Trainer in der Champions League:Ein Trend, der bleiben dürfte

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Trafen sich schon einmal im Champions-League-Finale 2020: Thomas Tuchel (links), damals noch Trainer in Paris, und Bayern-Coach Hansi Flick. (Foto: Getty Images/Getty Images)

Vier deutsche Trainer unter den letzten Acht in der Champions League: Das gab es noch nie. Ist das Zufall? Eher nicht.

Kommentar von Christof Kneer

Manchmal ist Thomas Tuchel vom Training in Paris nach Hause gefahren und hat sich diese Frage gestellt: Was ist, wenn Neymar Recht hat? Was ist, wenn es stimmt, dass für die Superstars eigene Regeln gelten? Wenn einer wie Neymar auch mal vorne stehen bleiben darf und nicht mitschaffen und mitpressen muss, damit er Luft schnappen kann für den letzten, vielleicht entscheidenden Hieb?

Wahrscheinlich kennt niemand die Antwort auf diese Frage, außer natürlich Neymar, aber der muss als befangen gelten. Aber allein die Tatsache, dass Tuchel sich so eine Frage stellt, weist mitten hinein ins konkrete Wettbewerbsgeschehen des europäischen Fußballs. Mindestens mit Erstaunen, vielleicht sogar mit Entsetzen schaut der Kontinent gerade auf diesen Europarekord - vier Trainer aus demselben Land im Viertelfinale der hochherrschaftlichen Champions League, das gab's noch nie.

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Von Sebastian Fischer

Hansi Flick (FC Bayern), Thomas Tuchel (inzwischen FC Chelsea), Jürgen Klopp (FC Liverpool) und Edin Terzic (Borussia Dortmund) entstammen alle dem Land des aktuellen Champions-League-Siegers. Und es wäre ein schwerer Coachingfehler, das für Zufall zu halten.

Der oberste Trainerjob des Landes wird bald frei. Seine Besetzung dürfte ein sich rasant drehendes Karussell in Gang setzen

Der Fußball kann ein lustiger Geselle sein, manchmal hat er Lust auf eine schräge Volte, und er freut sich dann, wenn alle drauf rein fallen. Ein Trend!, ein Trend!, rufen die Experten, wenn es an zwei Spieltagen mal nur Unentschieden gibt und die Tore alle nach Kontern fallen. Diese Art von Trend hält meist so lange, bis es zwei Wochen später nur noch Heimsiege gibt, bei denen die Tore fast alle durch dominantes Spiel zustande kommen. An den deutschen Trainertrend aber sollte sich Europas Fußball lieber gewöhnen, denn es ist erst ein gutes halbes Jahr her, als ein fast identisches Phänomen diskutiert wurde. Beim Champions-League-Turnier in Lissabon traf man auf den Bänken der besten vier Teams drei deutsche Trainer: Flick, Tuchel (damals Paris) und den Leipziger Julian Nagelsmann.

Der Erfolg der deutschen Coaches fällt genau in jene Zeit, in der der oberste Trainerjob im Land bald frei wird, der des Bundestrainers, und sollte dieser Job durch den obersten Vereinstrainer im Land besetzt werden (Flick), käme hierzulande ein Trainerkarussell in Gang, das nichts mehr gemein hätte mit diesem historischen Gefährt, das jahrelang übers Land zuckelte und überall Ewald Lienen und Friedhelm Funkel ab- und wieder aufspringen ließ.

Im deutschen Fußball hat sich eine neue Art von hochkarätigen Trainern entwickelt, die in den Nischen und/oder im Nachwuchsbereich als nerdige Idealisten begannen, im Laufe der Jahre dann zu knackigen Pragmatikern wurden, sich den Geist für Innovation aber dennoch bewahrt haben. Tuchel würde Neymar auch heute nicht erlauben, vorne stehen zu bleiben - aber er würde ihm viel mehr Freiheiten geben als ein Trainer von Mainz 05, der er, wie Jürgen Klopp, auch einmal war.

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