Bundesliga:"Im Ausland warten viel größere Gewinne"

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FC-Bayern-Fans vor Fotowand in Shenzen: Bundesliga-Anstoß zur Primetime in China? (Foto: Bongarts/Getty Images)

Superliga? Bundesliga-Spiele im Ausland? Anstoß zur Mittagszeit? Fußball-Ökonom Jörn Quitzau sagt wachsende Spannungen zwischen heimischen Fans und Klubs voraus. Nichts sei mehr undenkbar.

Interview von Thomas Hummel

Die Bundesliga freut sich vor der Rückrunde erstmals seit Jahren wieder auf einen spannenden Titelkampf. Dortmund hat sechs Punkte Vorsprung, dabei rechneten viele angesichts der enormen Finanzkraft des FC Bayern München mit einer andauernden Langeweile. Jörn Quitzau, 49, Volkswirt der Berenberg-Bank und Betreiber der Website fussball-oekonomie.de, beschäftigt sich seit 20 Jahren mit den wirtschaftlichen Zusammenhängen des Fußballs.

SZ: Der vergangene Jahresumsatz des FC Bayern lag bei 640 Millionen Euro, der von Eintracht Frankfurt bei 140 Millionen. Dennoch gewann die Eintracht das Pokalfinale und lag in der Vorrunde teilweise vor den Münchnern. Wie erklärt das der Fußball-Ökonom?

Jörn Quitzau: Das zeigt letztlich nur, was viele offenbar schon vergessen hatten: Fußball ist nicht vollständig kalkulierbar. Die totale Dominanz der Bayern, wie wir sie in den vergangenen sechs Jahren gesehen haben, hält nicht ewig an. Für den sportlichen Erfolg reicht es nicht allein, viel Geld in die Hand zu nehmen. Das muss man auch richtig ausgeben. Und wenn wirklich alles zusammenpasst - einschließlich Trainerposition -, kann es zu einer Überlegenheit kommen, wie wir sie von den Bayern jahrelang gesehen haben.

Der finanzielle Vorsprung der Münchner auf den Rest ist aber gewaltig. Der Klub zahlt etwa doppelt so hohe Gehälter an seine Spieler wie der zweitreichste Klub Borussia Dortmund. Schießt Geld keine Tore?

2013 standen Dortmund und Bayern im Champions-League-Finale - das hätte anhand der finanziellen Eckdaten eigentlich gar nicht passieren dürfen, weil die ausländischen Klubs noch viel mehr Geld ausgeben. Das ist das Wesen des Fußballs: Man kann mit Geld viel erreichen, es bleibt aber eine gewisse Unwägbarkeit. Ich erwarte schon, dass in der Bundesliga wieder regelmäßig ein Verein den Bayern Paroli bieten kann.

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Von SZ-Autoren

Die Bundesliga ist insgesamt ein sehr erfolgreiches Produkt. Allein die Einnahmen durch TV-Gelder haben sich in den vergangenen 20 Jahren etwa verzehnfacht. Wo führt das hin?

Es gibt erste Sättigungstendenzen. Beispiel Nationalmannschaft: Das Vorrundenaus bei der WM löste keine nationale Depression aus, wie das vielleicht noch vor ein paar Jahren der Fall gewesen wäre. Sondern eher Achselzucken. Das ist ein Warnsignal, das die Branche nicht unterschätzen sollte. Auch die Montagsspiele haben gezeigt, dass es beim Fan gewisse Grenzen gibt. Auf der anderen Seite bieten die Neuen Medien ein weiteres Geschäftsfeld für die Rechte-Vermarktung, was die Einnahmen erst einmal wieder steigern dürfte.

Jörn Quitzau (Foto: Berenberg)

Steigen bald Amazon, Apple, Netflix oder andere Giganten auf dem Fußballmarkt ein?

Es ist tatsächlich so, dass die Medienerlöse in der Vergangenheit besonders stark gestiegen sind, wenn neue Formate hinzukamen. Das war in Deutschland zuerst das Privatfernsehen, dann das Pay-TV, Pay-per-view, jetzt die digitalen Medien. Noch höhere Potenziale liegen für die Klubs aber in der Auslandsvermarktung. Deshalb stehen sicher die Anstoßzeiten der Spiele weiterhin auf der Agenda, etwa mittags, damit man in China in der TV-Primetime läuft. Ich kann mir außerdem vorstellen, dass man in den nächsten zehn Jahren Pflichtspiele im Ausland austrägt - Bundesliga-Partien oder auch das DFB-Pokal-Finale.

