BVB:Der Grollpegel von Thomas Tuchel steigt

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Ärgert sich über die Gangart des Gegners und über die Entscheidungen der Schiedsrichter: Thomas Tuchel (Foto: Getty Images)

Dortmunds Trainer kann sich herrlich aufregen. Wenn es nicht so läuft, wie er denkt, muss es eben raus. Ist das nun echt oder unprofessionell?

Von Thomas Hummel

Wer es gut meint mit Thomas Tuchel, der beschreibt ihn wohl als offenherzig. Als jemanden, der Missstände klar anspricht. Auch öffentlich, wenn es sein muss. Wer es nicht gut meint mit Thomas Tuchel, der schüttelt den Kopf und erklärt, er verstehe das nicht. Wieso nur regt er sich so auf? Das lenkt doch nur ab. Braucht er vielleicht ein Alibi, weil seine Mannschaft derzeit nur auf Platz fünf der Bundesliga liegt? Zehn Punkte hinter einem Aufsteiger?

Der Trainer von Borussia Dortmund hat sich in jedem Fall mit seinen 43 Jahren schon einen Ruf erarbeitet. Nicht nur bei taktischen Fragen, auch bei öffentlichen Auftritten findet er Eingang in eine exklusive Gilde von Fußballlehrern, die herausstechen aus der Masse. José Mourinho zum Beispiel ist der Verschwörungstheoretiker. Pep Guardiola findet alles immer super-super oder top-top-top, von eigenen Spielern bis zu Gegnern aus der zweiten Liga. Jürgen Klopp kommentiert gestellte Fragen erst einmal süffisant, bevor er sie beantwortet. Carlo Ancelotti bringt den Deutschen gerade englische Fußballfloskeln bei ("we played well and we are satisfied") - und Tuchel? Kann bisweilen seine Emotionen nicht einfangen.

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An diesem Montag traf ein Fragesteller den wunden Punkt in Tuchels Trainerseele. Gegner wie Frankfurt oder Hoffenheim seien gegen den BVB wie andere Mannschaften zuvor relativ ruppig eingestiegen, ob er das auch am Dienstagabend gegen den FC Augsburg so erwarte? Der Trainer begann seine Antwort langsam, aber innerlich stieg der Grollpegel unaufhaltsam. "Das scheint Standard zu sein gegen uns, man kann die Statistiken durchlesen. Wir müssen damit rechnen und uns anpassen." Aber bald schon ging es richtig los. Tuchel führte aus, die Branche rede dann immer davon, dass das eben ein Männersport sei mit gesunder Härte: "Aber das ist halt nicht der Fall. Das ist keine gesunde Härte, wenn du Foul spielst. Das ist eine Regelübertretung. Das hat mit gesunder Härte und Männersport leider nichts zu tun."

Tragischer Beigeschmack

Ach ja, und wenn er schon dabei war, konnte er gleich noch was sagen zur gelb-roten Karte für Marco Reus in Hoffenheim und die daraus sich ergebenden Sperre für die kommende Partie.

Das habe beinahe schon einen tragischen Beigeschmack. Obwohl im TV zu sehen war, dass Reus unberechtigt vom Platz geflogen sei, müsse er gegen Augsburg auf ihn verzichten. "Dafür habe ich kein Verständnis. Das fühlt sich für uns ein bisschen an, als würdest du beim Ladendiebstahl erwischt und in der Kamera stellt sich heraus, du hast gar nichts geklaut und gehst trotzdem eine Woche in den Bau."

Damit hat er natürlich grundsätzlich Recht. Im wahren Leben außerhalb des Fußballplatzes wäre das eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, die mindestens fünf Talk-Sendungen im Öffentlichen-Rechtlichen füllen würde. Doch auf dem Fußballplatz zählt das nicht, weil da zählt nur die sogenannte Tatsachenentscheidung des Schiedsrichters. Und der befand eben auf Foul Reus.

Nun ist der Fußball dabei, das eventuell demnächst ändern zu wollen und einen Videobeweis einzuführen. Bis es aber soweit ist, gerät einer wie Thomas Tuchel mit so einem Lamenti vor allem bei Ex-Spielern oder TV-Gurus in einen verschärften Jammerlappen-Verdacht. Er halte sich mit Nebensächlichkeiten auf, statt seine Mannschaft ordentlich auf das nächste Spiel vorzubereiten. Als er am Montag darauf angesprochen wurde, konnte Tuchel kaum mehr an sich halten.

"Wenn ich was dazu sage alle paar Wochen, machen sie die Schlagzeilen, treiben die Sau durchs Dorf, obwohl ich nur irgendeine Statistik vorlese. Und wenn man dazu antwortet und ehrlich ist, dann kommt am Ende der Saison die Retourkutsche und die Frage: Beschäftigen Sie sich nicht zu viel damit."

Aus der Sicht Tuchels - und das ist in diesem Fall für Tuchel die einzig akzeptable - stellt sich der Sachverhalt so dar, dass seine hoch talentierte Mannschaft von den Gegnern mit unlauteren Mitteln gestoppt wird und der Schiedsrichter am Ende noch den schmalbrüstigen Marco Reus vom Platz stellt, obwohl der gar nichts verbrochen hatte.

In Dortmund kennen sie ihren Tuchel

Eine solche Pressekonferenz ist natürlich ein Geschenk für den Unterhaltungsbetrieb Bundesliga. Die einen freuen sich, dass hier endlich mal jemand echt ist und sich echt aufregt. Andere rümpfen die Nase und kritisieren Tuchel als unprofessionell. Das gleiche passierte, als er nach der Niederlage in Frankfurt seine Mannschaft sehr kühl "ein einziges Defizit" nannte. Oder als er nach dem verlorenen Pokalendspiel den verletzt ausgeschiedenen Mats Hummels an den Pranger stellte. Oder als er kürzlich im Training Mario Götze anpflaumte, er trainiere auf dem Niveau einer C-Jugend.

In Dortmund kennen sie inzwischen ihren Tuchel. Bisweilen würde sich der Klub wohl etwas mehr Besonnenheit wünschen, aber es kann ja niemand behaupten, man hätte es nicht gewusst. Auch in Mainz giftete der Trainer vor dem Mikrofon, am liebsten nach Niederlagen. Der Mann ist eben ein Perfektionist, ausladend ehrgeizig und mit einer Portion Jähzorn ausgestattet. Er kann es nicht leiden, wenn seine Schar junger Hochbegabter in Dortmund gegen den FC Bayern ihr riesiges Können zeigt und es danach ein wenig langsamer angehen lässt. In den vergangenen vier Bundesliga-Spielen plus dem Champions-League-Spiel in Madrid geriet der BVB in Rückstand. Das nagt an diesem Tuchel. Und dann muss es eben raus.

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