Stuttgarts im Aufwärtstrend:Doppelte Lebensversicherung

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Unkoordinierte Jubelattacke: Nach dem unerwarteten 3:2 von Sasa Kalajdzic (Mitte) brechen bei den Stuttgartern alle Dämme. (Foto: Alexander Keppler/imago)

Der VfB Stuttgart gewinnt nach 0:2-Rückstand noch gegen Borussia Mönchengladbach und meldet sich im Abstiegskampf zurück - auch weil Borna Sosa und Sasa Kalajdzic wieder gemeinsam auf dem Platz stehen.

Von Felix Haselsteiner, Stuttgart

Wenn man Sasa Kalajdzic zuhört, wirkt Fußball oft angenehm simpel. Der 24-jährige Österreicher steckt mit dem VfB Stuttgart mitten im Abstiegskampf, er selbst war in dieser Saison über längere Zeit verletzt und hat auch deshalb erst zwei Tore erzielt. Man könnte also sagen, dass bis zur 83. Minute des Spiels gegen Borussia Mönchengladbach die Stimmung nicht gerade zu Lockerheit einlud. Nur sind lockere Sprüche Kalajdzics zweite große Stärke nach dem Toreschießen. Seinen Treffer zum 3:2, der den VfB Stuttgart - zumindest vorerst - wieder zurück ins Nichtabstiegsgeschäft gebracht hat, beschrieb er so: "Einfach sicher mitnehmen, umdrehen und ins lange Eck. Und Dankeschön."

Die Nonchalance des Toreschießens, über die Kalajdzic referierte, hat den VfB bislang nicht wirklich durch die Saison begleitet. Der Sieg gegen Gladbach, mit dem die Schwaben nun nur noch einen Punkt vom Relegationsplatz entfernt sind, war der erste Drei-Punkte-Gewinn seit Dezember. Zwischendurch gab es mehrere Spiele ohne Tor, nun allerdings bestätigte sich ein Trend, der damit zusammenhängen könnte, dass gewissermaßen die Lebensversicherung der vergangenen Saison wieder auf dem Feld steht.

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16 Tore hatte Kalajdzic in der vergangenen Saison erzielt, fünf davon nach Vorlage von Außenverteidiger Borna Sosa. Die Kombination aus den beiden brachte die Stuttgarter damals in ungeahnte tabellarische Höhen, dann sorgte die Abwesenheit für den Absturz: Von 2250 möglichen Minuten hat das Duo in dieser Saison gerade einmal 377 gemeinsam auf dem Feld verbracht.

"Wir haben zuletzt gesehen, dass wir können", sagt Kalajdzic

Dass Tore wie das 3:2, bei dem Sosa mit seinem Tempo zwei Gladbacher umkurvte und dann den Ball in den Rücken der Abwehr legte, wo Kalajdzic bereitstand, eine Seltenheit waren, lag auch am beachtlichen Stuttgarter Verletzungspech. Dass in den vergangenen Partien ein Aufwärtstrend erkennbar war, der nun in einem verdienten Sieg mündete, erkannte auch der Stürmer: "Wir haben zuletzt gesehen, dass wir können", sagte Kalajdzic: "Ich bin einfach nur froh, dass wir das Ding jetzt mitgenommen haben."

Rein spielerisch gesehen, hätte es nicht einmal ein Tor in der 83. Minute und eine entsprechend angespannte Schlussphase für den VfB gebraucht. Die Überlegenheit war über 90 Minuten eindeutig. "Da war heute kein Glück dabei, das war einfach verdient", sagte Trainer Pellegrino Matarazzo. Der VfB spielte mutig und ließ sich auch nicht davon beirren, dass es in der 35. Minute 0:2 stand, weil die Borussia aus zwei guten Angriffen zwei Tore erzielte. Wataru Endo erzielte noch vor der Pause den Anschlusstreffer, Chris Führich in der 51. Minute den Ausgleich, bevor Kalajdzic den Schlusspunkt setzte.

Das wichtigste Tor der Saison? Sasa Kalajdzic (links) trifft zum 3:2. (Foto: Robin Rudel/Sportfoto Rudel/imago)

Die Art und Weise, wie der VfB sich trotz einer Vielzahl vergebener Chancen immer wieder aufraffte, gefiel dem Trainer und dem Stuttgarter Publikum, das eine trotz Corona-Beschränkungen beeindruckende Kulisse lieferte. "Wir haben einen Fußball gespielt, der die Fans auch animiert", sagte Matarazzo.

Auf Gladbacher Seite sah man das Spiel ebenso eindeutig. "Wir haben verdient verloren heute. Die waren in der zweiten Halbzeit um Klassen besser als wir", sagte Torwart Yann Sommer über den Gegner, der die schlechteste Heim-Mannschaft der Bundesliga ist. Die Chancenlosigkeit der Gladbacher war ernüchternd: Bis auf die zwei Tore in der ersten Halbzeit - beide großartig herausgespielt und Zeugnis dafür, dass die fußballerische Qualität der Mannschaft nicht das Problem ist -, kamen die Gladbacher nicht einmal in den Schlussminuten in die Situation, den VfB am eigenen Strafraum unter Druck zu setzen.

Christoph Kramer, im Mittelfeld ebenso zweikampfschwach wie seine Nebenleute, erklärte, dass die defensivere Ausrichtung durchaus geplant war. "Wir wollten es tiefer machen, weil wir viele Gegentore bekommen haben - aber jetzt haben wir wieder drei bekommen", sagte Kramer, der derzeit "viele Baustellen" sieht.

Trainer Adi Hütter fehlte auf Gladbacher Seite genau die "Leidenschaft und Emotion", die der VfB gezeigt hatte - es schien über 90 Minuten so zu sein, als hätte nur eine der beiden Mannschaften auf dem Feld verstanden, in welcher bedrohlichen Lage sie sich befindet. Vier Punkte trennen Gladbach noch vom Relegationsplatz: "Wir sind schon längere Zeit in einem Bereich, in dem es wahnsinnig gefährlich ist", sagte Hütter. " Es ist total schwer, da positiv zu bleiben", sagte Kramer, der den Unmut der Fans nach dem Spiel verstand.

"Das kann was machen mit einer Mannschaft, wenn man ein Spiel so umdreht", sagt Matarazzo

Dass die Situation in der Gladbacher Kurve nach dem Abpfiff noch eskalierte, lag allerdings nicht am Spielausgang, sondern am offensichtlich harschen Einschreiten des Stuttgarter Ordnungspersonals: Videos aus dem Block zeigten ein Gedränge und zuschlagende Ordner, der VfB kündigte in einer Stellungnahme eine Aufklärung der Fälle an.

Im Rest des Stadions war hingegen vor allem Erleichterung darüber zu spüren, dass die Stuttgarter nicht den Anschluss verloren haben. Hoffnung, dass es sich nicht nur um ein kurzfristiges Aufbäumen handelt, machten gegen Gladbach nicht nur die Moral und Emotion, sondern die offensichtliche Formstärke von Leistungsträgern wie Sosa, Kalajdzic und Kapitän Endo. "Das kann was machen mit einer Mannschaft, wenn man ein Spiel so umdreht", sagte Matarazzo und blickte inmitten des vielen Jubels nach vorn: "Das war heute das wichtigste Spiel der Saison - und nächste Woche gegen Union kommt das nächste wichtigste Spiel."

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