Werder gewinnt gegen Stuttgart:Alle Existenzängste weggekuschelt

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Komm in meine Arme! Marvin Ducksch (rechts) herzt den Kollegen Leonardo Bittencourt. (Foto: Stuart Franklin/Getty Images)

Beim 2:1-Sieg gegen den VfB Stuttgart gelingt Bremen auf die alte Werder-Weise ein elementarer Schritt in Richtung Klassenverbleib: Wenn es ernst wird, rücken alle zusammen. Und Doppeltorschütze Marvin Ducksch entdeckt seinen Instinkt wieder.

Von Thomas Hürner, Bremen

Der Stadionsprecher im Bremer Weserstadion hat seinen Job am Sonntag wieder gewissenhaft erledigt. Bei der Durchsage der Startaufstellung begann er wie immer mit dem Torwart und bat das Publikum zum Vornamen "Michael" den passenden Nachnamen zu brüllen. Das Publikum präsentierte sich ebenfalls gewissenhaft und entgegnete ein lautes "Zet-ter-reeeeer!", woraufhin der Vorgang bei sämtlichen Feldspielern fortgesetzt wurde. Und weil bei diesem Ritual alle so herrlich konzentriert bei der Sache waren, fiel zunächst gar nicht auf, dass die Nummer 18 mit dem dazugehörigen Naby Keita einfach ausgelassen wurde.

Keita war zu Saisonbeginn wie eine Art Heilsbringer in Bremen empfangen worden, mit seiner Ankunft ging die Hoffnung einher, dass beim SV Werder vielleicht wieder etwas mehr drin sein würde als ein Dasein zwischen Niemandsland und fußballerischem Überlebenskampf. Diese Hoffnung endete jüngst mit der folgerichtigen Suspendierung des Mittelfeldmanns wegen Arbeitsverweigerung, deshalb konnte am Sonntag auch keiner seinen vor Kurzem noch so populären Namen rufen. Geradezu perfekt zur Gesamtstimmung passte somit die Botschaft auf einer Stehtafel, die ein Gastronom zum Anlass des Tages vor seinem Lokal in der Bremer Innenstadt platziert hatte. "Ich habe heute keinerlei Erwartungen", stand da geschrieben: "Vielleicht hilft das."

Werder dürfte sich der größten Abstiegssorgen entledigt haben

Nun, es half. Werder gewann nach zwei Treffern von Stürmer Marvin Ducksch mit 2:1 gegen den hoch favorisierten VfB Stuttgart und dürfte nun die letzten Abstiegsgespenster verscheucht haben, die zuletzt noch ihr Unwesen in der Hansestadt getrieben hatten. Mit ihren 34 Punkten können die Bremer ihre existenziellen Sorgen in dieser Saison nun wohl hinter sich lassen.

Beim SV Werder haben sie somit wieder jenen Glaubenssatz verwirklicht, dem zufolge dieser Verein immer dann zu Besonderem imstande ist, wenn die Lage ernst ist und alle kuschelig eng zusammenrücken. Das Spiel gegen den VfB steckte vor lauter solcher Geschichten: Da war etwa Stürmer Nick Woltemade, der nach der Saison ablösefrei zum Gegner Stuttgart abwandern wird; seine kraftstrotzende Leistung hätte dem künftigen Arbeitgeber an einem anderen Tag sicher mehr zugesagt. Da war außerdem der kritikresistente Trainer Ole Werner, der nach sieben sieglosen Spielen in Serie doch ein wenig in der Kritik stand. Und jener Werner hatte sein Team geradezu ideal abgemischt: Resolut in den Nahduellen, den so espritvollen Stuttgartern den Spielwitz raubend, ohne dabei den eigenen Offensivdrang zu vernachlässigen.

Die Fans im Weserstadion erzeugen eine Art unsichtbaren Schutzwall vor dem Bremer Tor

Und dann war da natürlich Stürmer Marvin Ducksch, der von den Fans gefeierte und sich selbst feiernde Doppeltorschütze. Ducksch war im Spätherbst quasi mit seiner Berufung ins deutsche Nationalteam in ein Formtief gefallen, das ihn und einige Bremer Fans derart frustriert hat, dass der Publikumsliebling das Gefühl hatte, vom Publikum nicht mehr gar so innig geliebt zu werden. Vielleicht hat jemand ja den erratischen Stürmer mittlerweile darauf hingewiesen, dass Kommentarspalten kein reales Weserstadion abbilden; Ducksch jedenfalls hatte seinen Spieltrieb und seinen Instinkt wiedergefunden. Nach einem Foul am in die Tiefe gestarteten Felix Agu war es der Angreifer, der den fälligen Elfmeter lässig zur Bremer Führung ins Eck schob (28. Minute). Zu Beginn der zweiten Hälfte traf Ducksch per Drehschuss aus kurzer Distanz (49.) und half danach in vorbildlicher Weise mit, den Vorsprung gegen permanent anrennende Stuttgarter über die Zeit zu bringen. Der VfB kam durch Deniz Undav (72.) nochmal ran, aber es war einer dieser Tage, an denen die Atmosphäre im Weserstadion eine Art unsichtbaren Schutzwall vor dem Bremer Tor erzeugt.

Und auch Schallwellen waren daran nicht ganz unbeteiligt; am lautesten zu hören waren sie kurz vor Spielende, als Ducksch ausgewechselt wurde. Der Name jenes Spielers, der sich zuletzt nicht mehr geliebt fühlte, hallte da in imposanter Lautstärke von den Tribünen. Und wer war gleich nochmal Naby Keita?

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