Bundesliga: Jupp Heynckes:Der neue Alte

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In der kommenden Saison wird Jupp Heynckes zum dritten Mal Trainer beim FC Bayern. Am Sonntag will er seinen neuen Verein mit Bayer Leverkusen besiegen - und damit die gesamte Mia-san-mia-Gemeinde zu einem Häuflein Elend machen.

Ludger Schulze

Im großen Bellheim hat der Firmeninhaber den Vorsitz schon mit 57 abgegeben, doch als die Kaufhauskette in Schieflage gerät, muss der alte Fuchs seinen Ruhesitz Marbella verlassen und noch mal richtig ran. Mit seiner Erfahrung, seinem Wissen und seiner Altersklugheit rettet Peter Bellheim das Unternehmen und führt es im Verbund mit einigen ebenfalls alternden Vertrauten von einst aus der Krise und zu neuer Blüte.

Jupp Heynckes spielte schon in der Nationalelf mit Uli Hoeneß zusammen - künftig könnten sie am Montag Abend beim Kicker der FC-Bayern-Granden wieder gemeinsam auf dem Platz stehen. (Foto: ddp)

Uli Hoeneß liebt Dieter Wedels Fernseh-Vierteiler aus den frühen neunziger Jahren, er kann sich gut in die Rolle des umtriebigen, ideensprühenden Patriarchen versetzen. So ähnlich hatte sich Hoeneß, der nun auch stramm auf die 60zugeht, seine Zukunft vorgestellt, seitdem er die Leitung des weltweit agierenden, nach wie vor kerngesunden Konzerns FC Bayern München an Jüngere abgegeben hat: gemeinsam mit alten Freunden ganz neue Wege gehen.

Einer seiner besten und ältesten Kumpels ist Josef "Jupp" Heynckes, in wenigen Wochen 66 Jahre alt, mit dem Hoeneß schon vor fast 40 Jahren in der Nationalmannschaft kickte. Demnächst spielen sie wieder zusammen, der Trainer Jupp Heynckes, und der Aufsichtsratsvorsitzende Uli Hoeneß, der zuletzt mehr ins Rampenlicht rückte, als ihm lieb ist, wo er sich doch eigentlich mehr Marbella als Tagesgeschäft vorgestellt hätte. Das soll sich ändern zum 1. Juli, wenn Heynckes zurückkehrt nach München, um den Klub nach Jahren schriller Aufgeregtheit in eine Phase von Gelassenheit, Verlässlichkeit und stetigem Erfolg zu führen.

Mit einer Politik der ruhigen Hand soll Heynckes die wild oszillierenden Jahre unter den polarisierenden Trainern Felix Magath, Jürgen Klinsmann und Louis van Gaal vergessen machen und dabei entstandene Konflikte und Verletzungen heilen. "Klinsmann und van Gaal", sagt Hoeneß, "haben versucht, einen Verein im Verein aufzumachen", sozusagen eine außerparlamentarische Protestbewegung. Das führte zu einer Aufsplitterung der Kräfte und zu einem Verlust an Gemeinschaftsgefühl. Mit Heynckes' Hilfe schwebt Hoeneß eine Art Familienzusammenführung vor, "eine Konsolidierung des Vereins auf hohem Niveau", sagt er. Wie einst bei den Bellheims.

Doch bevor der neue, alte Trainer im Sommer endgültig wieder heimkommt an die Säbener Straße, schickt ihn der Spielplan der Bundesliga noch einmal zur Stippvisite nach München. Der Auftritt mit Bayer Leverkusen bei seinem künftigen Arbeitgeber an diesem Sonntag ist eine heikle Mission, ein Dilemma fast wie aus einer griechischen Tragödie entlehnt, eine Geschichte von Zwangsläufigkeit und Schicksalhaftigkeit. Heynckes ist ein Sportsmann alter Prägung, ein Mann der Prinzipien und Werte.

Für ihn stellt sich die Frage nicht, welches Resultat seinen Interessen am besten dient. Er sagt: "Ich werde selbstverständlich alles daransetzen, um beim FC Bayern zu gewinnen. Dazu bin ich als Angestellter von Bayer Leverkusen verpflichtet." Das würde Platz zwei festigen und, wer weiß, die minimale Chance wahren, Borussia Dortmund am Ende doch noch abzufangen. Jedoch würde Heynckes sich mit einem Sieg von Bayer 04 selber schaden.

Die Sache ist so: Ein Leverkusener Sieg würde die Chancen der Bayern auf Platz drei und die Aussicht auf Teilhabe an der Champions League in der kommenden Saison drastisch reduzieren. Für die Spieler wäre es eine niederschmetternde Erfahrung, wenn auch das kleinste, das letzte noch verbliebene Saisonziel verpasst würde; die gesamte Mia-san-mia-Gemeinde wäre ein Häuflein Elend.

