Dieser Tage feierte der argentinische Rocker Charly García seinen 72. Geburtstag, und das darf im Kontext eines Fußballspiels aus mehreren Gründen erwähnt werden. Weil Charly, wie er in Argentinien genannt wird, einer der besten Kumpel von Diego Maradona war, am Dienstag der 1. FC Union auf Maradonas Ex-Klub SSC Neapel traf, und natürlich auch, weil Charly halt Charly ist. Und er Unioner sein könnte.
Aus Anlass seines Ehrentags kursierte ein altes TV-Interview, in dem er eine Gleichnis erzählte. Sie handelte von dem Typen, der den Guru fragte, wo der Weg zum Erfolg sei. "Da entlang", sagte der Guru. Doch kaum, dass der Fragende ein paar Schritte in die angezeigte Richtung gegangen war, wurde er von Wegelagerern verprügelt. Er ging zurück zum Guru, um sich zu vergewissern, dass er den richtigen Weg eingeschlagen hatte, bekam die gleiche Antwort und erlitt danach neuerlich das gleiche Schicksal: Prügel. Er ging ein drittes Mal zum Guru und wollte ihn beschimpfen. Doch der Guru präzisierte seine Antwort: Der Erfolg liege genau da, wo er hingezeigt hatte. Hinter dem Ort, wo man Prügel bezieht. Womit wir wieder beim 1. FC Union wären. Denn der hat in den vergangenen Wochen auch nur Prügel bezogen - acht Niederlagen in Serie - und immer wieder neue Anläufe zum Erfolg genommen. Am Dienstag, im Berliner Olympiastadion, setzte es einen weiteren Schlag. Die SSC Neapel siegte durch einen Treffer von Giacomo Raspadori mit 1:0.
Warum Charly Garcia Unioner sein könnte? Weil seine Fabel sich auch knapper formulieren ließe, und die Anhänger Unions genau das taten: "Eisern ist ... sich immer wieder aufzurappeln", stand auf einem Transparent geschrieben. Sie taten es: Denn Union war alles andere als ein zutiefst deprimierter Bundesligist. Sondern erinnerte an die Mannschaft, die im vergangenen Jahr für Aufsehen gesorgt hatte.
Trainer Urs Fischer wählte gegen die Neapolitaner für die Offensive eine Art Motorino-Taktik: Er bot kleine, wendige, schnelle Zweitakter wie Brenden Aaronson, David Fofana, Janik Haberer und Sheraldo Becker auf, um durch die engen neapolitanischen Gassen zu kurven. Dafür beließ er die weit schwereren Brummer Kevin Behrens und Kevin Volland zunächst auf der Bank. Und siehe: Es ging lange auf. Das lag nicht nur an den Fähigkeiten der Offensivkräfte. Sondern auch daran, dass die Defensive so solide stand wie lange nicht mehr. Und der überragende Rani Khedira die Reihen beieinander hielt, wie Fischer es am Vortag gewünscht hatte.
Kvaratskhelia zeigt seine Klasse
Man musste damit nicht unbedingt rechnen, als Rechtsverteidiger Christopher Trimmel bei der ersten Begegnung mit Khvicha Kvaratskhelia, genannt "Kvaradona", eine gelbe Karte bekam - nach gerade einmal zehn Minuten. Aber als die erste Halbzeit vorbei war, hatte das kriselnde Union weit bessere Chancen aufzuweisen als die Neapolitaner. Vor allem zwei Aktionen von Fofana waren spektakulär. In der 24. Minute dribbelte er sich auf der rechten Seite durch und passte von der Grundlinie auf Haberer, doch dessen Tor wurde annulliert, weil Fofana im Abseits gestanden hatte. In der 37. Minute hätte Fofana fast einen Konter gekrönt. Doch seinen scharfen Schuss an den kurzen Pfosten wusste Torwart Alex Meret mit einem bemerkenswerten Reflex zur Ecke zu lenken.
Nach der Pause verlor die Partie an Reinlichkeit - vor allem, weil der bosnische Schiedsrichter Irfan Peljto sich in den falschen Situationen ins Spiel brachte und dadurch die Nervosität der Akteure förderte. Es mangelte beiden Teams an klaren Aktionen, wobei sich eine Tendenz der ersten Halbzeit hielt: Die Unioner hatten eine höhere Zahl an Abschlüssen, obschon die Italiener einen höheren Ballbesitz aufwiesen und auch besser kombinierten als vor der Pause. Dann aber machte Kvaratskhelia ein paar Mal auf sich aufmerksam - unter anderem, als er im Strafraum durch zwei Verteidiger hindurchschlüpfte und den Ball nur deshalb nicht aufs Tor bekam, weil Robin Knoche den Fuß dazwischen brachte (50.). Fünfzehn Minuten später hatte der Georgier einen weiteren spektakulären Auftritt - und leitete Neapels Tor ein.
Fofana verweigert Fischer den Handschlag
Nachdem weder Fofana, Danilho Doekhi noch Diogo Leite imstande waren, den Ball zu klären, landete er wieder bei auf der linken Seite bei Kvaratskhelia. Er umkurvte Trimmel im Strafraum, spielte den Ball mit dem Außenrist auf Giacomo Raspadori - und der schoss aus halblinker Position zur 1:0-Führung für Neapel ein.
Fischer reagierte - und brachte Aissa Laidouni, Kevin Behrens und Alex Kral für Aaronson, Fofana und Khedira, später kamen noch Kevin Volland und Lucas Tousart für Haberer und Doekhi. Fofana nahm das alles andere als gut auf. Er verweigerte seinem Boss Fischer den Handschlag. Auf dem Rasen gab es noch eine Chance für Innenverteidiger Knoche, der nach einer guten Flanke von Trimmel einen Kopfball nur knapp neben den linken Pfosten setzte (80.). Doch das konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich Neapel behaglich fühlte - und Union durch das Tor im zentralen Nervensystem getroffen war. Die Köpenicker sind nach drei Spieltagen der Gruppe C punktlos Tabellenletzter und haben nur noch theoretische Chancen auf einen der beiden vorderen Plätze. Doch das eigentliche Problem bleibt, dass die Negativserie länger und länger wird.