Die Fans hören das nicht gerne.

Das ist ein echter Zielkonflikt zwischen den Interessen der heimischen Fans - zu denen ich mich auch zähle - und den wirtschaftlichen Interessen der Klubs. Das wird knifflig. Da stehen Vereine vielleicht vor der Entscheidung, in China zehn Millionen Fans zu gewinnen und dadurch in der Heimat eine Million zu verprellen. Wie das ausgeht, kann ich nicht beurteilen. Aber die Spirale der Kommerzialisierung dreht sich weiter, die Interessen werden vielfältiger. Das wird zu erheblichen Spannungen führen.

Die wirtschaftliche Bedeutung der Champions League ist enorm und steigt stetig. Wo bleibt da eigentlich noch Platz für die Bundesliga?

So lange die europäischen Wettbewerbe offen sind, die Klubs sich also dafür über die nationalen Ligen qualifizieren können, sehe ich das derzeitige System nicht in Gefahr. Mit einer in sich geschlossenen europäischen oder weltweiten Superliga würde man die nationalen Wettbewerbe allerdings auf ein Zweitliga-Niveau abwerten. Dann ist die Fußball-Familie gespalten.

Die Großklubs könnten ihre Einnahmen in einer gemeinsamen Superliga ohne Auf- und Abstieg noch einmal erheblich steigern. Wann wird sie kommen?

Ich habe das in der Vergangenheit immer für eine Drohkulisse der Großklubs gehalten, um ihre Interessen innerhalb des bestehenden Systems durchzusetzen. Das hat auch sehr gut geklappt, man denke an die enormen Einnahme-Steigerungen in der Champions League. Dafür würde ich aber jetzt nicht mehr meine Hand ins Feuer legen. Die Kommerzialisierung und Globalisierung des Fußballs ist so weit fortgeschritten, dass ich mir vorstellen kann, einige Großklubs würden gerne ihre eigene, geschlossene Liga schaffen. Weil ihr Gewinn auf den Auslandsmärkten viel höher wäre als ihr Verlust in der Heimat. Früher war der Fan der Korrekturfaktor, damit die Funktionäre keine Dummheiten machen. Die Klubs mussten darauf achten, die Fans ins Stadion oder vor den Fernseher zu locken. Doch deren Macht nimmt kontinuierlich ab, weil im Ausland viel größere Profite warten.

Während der FC Bayern und mit Abstrichen Dortmund bald weltweit unterwegs sein könnten, fordern andere mehr Spannung in der Bundesliga. Wie kommt man aus diesem Dilemma?

Vermutlich gar nicht. Es gibt Instrumente, um die Bundesliga spannender zu machen. Doch die meisten sind rechtlich nicht umsetzbar. Eine Limitierung ausländischer Spieler zum Beispiel würde dazu führen, dass sich die Topklubs nicht die besten Spieler aus aller Welt holen können - es verstößt aber gegen europäisches Recht. Ob man die Kadergröße der Klubs begrenzen kann, weiß ich nicht. Damit würde man etwa verhindern, dass bei den Topklubs Spieler auf der Bank sitzen, die überall sonst Stammspieler wären.

Die Forderung wird lauter, die 50+1-Regel abzuschaffen, die in Deutschland verhindert, dass neue Investoren die Mehrheit der Klubs übernehmen. Was halten Sie davon?

Man muss die Frage stellen: Ändert das wirklich viel? Oder wird einfach noch mehr Geld ins System gespült und am Ende spielen wieder die gleichen Klubs die Titel untereinander aus? Ich vermute, dass sich das meiste Geld auf die ohnehin großen Klubs konzentrieren würde. Eine Abschaffung der 50+1-Regel würde wohl nicht dazu führen, dass ein Außenseiter im nächsten Jahr Meister wird. Denn nach und nach wären alle Vereine gezwungen, sich mit Investorengeldern vollzusaugen. Man spricht hier in der Sportökonomie von einem Rattenrennen. Das heißt, es kann nach wie vor nur einer Champions-League-Sieger werden, nur das Wettrüsten wird härter.

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