BVB in der Bundesliga:Halbe Wahrheiten bei den Geschlagenen

Borussia Moenchengladbach v Borussia Dortmund - Bundesliga

Christian Pulisic und seine Dortmunder mussten die Bayern vorbei ziehen lassen. Das saß am Ende tief.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Der BVB muss die verpasste Meisterschaft verarbeiten, der Schmerz über den Verlauf der Saison ist groß.
  • Dortmund hatte die große Chance, den Bayern einen Titel streitig zu machen, aber als es drauf ankam, zeigte das Team eindeutige Schwächen.

Von Felix Meininghaus

Hans-Joachim Watzke wusste genau, was sich gemäß der Etikette gehört, als er eine halbe Stunde nach dem finalen Pfiff dieser Saison in den Katakomben des Borussiaparks in Mönchengladbach vor die wartenden Journalisten trat. Er werde Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß zeitnah telefonisch kontaktieren, um ihnen persönlich zum Gewinn der Deutschen Meisterschaft zu gratulieren. Überhaupt gäbe es an diesem Nachmittag keinen Grund, am Schicksal zu verzweifeln, "die Mannschaft ist wie ein Champion aufgetreten". Der Blick ins Gesicht des Geschäftsführers von Borussia Dortmund verriet, dass dies - wenn überhaupt - nur die halbe Wahrheit war.

Die Miene des BVB-Bosses verriet: Seinem Verein ist eine mächtige Möglichkeit aus den Händen geglitten. Nicht in diesen letzten 90 Minuten, sondern in der soeben abgelaufenen Spielzeit. Das wird Watzke und seine Mitstreiter noch ein bisschen beschäftigen. Im Gegensatz zu den Ereignissen am letzten Spieltag, die nicht viel von dem in sich trugen, was einen echten Showdown ausmacht.

Die Hoffnung, die Bayern auf der Zielgeraden dieser Saison abzufangen und die neunte Meisterschaft der Vereinsgeschichte doch noch zu holen, sie zerschlug sich binnen Minuten. Die Dortmunder gewannen am Niederrhein zwar mit 2:0 (1:0) und erfüllten damit ihren Part, doch so etwas wie Spannung und Nervenkitzel kam trotzdem nicht auf, weil der Rekordmeister weit davon entfernt war, zu straucheln.

Es waren kaum mehr als 100 Sekunden, in denen sich das Wunder zumindest kurz am Horizont blicken ließ. Der BVB führte zu Beginn der zweiten Hälfte und die Eintracht hatte in München den Ausgleich erzielt. Zu diesem Zeitpunkt fehlte also nur ein Tor zum großen Glück. Es fiel, aber aus Dortmunder Sicht fiel es auf der falschen Seite. David Alaba schob zum 2:1 für die Bayern ein, danach nahmen die Dinge ihren Lauf.

Von den Sitzen gerissen hat diese Dramaturgie niemanden, Herzschlagfinale geht irgendwie anders. De facto hatte der BVB in Gladbach nicht eine Sekunde die Hand an der Schale, und - wenn man die Dinge vor Ort beobachte - hatte beim Revierklub auch niemand ernsthaft damit gerechnet, die Dinge zu einem triumphalen Ende zu bringen. "Wir hätten es gerne erzwungen", gab Manndecker Julian Weigl zu Protokoll, "doch es lag nicht in unserer Hand." Im Dortmunder Lager ließen sie den vorhersehbaren Showdown, der so gar nichts von Hitchcock und Thriller in sich trug, mit großer Gelassenheit und Ergebenheit über sich ergehen. Warum verzweifelt sein über eine Fügung des Schicksals, die dermaßen vorhersehbar ist?

"Mit 76 Punkten musst du dich nicht verstecken"

Stattdessen entschloss sich der Vizemeister, Haltung zu bewahren und demonstrativ gelassen in die Sommerpause zu gehen. Watzke betonte, "mit 76 Punkten musst du dich wahrlich nicht verstecken". Stimmt, das drittbeste Ergebnis der Vereinsgeschichte ist ja ein ehrenwertes Resultat. Einerseits. Andererseits war es wohl selten so einfach wie in dieser Spielzeit, die Bayern nicht nur zu piesacken, sondern entscheidend abzuhängen.

Die Meisterschale ist den Dortmundern auf dem Silbertablett serviert worden, doch als es darum ging, zuzugreifen, klappte nichts mehr. "Es war deutlich mehr drin, als der zweite Platz", sagte etwa Marco Reus, der weiterhin auf die erste Meisterschaft seiner Karriere wartet. Dortmunds Kapitän mahnte kritisch an, es habe "in Spielen wie gegen Schalke oder in Bremen die Gier gefehlt". Sein Chef Watzke ergänzte: "Mit einem Sieg mehr wären wir Meister gewesen."

Was dieser jungen Mannschaft fehlt, zeigten die ersten 45 Minuten in Gladbach, als sich die Beobachter verwundert die Augen rieben, warum ein Team, das vieles gewinnen konnte, so seltsam verzagt auftritt, anstatt die letzte Chance zu ergreifen. Jene Tugend, die man als wilde Entschlossenheit beschreiben kann, sich gegen alle Widerstände durchzusetzen, sie fehlte Favres Dortmundern in der Crunchtime der Meisterschaft.

Torhüter Roman Bürki fasste es so zusammen: "Ich glaube, wir haben Punkte liegen gelassen, mit denen wir eigentlich schon fest gerechnet hatten. Das war so ein bisschen das Problem." Der Schweizer meint Spiele wie gegen Absteiger Nürnberg, Kellerkind Augsburg und Aufsteiger Düsseldorf: "Bei allem Respekt, aber das sind Teams, die du auswärts schlagen musst."

"Wir waren diese Saison nicht weit genug", hat auch Trainer Favre erkannt: "Es hat etwas gefehlt." Welche Tugenden das konkret sind, konnte Reus ziemlich exakt benennen: "In den entscheidenden Momenten war Bayern einen Tick besser. Weil sie die Erfahrung haben und eine andere Mentalität auf den Platz bringen." In Dortmund wissen sie also, woran es zu arbeiten gilt. Watzke ist gewillt, genau das zu tun, um mit dem Souverän aus München weiter auf Augenhöhe agieren zu können. "Wir werden versuchen, in den nächsten Jahren dranzubleiben." Angesichts der bereits angelaufenen bayerischen Transferoffensive weiß der Geschäftsmann ziemlich genau, dass dieses Vorhaben "sehr ambitioniert ist".

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