italiener hat sich in den vergangenen Wochen einen großen Spaß gemacht, die Tabelle gegen den Strich zu lesen. Als City acht Punkte Rückstand hatte, behauptete der 47-Jährige, das Titelrennen sei "noch nicht vorbei". Man habe "keine Chance", insistierte er dagegen, als die Distanz nur noch fünf Zähler betrug. Vor dem Showdown sieht er United selbst im Falle einer Niederlage noch immer als "Favorit auf die Meisterschaft".

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Seine 28 Spieltage lang die Tabelle anführende Mannschaft fühlte sich zuletzt sehr wohl in der Rolle der vermeintlich aussichtslosen Verfolger, auch die dreiwöchige Sperre für den infantilen Quertreiber Mario Balotelli hat sich eher positiv ausgewirkt: Das argentinische Sturmduo Sergio Agüero und Carlos Tévez erzielte in den drei überzeugenden Siegen (4:0 gegen West Brom, 6:1 in Norwich, 2:0 in Wolverhampton) neun Tore.

Besonders die starken Auftritte von Tévez, der 2009 vom Old Trafford zu den Lokalrivalen wechselte, dürften Ferguson Kopfzerbrechen bereiten. Der 28-Jährige war nach seinem unerlaubten, sechsmonatigen Heimaturlaub Mitte März wieder aufgenommen worden, obwohl Mancini im September erklärt hatte, den Stürmer nach der Arbeitsverweigerung im Europacup-Spiel in München "nie mehr" einzusetzen.

Ferguson legte Mancinis Meinungsumschwung naturgemäß als "Zeichen der Schwäche" aus, musste aber sehen, dass der um Wiedergutmachung bemühte Tévez äußerst belebend wirkt. Mancini, die Kollegen und sogar die Fans haben ihm die Eskapade verziehen; man jubelte ihm zu, als er seinen Hattrick gegen Norwich mit einem angedeuteten Golf-Schlag feierte, der ironisch auf seine Hauptbeschäftigung im vergangenen halben Jahr anspielte.

Es gilt nun nicht mehr länger als ausgeschlossen, dass "Carlito" seine 15,6 Millionen Euro Jahresgehalt auch noch im nächsten Jahr bezieht, echte Interessenten ließen sich im Winter ja nicht finden. Sportsfreund Balotelli, 22, ist womöglich auf ähnliche Art unverkäuflich, was Mancini zur Flexibilität im Umgang mit dem unerziehbaren Angreifer zwingt. Nach dem Ende seiner Sperre könnte der Italiener gegen United wieder zum Einsatz kommen, kündigte sein Trainer überraschend an.

© SZ vom 30.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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