Debüt des 1. FC Heidenheim:Die Chihuahuas sind da

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Kein Bellen und kein Beißen: Im "Aktuellen Sportstudio" des ZDF beendet Heidenheim-Trainer Frank Schmidt seinen Interview-Marathon am ersten Spieltag. (Foto: Martin Hoffmann/Imago)

Die Aufsteiger aus Heidenheim dürfen sich trotz des 0:2 beim VfL Wolfsburg privilegiert fühlen: Sie werden einen spröden Fußballnachmittag auf immer in schöner Erinnerung behalten.

Von Javier Cáceres, Wolfsburg

Wer den Heidenheimer Trainer Frank Schmidt, 49, am Samstagnachmittag in Wolfsburg erlebt hatte und ihn Stunden später im Aktuellen Sportstudio des ZDF im Live-Gespräch sah, der nahm einen Menschen mit Emotionen war, die unterschiedlicher kaum sein konnten. Hier ein Mann, der nach der 0:2-Auftaktniederlage beim VfL Wolfsburg an einem erdrückend schwülen Tag in eine Interview-Dauerschleife nebst Pressekonferenz geschickt wurde, obwohl er mutmaßlich lieber nach einer Brause gefahndet hätte. Dort der freundliche Empfang (und sympathische Auftritt) in einer Sendung, die für Schmidt das zu symbolisieren schien, wovon in den vergangenen Tagen und Wochen so häufig die Rede gewesen war: die Ankunft des 1. FC Heidenheim in der Bundesliga.

Im TV-Studio, wo sich Schmidt deutlich erkennbar geadelt fühlte, wurde der Coach vom Moderator damit konfrontiert, dass seine Ehefrau "etwas Angst vor der Bundesliga" habe, weil er, der Gatte, nach Niederlagen doch stets mit schlechter Laune nach Hause zurückkehre. "Das denkt sie?!", fragte Frank Schmidt sichtlich überrumpelt - und räumte ein, dass es in der Bundesliga höchstwahrscheinlich ein paar Niederlagen mehr setzen werde, "als wir es gewohnt waren". Wohl wahr: Meister wie in der vergangenen Saison in der zweiten Liga dürfte Heidenheim in der Oberklasse eher nicht werden. "Aber wir haben drei kleine Chihuahuas. Die freuen sich immer, wenn ich komme", scherzte Schmidt.

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Im Vergleich mit den Wolfsburger "Wölfen" wirkten die Heidenheimer tatsächlich lange Zeit klein wie Chihuahuas, erst in der zweiten Halbzeit bellten sie. Nur mit dem Beißen hatten sie Probleme: Wenn sie sich dem Strafraum näherten, war's mit dem Mut vorbei. Hernach sprachen die Heidenheimer in feinstem Handwerkerdeutsch davon, dass sie "Lehrgeld gezahlt" hatten. Das hatte sich unter anderem darin manifestiert, dass Wolfsburgs Torschütze Jonas Wind in der stehenden Luft des Fünfmeterraums zweimal "eine Fußspitze schneller" als sein Bewacher am Ball gewesen war, erläuterte FCH-Kapitän Patrick Mainka, der selbst dieser Bewacher war. Schmidt wiederum dürfte seine Frau in Alarmzustand versetzt haben. Er sagte, er sei enttäuscht.

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Dennoch gehörten die Heidenheimer zu den wenigen Menschen, die sich am Samstag in Wolfsburg privilegiert fühlen durften. Denn für sie wird es bis ans Lebensende ein erinnerungswürdiger Tag bleiben. Alle anderen dürften die Partie am Mittellandkanal schnell dem Vergessen überantworten. Der Partie mangelte es derart an Sinnlichkeit, dass sich das Schiedsrichterteam mit der sogar vergleichsweise knapp bemessenen Nachspielzeit (sechs Minuten nach den ersten, fünf Minuten nach den zweiten 45 Minuten) dem Verdacht aussetzte, sadistische Neigungen zu bedienen. Einzig Wolfsburgs kroatischer Last-Minute-Zugang Lovro Majer schien kreativer Selbstverwirklichung zu streben, der Rest der Akteure frönte der Arbeit. Andererseits hatte Heidenheim nie mehr und nie weniger versprochen.

Die weiteren Erkenntnisse dieses Tages? Dass Frank Schmidt verriet, als DJ gerne "Schlager" aufzulegen; dass er als Kind mit Plüschbären der Firma "Steiff" spielte, wo die Mutter arbeitete und den Teddys zumeist ein Auge fehlte - und dass er als Trainer "nicht mal für eine Milliarde Euro nach Saudi-Arabien" gehen würde.

Ach ja, und noch dies: Im Torwandschießen siegte Schmidt gegen Jan-Henneke Balke vom SV Schermbeck souverän mit 2:0. Frau Schmidt dürfte durchgeatmet haben. Es schien, als habe das seinen Tag einigermaßen begradigt.

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