1. FC Köln:"Das war das wichtigste Tor meiner Karriere"

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Sebastiaan Bornauw (rechts): Ihm gelang der rettende Treffer gegen Schalke. (Foto: Xinhua/imago)

Der 1. FC Köln erlebt nach einem Eingriff des Videoschiedsrichters beinahe ein Abstiegsdrama. Nach der Rettung auf den Relegationsplatz kommt es zu Zusammenstößen zwischen Fans und Polizei.

Von Philipp Selldorf, Köln

Ralf Fährmann, Schalkes Torwart, hatte es zum Schluss nicht mehr nur mit den Kölner Angreifern auf dem Platz zu tun, sondern auch mit den Attacken der Kölner Reservisten. Die hatten ihm übelgenommen, dass er zum Eckball seiner Mannschaft nach vorn gerannt kam. "Lass den Quatsch", riefen ihm die über seinen Eifer ernsthaft empörten FC-Hinterbänkler zu. 1:0 führten die Kölner, eine knappe, aber goldene Führung, die zumindest den Klassenerhalt auf dem Umweg über die Relegation verhieß. Doch Fährmann nahm darauf keine Rücksicht, er ließ sich nicht aufhalten. Der Eckstoß kam nicht schlecht, den Treffer konnte er jedoch nicht landen, knapp verfehlte er mit dem Kopf das Ziel.

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Mit etwas Stürmerglück hätte Schalkes Torhüter dann gleich doppelt Schicksal gespielt für den 1. FC Köln, nachdem er bereits in der sich ewig dehnenden Zeit zuvor die Hausherren zur Verzweiflung gebracht hatte. Bis in die 86. Minute hielten Schalkes Abwehr und ihr Schlussmann den Bemühungen des FC um dieses eine Tor stand, lange Zeit mussten sie dafür keine übermenschlichen Anstrengungen leisten, denn der FC tat sich sehr, sehr schwer. Erst in den finalen Minuten geriet die jugendliche Schalker Verlegenheitself unter Hochdruck, Fährmann wurde zum Hauptdarsteller. Marius Wolf, Jonas Hector, Max Meyer - einer nach dem anderen kam am Torwart nicht vorbei. Die steigende Frequenz der gefährlichen Angriffe öffnete schließlich jedoch die Lücke, die der FC brauchte. Der eingewechselte Jan Thielmann nutzte die Unordnung beim Gegner und flankte - der belgische Abwehrcrack Sebastiaan Bornauw war mit dem Kopf zur Stelle. "Das war das wichtigste Tor meiner Karriere", befand der Schütze.

Wie sagenhaft wichtig der Treffer war, das ließ sich dem Wimmelbild entnehmen, das daraufhin auf dem Rasen entstand. Wilder Jubel brach bei den Kölnern aus, die Reservisten stürmten von der Tribüne auf den Platz, um dabei zu sein, bis zum Wiederanpfiff vergingen fünf Minuten. Die Spannung für die Beteiligten, für die Tausende vor der Tür versammelten Fans und die in den Wohnzimmern mitfiebernde Gemeinde war nahezu unerträglich geworden. So nah war zumindest schon die halbe Rettung, nachdem der Erzrivale Mönchengladbach in Bremen Schützenhilfe geleistet hatte - und so fern immer noch der unentbehrliche Treffer. "Das war die absolute Drucksituation für unsere Mannschaft", stellte der erleichterte Manager Horst Heldt fest.

Das Leid der Kölner hatte nicht geringfügig mit dem Gegner zu tun

Ein Tor hatten die Kölner zwar erzielt, aber den virtuellen Platz in der Relegation mussten sie nach drei Minuten Videoprüfung wieder hergeben (73.). Sebastian Anderssons 1:0 nahm Schiedsrichter Daniel Siebert zurück, weil der Kölner Salih Öczan zwar passiv im Abseits stand - aber durch das Abblocken eines Gegners doch aktiv ins Spiel eingegriffen hatte. Gescheitert an höherer Regelkunde - die rechte Zutat für ein wahres Abstiegsdrama.

Kopfball zur Hoffnung: Sebastiaan Bornauw mit dem 1:0 gegen Schalke. (Foto: Pool/Getty Images)

Den Kölnern war nach dem Abpfiff schnell bewusst, dass sie an diesem Samstagnachmittag nur das Minimalziel erreicht hatten, die Euphorie war bald verflogen. Jonas Hectors Wort zum Spiel zeugte von nüchterner Erkenntnis: "Man weiß nicht so genau, wie man mit der Situation umgehen soll", sagte der Kölner Kapitän. "Irgendwie ist man happy, aber es ist dann doch schade, dass man's nicht direkt geschafft hat. Jetzt müssen wir mit der Situation leben." Nun müsse man halt "noch eine Extrarunde drehen", sagte Manager Heldt: Die Relegation sollten wir als Chance sehen. Einmal durchatmen und in zwei Spielen in der Liga bleiben!"

Das Leid der Kölner hatte nicht geringfügig mit dem Gegner zu tun. Schalke 04, längst abgestiegen, wehrte sich nicht nur ehrenhaft, sondern effektiv. In der ersten Halbzeit ergab sich daraus eine solide Pattsituation, die beste Chance hatten die Gäste: Matthew Hoppes Schuss wehrte Timo Horn mit einer Fußparade ab, eine Disziplin, die er zuletzt zur Meisterschaft entwickelt hat. "Schalke war ein schwerer Gegner, sie haben uns alles abverlangt, es war nicht so einfach, wie der eine oder andere das gedacht hat", lobte FC-Trainer Friedhelm Funkel.

Der Schalker Mark Uth war damit nicht gemeint. Er hatte sich vom Dienst befreien lassen - gegen den Klub aus seiner Heimatstadt wollte er lieber nicht das Tor schießen, das den Abstieg bedeutet. "Er hat das Gespräch mit mir gesucht, ich hatte das Gefühl, dass er das Spiel nicht so hundertprozentig auf sich nehmen konnte", berichtete Trainer Dimitrios Grammozis. Kein Geheimnis: Uth würde gern zum FC zurückkehren, und Schalke würde ihn - wenn die Kasse stimmt - auch gern gehen lassen.

Auf der Jahnwiese kam es zu Zusammenstößen zwischen Polizei und Fans. (Foto: Marius Becker/dpa)

Wie angespannt die Lage war, sah man dann nach dem Spiel: Bei Ausschreitungen wurden nach Angaben der Polizei mehrere Polizisten, Fans und ein Journalist verletzt. Wie die Polizei mitteilte, erlitten bei den Auseinandersetzungen Beteiligte beider Lager Platzwunden, Schnittverletzungen und Knalltraumata. Ein Mitarbeiter des WDR sei durch Schläge und Tritte von einem Angreifer verletzt worden.

Bei Amine Harit fließen die Tränen

Und das obwohl die Dinge auf dem Platz eine positive Wendung nahmen. In der zweiten Halbzeit legten die Kölner ihre Vorsicht ab, es war klar, dass sie nun nicht mehr geduldig auf ihr Tor warten konnten und ins Risiko gehen mussten. Beinahe wäre eben das schief gegangen, doch Hoppe verpasste nach einem Solo das eigentliche unkomplizierte Zuspiel auf den einschussbereiten Goncalo Paciencia. Verdient war der Sieg des FC aber allemal.

Anführer des Kölner Sturmlaufs war natürlich wieder der unermüdliche und überall präsente Kapitän. Jonas Hector habe "wirklich alles, was in ihm steckt, rausgehauen - er ist von ganzem Herzen FCer und Kölner", lobte Funkel. Das Tor blieb dem Lokalhelden trotz guter Chancen aber verwehrt. "Da sieht man dann, dass ich kein Torjäger bin", erklärte er in aller ihm typischen Ernsthaftigkeit.

Das große Tränenmeer, das man in Köln befürchtet hatte, gab es am Samstag also (noch) nicht. Tränen flossen dennoch. Der Schalker Spielmacher Amine Harit war weder von Teammanager Gerald Asamoah noch von Klaas-Jan Huntelaar (der verletzt zugesehen hatte) zu trösten. Vier verrückte, nervenzehrende Schalker Jahre enden für Harit mit dem Abstieg, in seinem mutmaßlichen Abschiedsspiel hatte er nochmal gezeigt, was für ein feiner Fußballer in ihm steckt. In die zweite Liga aber wird er nicht mitgehen, er ist zu teuer im Unterhalt und zu wertvoll am Transfermarkt, als dass ihn der verschuldete Klub behalten könnte. "Wir werden versuchen, eine gute Truppe aufs Parkett zu zaubern", versprach Trainer Grammozis. In drei Wochen ist in Gelsenkirchen Trainingsauftakt, die Kölner hoffen, dass sie dann noch Erstliga-Ferien machen dürfen.

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