Meisterschaft des FC Bayern:Ende gut, nicht alles gut

Der FC Bayern ist Deutscher Meister, aber im Verein steht gerade sehr viel zur Debatte. Dass es trotzdem zum Titel reichte, ist eine beunruhigende Botschaft an die Konkurrenz.

Kommentar von Claudio Catuogno

Ottmar Hitzfeld hatte sein Team nach dem 3:0-Erfolg in Bielefeld auf zwei Positionen verändert: Für den gelbgesperrten Elber rückte Jancker ins Angriffszentrum, für Santa Cruz kehrte Scholl zurück in die Startformation. Zum 1:0 traf Jancker nach Vorarbeit von Babbel, zum 2:0 traf Jancker nach Vorarbeit von Paulo Sergio. Und zum 3:0 traf Paulo Sergio nach einer Bremer Schläfrigkeit, derentwegen, wie das Fachmagazin Kicker später notierte, "die Bayern ihr feines Kombinationsspiel nach Belieben inszenieren konnten": Scholl, Salihamidzic, Scholl, Hacke Sergio, 3:0. Da schrieb man erst die 16. Minute. Dem SV Werder gelang später durch Bode nur noch der Anschlusstreffer.

Großer Kampf also, denkwürdiges Spiel - Meister wurden die Bayern aber nur deshalb, weil drüben in Unterhaching Michael Ballack in Diensten von Bayer Leverkusen das vielleicht berühmteste Eigentor der Ligageschichte schoss. Ja, so war das damals, am 20. Mai 2000, als der FC Bayern, dieser Immer-sowieso-und-überhaupt-Rekordchampion, zum bislang letzten Mal in einem Heimspiel die Meisterschaft klarmachte. Am 34. Spieltag. Im Münchner Olympiastadion.

Insofern war das an diesem Samstag eine schöne Sache: Wie das, was den Fußball immer schon ausmacht (Spannung! Leidenschaft! Emotionen!), und das, was ihn neuerdings ausmacht (Videobeweis!), tatsächlich an einem 34. Spieltag in einem bis zuletzt spannenden Titelkampf kulminierte: 1:0 in München, 2:0 in München, überprüft vom Videoschiedsrichter, Abseits, doch kein Tor, 1:0 für Dortmund in Gladbach, überprüft vom Videoschiedsrichter, Ball ein bis zwei Millimeter nicht im Toraus, Treffer zählt. Dann der Ausgleich in München für Eintracht Frankfurt... Würden die Bayern den Titel etwa noch aus der Hand geben? Würde Uli Hoeneß später über den "Witz des Jahrhunderts" schimpfen? Würde der Trainer Niko Kovac noch vor dem Pokalfinale durch Jupp Heynckes ersetzt?

Die Bayern haben die Ansprüche selbst so hochgeschraubt

Am Ende hat es dann doch wieder die gewohnten Bilder gegeben: Weißbierduschen und rot-silberne Konfettischnipsel, alte Bayern-Helden im Trachtenjanker, die Spalier stehen für die neue Generation, für die siebte Meisterschaft in Serie, die 29. insgesamt. "We Are The Champions", "FC Bayern, Stern des Südens", und das alles noch mit einer ordentlichen Portion Kitsch angerührt, weil Franck Ribéry und Arjen Robben zum Abschied beide noch mal ein Tor schießen durften. Und weil die Fans den Trainer Kovac mit Sprechchören feierten, was dieser dankbar aufsog. Wer sonst in diesem oft seltsamen Bayern-Kosmos hatte zuletzt etwas so unverstellt und von Herzen kommend Nettes über ihn gesagt?

Also: Ende gut, alles gut?

Nun, so einfach ist es eben nicht. Die 78 Punkte, die die Münchner in dieser Saison gesammelt haben, mögen zwar ein Wert sein, mit dem man sich in den Jahren 2008 (76) oder 2010 (70) noch ungestört zum Titel wurschteln durfte. Aber das Paradoxe an den Bayern des Jahres 2019 ist eben: In ihrer jüngsten Ära der Dominanz, in der sie unter Jupp Heynckes (2013/91 Punkte), Pep Guardiola (2014/90, 2015/79, 2016/88), Carlo Ancelotti (2017/82) und noch mal Heynckes (2018/84) ihre unheimliche Titelserie erschufen, haben sie die Ansprüche selbst so hochgeschraubt, dass nun jeder Spannungsabfall in Freiburg, Düsseldorf oder Nürnberg gegen das Vereinsgrundgesetz verstößt. Verlieren verboten - ist nicht "Bayern-like".

Das 5:1 am Samstagnachmittag gegen Eintracht Frankfurt gab keinen Anlass, am Grundsätzlichen zu zweifeln. Da zog der FC Bayern seinen griffigen, konzentrierten Favoritenfußball durch. Und dazu passte das Saisonfazit von Präsident Uli Hoeneß, wonach einem um den FC Bayern "nicht bange" sein müsse, wenn er selbst in einem erklärten "Jahr des Umbruchs deutscher Meister" werde.

In der jüngeren Vergangenheit war nur der Jürgen-Klopp-BVB ein echter Konkurrent

Das frühe Aus in der Champions League, dazu die Risse, die sich zwischen manchen Spielern und dem Trainer auftaten, wenn man in taktischen Dingen mal wieder anderer Meinung war: Das hingegen war der Nährboden für eine scheinbar endlose Diskussion um Kovacs Zukunft, die dem Trainer sichtlich zugesetzt hat. Dazu kam das irritierend uneinheitliche Erscheinungsbild, das die Bosse Hoeneß und Rummenigge fast durchgehend abgaben. Beim FC Bayern, das blieb in dieser Saison nicht verborgen, steht gerade sehr viel mehr zur Debatte als bloß der Trainer.

Und trotzdem ist der FC Bayern wieder Meister. Das ist die wirklich beunruhigende Botschaft an die Konkurrenz.

Auf die Frage, was eigentlich passieren muss, damit die Bayern zwischendurch mal nicht den Titel holen, gab es eine Zeitlang genau zwei Antworten. Erstens: Sie selber müssen schwächeln. Und zweitens: Es muss sich zum richtigen Moment einer der Konkurrenten zu großer Form aufschwingen. Geschwächelt haben sie oft nach großen Turnieren, wenn ihre Nationalspieler mit schweren Beinen in den Herbst gingen: 2006/07 brachte das den VfB Stuttgart auf den Thron, 2008/09 den VfL Wolfsburg und 2010/11 Borussia Dortmund. Wobei es nur dem damaligen Jürgen-Klopp-BVB gelang, sich länger als ein Jahr an der Spitze zu halten.

In der Spielzeit 2018/19, nach dem Vorrunden-Aus der Nationalelf in Russland, sah es lange so aus, als könne die Serie der Bayern reißen. Neun Punkte Vorsprung hatten die Dortmunder zwischendurch. Dass sie sich trotzdem wieder einholen ließen, dass man schließlich in einem Kopf-an-Kopf-Rennen dem Finale entgegen zog, das mag manchem Fan wie eine Verheißung vorgekommen sein: Endlich! Die Bundesliga ist wieder spannend!

Dabei lautet die Botschaft eher so: Nicht einmal in einem Schwächejahr, das intern viele Gewissheiten zum Wanken bringt, lassen sich die Bayern die Schale noch entreißen. Man ahnt, was als nächstes kommt: die Titel acht, neun, zehn, elf ...

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