Man kann sich leicht vorstellen, wie mühevoll der kommende Trainer die gedemütigten Fußballerseelen wieder aufrichten und Starspielern wie Arjen Robben oder Franck Ribéry irgendwie verklickern müsste, dass ihr Leben auch in der verhassten Europa League einen Sinn hätte. Dieser Trainer wäre zufällig derjenige, der sie erst in diese Lage gebracht hat: Jupp Heynckes.

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Den interessieren derlei Ausblicke in die Zukunft nicht. Er sagt: "Ich muss alles ausblenden, was nach dem 1. Juli sein wird." Seine Konzentration gilt allein den Bayer-Spielern, René Adler, Sami Hyypiä, Simon Rolfes und den anderen, zu denen er in den vergangenen zwei Jahren ein außergewöhnliches Vertrauensverhältnis aufgebaut hat.

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"Wenn ich mich nun vor dem Spiel in München in irgendeiner Weise anders verhalten würde, würden sie dies als Riss, als Bruch in unserer engen emotionalen Beziehung empfinden." Außerdem würden auch die Bayern genau diese Haltung von ihm erwarten: "Wenn ich nicht absolut loyal meinem Arbeitgeber gegenüber wäre, hätten sie den falschen Trainer verpflichtet", sagt er.

So ist er und so war er schon immer, der Jupp Heynckes, geradeaus, kompetent, seriös und entschlossen. Aber seinerzeit, in den Jahren 1987 bis 1991, als der junge Trainer Heynckes erstmals in München wirkte, war er auch reizbar, fast mimosenhaft, bisweilen unangemessen streng und nicht immer selbstbewusst. "Er hat sich früher oft eingebuddelt, in der Außendarstellung war er nicht immer geschickt", sagt Hoeneß.

Doch das hat sich gründlich geändert, niemand in der Liga präsentiert sich so souverän und gelassen wie Heynckes, eine absolute Respektsperson. "So locker und souverän ist er wohl dank der Weisheit des Älteren", sagt Hoeneß. Kritik am Alter des Neuen verbittet er sich dabei und erinnert an den 69-jährigen Alex Ferguson bei Manchester United: "Der gewinnt gerade einen Titel nach dem anderen. Und außerdem wirkt Heynckes heute 20 Jahre jünger als noch vor zehn Jahren."

Wenn Hoeneß an die kommende Saison denkt, spürt er "totale Zufriedenheit und riesige Vorfreude". Heynckes sagt das Gleiche in ähnlichen Worten: "Ich freue mich sehr auf die Zeit." Schließlich komme er in eine vertraute Umgebung, "ich fange ja nicht bei null an, ich kenne ja alle dort". Und alle bedauerten heftig, dass Heynckes 2009 nach fünfwöchigem erfolgreichen Wirken wieder gehen musste, weil dummerweise bereits ein Vertrag mit Louis van Gaal bestand.

In seinem zweiten Versuch führte Heynckes die vom vermeintlichen Kreativ-Coach Klinsmann verwirrte Mannschaft im Schlussspurt noch auf Platz zwei und in die Champions League. Für den damaligen Manager Hoeneß waren diese paar Wochen "meine wohl schönste Zeit beim FC Bayern". Auch die anderen Bayern-Chefs waren beeindruckt von der ruhigen Zuversicht, die Heynckes auf den ganzen Verein übertrug. Uli Hoeneß' Vorschlag, ihn nun ein drittes Mal nach München zu holen, wurde von den Vorständlern Karl-Heinz Rummenigge und Karl Hopfner sowie Sportdirektor Christian Nerlinger einstimmig angenommen und fix in einen Zwei-Jahres- Vertrag gegossen.

In der Ära des verbohrten Absolutisten van Gaal ging, wie Uli Hoeneß feststellt, die Diskussionskultur beim FCBayern München verloren, es wurde exekutiert, nicht moderiert. Der Niederländer schloss die Führungskräfte bewusst von den die Mannschaft betreffenden Entscheidungen aus, diese fühlten sich manchmal wie Fremde im eigenen Haus.

Das wird sich ändern, Heynckes ist das Gegenmodell zu van Gaal. "Man muss überzeugen, die Menschen mitnehmen", sagt er, "deshalb freue ich mich darauf, mit den Leuten zu diskutieren und Entscheidungen im Team zu erarbeiten." Nur bei der Entscheidung, wer am Sonntag das Spiel gewinnt, da will Jupp Heynckes die Bayern keinesfalls mit- reden lassen.

© SZ vom 16.04.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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