Protest in der Bundesliga:"Klares Zeichen gegen diese unfassbare Tat"

Borussia Moenchengladbach v 1. FC Union Berlin - Bundesliga

Gelungene Hommage an den Football-Profi Colin Kaepernick oder unerwünschte politische Äußerung zur Polizeigewalt in den USA? Marcus Thurams stiller Jubel nach seinem 2:0 gegen Union Berlin:

(Foto: Martin Meisner/Pool via Getty Im)

Mehrere Profis gedenken auf dem Platz des getöteten Afroamerikaners George Floyd - die Klubs unterstützen die Solidaritätsaktion. Aber ob das durchgeht bei den Regelhütern? Vermutlich nicht.

Von Milan Pavlovic, Mönchengladbach

Die Geschichte des Entertainments ist reich an Komödianten, die weit wichtigere Anliegen hatten als ein paar gelungene Pointen. Charlie Chaplin wollte irgendwann Charles genannt und nicht mehr nur auf seine Rolle als Tramp reduziert werden. Woody Allen strebte jahrzehntelang danach, ein Mal so bedeutend wie Ingmar Bergman zu sein. Und George Clooney nutzte seine Erfolge, um politische Filme umzusetzen.

Über weitergehende Ambitionen von Marcus Thuram ist noch nichts bekannt. Der 22-jährige Franzose galt bisher als verheißungsvoller Fußballer von Borussia Mönchengladbach und notorischer Spaßmacher. Doch mit diesen beiden Attributen allein, das ist seit Pfingstsonntag klar, wird man Thuram nicht mehr gerecht.

Es lief die 41. Minute des Spiels gegen Union Berlin, als das 2:0 fiel. Aber fast niemand sprach über den feinen Angriff der Borussia und den wuchtigen Kopfball, der dem Tor unmittelbar vorausging. Im Fokus stand die Art, wie Thuram sein Tor feierte. Nach dem eher zahmen Teamjubel blieb der Franzose allein zurück, kniete nieder, berührte mit dem linken Knie den Boden und blickte nach unten - eine in der Bundesliga noch nicht vorgekommene Hommage an den Football-Profi Colin Kaepernick, der mit dieser Geste 2016 während der US-Nationalhymne Polizeigewalt gegen Schwarze in den USA angeprangert hatte, in Amerika damit konträre Reaktionen auslöste und von Präsident Donald Trump öffentlich gegeißelt wurde.

Erst McKennie, dann Thuram, Sancho und Hakimi

In Deutschland war die Resonanz auf den Kniefall entschieden positiver. "Wenn man sich öffentlich gegen Rassismus stellt", lobte Thurams Trainer Marco Rose, "dann ist das schwer in Ordnung." Oliver Kahn, Vorstandsmitglied des FC Bayern, pflichtete bei: "Ich würde mir wünschen, dass die Spieler häufiger solche Verantwortung übernehmen. Denn wir alle wissen, was für eine Wirkung sie haben", sagte er bei Sky.

Da passte es, dass Thurams stiller Protest nicht die einzige politisch motivierte Aktion des Bundesliga-Spieltags war. Schon am Samstag hatte der Schalker Weston McKennie fast schüchtern eine weiße Binde am linken Arm getragen, auf welcher der US-Amerikaner in schwarzer Schrift Gerechtigkeit für den in den USA getöteten George Floyd forderte. "Wir als Schalke 04 unterstützen die Haltung unseres Spielers zu einhundert Prozent", sagte Sportchef Jochen Schneider der Bild. McKennie habe "ein klares Zeichen gegen diese unfassbare Tat und gegen Rassismus gesetzt".

Richtig deutlich wurde einen Tag später Jadon Sancho. Der Engländer von Borussia Dortmund lüftete nach dem ersten seiner drei Tore gegen Paderborn sein Trikot, und darunter war auf einem zweiten gelben Jersey gut das Motto des Wochenendes zu lesen: "Justice for George Floyd". Teamkollege Achraf Hakimi tat es Sancho gleich.

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