Borussia Dortmund:Brillant, aber nur in mancher Hinsicht

Lesezeit: 3 min

Edin Terzic wollte in Sevilla demonstrativ nur über die positiven Aspekte des Dortmunder Spiels reden. (Foto: David Ramos/Getty Images)

Das 4:1 in Sevilla bringt den BVB dem Achtelfinale der Champions League nah. Die Beteiligten bemühen sich, Kraft aus Andalusien mitzunehmen - doch trotz des klaren Ergebnisses muss am Samstag gegen die Bayern vieles besser werden.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Die Methoden passen sich offenbar den Anlässen an, und so absolvierten die Dortmunder Spieler am Donnerstagvormittag - noch vor dem Rückflug in die Heimat - eine Auswärtstrainingseinheit im warmen Andalusien. "Die zu Hause Gebliebenen trainieren in Dortmund", gab BVB-Trainer Edin Terzic zudem bekannt. Am Mittwochabend hatte er bereits geschickt in alle Interviews nach dem Spiel einfließen lassen, dass seine Mannschaft das 4:1 (3:0) beim FC Sevilla ohne neun kranke oder angeschlagene Spieler erreicht hatte. Das ist durchaus pikant, denn am kommenden Samstagabend geht es gegen den FC Bayern. Da lohnt es sich vorzubauen - und allzu hohe Erwartungen gleich wieder einzufangen.

Ob der nach Zahlen klare Champions-League-Sieg, nach einer besonders klaren 3:0-Halbzeitführung, tatsächlich als Quell neuen Selbstbewusstseins taugt, darüber war Terzic sich hinterher selbst nicht im Klaren. Sevilla strauchelt gerade in der spanischen Liga als Viertletzter der Tabelle, Trainer Julen Lopetegui wurde schon vor dem Spiel inoffiziell und nach dem Spiel dann auch offiziell entlassen. Vor allem in der Defensive, sonst die Stärke der Spanier, war das rätselhafte Schwächeln der Mannschaft auch gegen Dortmund zu besichtigen. Obwohl alle vier BVB-Treffer durch Raphael Guerreiro, Jude Bellingham, Karim Adeyemi und Julian Brandt wunderschön anzusehen waren: So leicht, wie Sevilla es den Dortmundern machte, ist es in der Bundesliga selten.

Borussia Dortmund
:"Sichtbar, woran es seit Jahren hapert"

Borussia Dortmund verliert in Köln und scheint auch in dieser Saison mit der Rolle als Bayern-Jäger nicht klarzukommen. Die Generalabrechnung von Trainer Edin Terzic folgt prompt.

Von Milan Pavlovic

Zugleich musste BVB-Torwart Alexander Meyer mit einer Reihe von Paraden Schnitzer seiner Vorderleute ausgleichen, sonst wäre das Ergebnis leicht ganz anders ausgefallen. Dortmunds aus der Nähe von Birmingham stammender Kapitän Bellingham wollte auch wohl deshalb eine "brillante Leistung" seiner Verteidigerkollegen gesehen haben, weil das Wörtchen "brillant" im Englischen nicht ganz den Überschwang braucht, den es im Deutschen benötigt, um es zu verwenden.

Bellingham ist wieder bester Dortmunder in Sevilla

Der 19-jährige Bellingham, Spielführer in Abwesenheit der fehlenden Routiniers Marco Reus und Mats Hummels, ist für seine guten Manieren bekannt, und nach dem 4:1 erschien es ihm sinnvoll, einander Selbstvertrauen zuzusprechen. Dass der Engländer schon wieder bester Spieler des Spiels war und zum "Man of the Match" gekürt wurde, ist allmählich fast überflüssig zu erwähnen.

Trainer Edin Terzic hatte wohl auch angesichts der 2:3-Niederlage am vergangenen Bundesliga-Samstag in Köln ähnliche Vorsätze wie Bellingham. Allzu viel wollte er nicht nach der Mängelliste dieses Abends in Sevilla gefragt werden. "Wir haben in ganz vielen Phasen ein gutes Spiel gezeigt, wir haben vier Tore geschossen, das ist nicht selbstverständlich", sagte er stattdessen.

So kurz vor einem Spiel, das nach zehn Münchner Meisterjahren nur noch bedingt als "Gipfeltreffen" zu verkaufen ist, mochte der Coach in der Öffentlichkeit nicht über eigene Schwächen reden. Auch nicht darüber, dass die wankenden Spanier 20 Mal aufs BVB-Tor schießen durften - sogar einmal mehr als die Borussen auf das von Sevilla.

Julian Brandt spielte diesmal stark und er erzielte sogar ein Kopfballtor. (Foto: David Ramos/Getty Images)

"Selbstvertrauen holt man sich über Leistungen", betonte Julian Brandt, der neben Bellingham bester Dortmunder war. Man nehme viel Gutes aus Andalusien mit, sagte der Kopfballtorschütze zum 4:1. Den Beobachtern des FC Bayern dürfte allerdings auch nicht entgangen sein, dass sich ausgerechnet die oft gelobten neuen BVB-Defensivkräfte Niklas Süle, Salih Özcan und Nico Schlotterbeck mehrere erstaunliche Fehler leisteten, so auch beim Gegentor durch Youssef El-Nesyri.

Und vorne? Dort hatte Terzic für den zuletzt dauerhaft formschwachen Anthony Modeste den 17-jährigen Youssoufa Moukoko in die Startelf genommen. Moukoko gelang zwar kein eigenes Tor, aber er mischte im typischen Dortmunder Kombinationsspiel mit, er rannte viel und sicherte Bälle auf geschickte Weise. Zum 4:1 chippte Moukoko den Ball kunstvoll in den Strafraum zu Brandt. Dass der U21-Stürmer ein vielseitigerer Typ ist als Routinier Modeste, war allerdings schon vorher bekannt. Am Mittwoch sammelte Moukoko Punkte bei seinem Trainer: "Er hat viel für die Mannschaft gearbeitet", bilanzierte Terzic.

Dortmund hat mit dem Sieg in Sevilla einen Schritt zum Erreichen des finanziell wichtigen Achtelfinales gemacht. Gruppengegner Manchester City, im Hinspiel knapper Sieger gegen den BVB, dürfte nicht einzuholen sein. Aber Sevilla könnte das Rennen um Platz zwei in der Gruppe an diesem Mittwoch gleich mit verloren haben - kommenden Dienstag kommt es bereits zur Zweitauflage in Dortmund. Mit einem erneuten Erfolg gegen Sevilla wäre der BVB bereits durch und könnte die letzten beiden Gruppenspiele mit etwas weniger Kraftaufwand absolvieren.

Gegen die Bayern darf Terzic auf die Rückkehr von Reus, Hummels und Marius Wolf hoffen, zudem nähert sich Torwart Kobel wieder voller Fitness. "Wir haben jedenfalls total Bock auf Bayern", bekannte Brandt. Aber die Vorzeichen sind nicht besonders gut - auch nicht nach diesem 4:1. Konzentriert Spiele durchzuziehen, so weit ist Dortmund nach dem personellen Umbau und dem Trainerwechsel im Sommer offenbar noch nicht.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Borussia Dortmund in Sevilla
:Vier Tore gegen die Debatten

Der BVB beeindruckt beim 4:1 gegen den FC Sevilla mit Wucht und Willensstärke - und hat nun die Chance, einen großen Schritt Richtung Achtelfinale der Champions League zu machen.

Von Ulrich Hartmann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: