Köln verliert gegen Leipzig:"Solche Gesänge gehen gar nicht"

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Leipzigs Trainer Marco Rose ließ sich durch die Rufe der Kölner Anhänger nicht aus der Fassung bringen. (Foto: Federico Gambarini/dpa)

Ausgerechnet am Spieltag gegen Diskriminierung leisten sich Kölner Fans bei der 1:5-Pleite gegen Leipzig einen Affront. Auf die "Wir-hassen-Ostdeutschland"-Rufe reagiert RB-Trainer Marco Rose gleichzeitig klug und deeskalierend.

Von Philipp Selldorf, Köln

Xavi Simons verstand die Welt nicht mehr. Warum waren alle gegen ihn? Warum ließen ihn diese Leute nicht einfach den Eckstoß ausführen? Warum verdarben sie ihm gerade den Spaß am geliebten Fußballspiel? Und woher kam der ganze Hass gegen ihn? Der 20 Jahre alte Mittelfeldspieler, Sohn des aus Surinam stammenden Ex-Profis Regillio Simons, ist ein Kind des grenzenlosen Fußballs: in Amsterdam geboren, in Spanien aufgewachsen, bei Paris Saint-Germain in die Lehre gegangen, bei PSV Eindhoven und jetzt bei RB Leipzig zum Spitzenspieler herangereift. Nun aber stand er an der Eckfahne im Müngersdorfer Stadion in Köln und befand sich mitten in einer Kontroverse, die er nicht verstehen konnte: dem innerdeutschen Ost-West-Konflikt.

Die Deutsche Fußball Liga hatte den aktuellen Spieltag der Bundesliga zum Anti-Diskriminierungsspieltag ernannt. Die Teams des 1. FC Köln und von RB Leipzig waren am Freitagabend die Ersten, die das Motto des Wochenendes verbreiteten, indem sie ein Plakat präsentierten, das den Slogan "Together! Stop Hate. Be a team." enthielt. Die DFL wollte die Aktion als "klares Statement für Vielfalt, Respekt und gesellschaftlichen Zusammenhalt" verstanden wissen. Dem gütlichen Motto setzten die Fans in der Kölner Südkurve allerdings ihre eigene Devise entgegen, und die war alles andere als versöhnlich.

Köln-Fans skandieren: "Wir hassen Ostdeutschland"

Sie begnügten sich nicht damit, Xavi Simons auszupfeifen (weil er sein Tor zum 1:0 vor ihren Augen allzu ausgiebig gefeiert hatte) und wie üblich den ungeliebten Eindringling RB Leipzig auf Transparenten zu geißeln. Diesmal grenzten sie gleich eine komplette missliebige Region aus, indem sie mehrfach und in zunehmend lautstarken Gesängen "Wir-hassen-Ostdeutschland" riefen. Womit die Anhänger des 1. FC Köln ausdrücklich ein Statement gegen gesellschaftlichen Zusammenhalt setzten.

Leipzigs Xavi Simons bejubelt sein Tor zum 0:1. (Foto: Federico Gambarini/dpa)

Der 5:1-Sieg der Leipziger geriet wegen des Affronts bald in den Hintergrund der Nachbetrachtung. "Wir haben gegen einen Gegner verloren, der in einer anderen Liga spielt als wir", fasste der Kölner Geschäftsführer Christian Keller die sportlichen Tatsachen in größtmöglicher Kürze zusammen, bevor er die Provokationen der Kurve kommentierte: "Solche Gesänge gehen natürlich gar nicht. Ich verstehe nicht, was den Leuten durch den Kopf geht. Es ist nur eine Minderheit. Aber es ist schade, dass es diese Minderheit gibt."

Leipzig-Coach Rose: "Es gibt da viele coole Menschen. So wie hier. Es gibt ein paar Idioten. So wie hier."

Auch der gebürtige Leipziger Marco Rose nahm Stellung zu dem Thema, auf der Pressekonferenz war er zu einem Kommentar gebeten worden - nicht ohne den Hinweis, er stamme ja selbst aus Ostdeutschland. Doch der RB-Trainer ließ sich nicht dazu locken, über den Zustand von Republik und Einheit zu lamentieren. "Ich bin hier, um zu verbinden und nicht, um zu spalten. Deshalb ist es wichtig, das einzuordnen", sagte er. "Nicht zu viel reininterpretieren", empfahl er: "Es steht 4:1, 5:1, Fußball ist ein emotionales Spiel."

Und dann formulierte Rose eine Botschaft, die den verordneten Anti-Diskriminierungstag schlagartig mit echtem Leben füllte: "Die Leute, die das nicht so gut kennen da drüben bei uns, die sollen kommen. Es gibt da viele coole Menschen. So wie hier. Es gibt ein paar Idioten. So wie hier. Also am Ende ist eigentlich alles sehr, sehr ähnlich. Darum haben wir irgendwann auch die Mauer abgerissen, auch in den Köpfen."

Die Leipziger Spieler hatten von den Gesängen keine Notiz genommen. Sie feierten ihren klaren Erfolg mit schön herausgespielten Treffern gegen eine Kölner Mannschaft, die eine Stunde eher glücklich als überzeugend das Remis verteidigt hatte, nach dem 1:2 des Belgiers Loïs Openda aber auseinanderfiel. Antipathien von den Tribünen sind die RB-Profis gewohnt, wenn sie bei sogenannten Traditionsvereinen spielen, es geht dann aber immer nur um das Produkt namens RB Leipzig und nicht um dessen ostdeutsche Herkunft. "Wir wussten, dass es ein ekliges Auswärtsspiel wird", sagte Nationalspieler David Raum, und wenn er damit auch bloß die sportlichen Bedingungen meinte - Flutlicht, Regen, ein Gegner im Abstiegskampf -, so hat er damit den Abend doch auch in allen anderen Einzelheiten treffend zusammengefasst.

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