Bundesliga: FC Bayern:Van der Sar gesucht

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Die Ära von Hans-Jörg Butt im Tor des FC Bayern München neigt sich dem Ende zu. Torwarttrainer Frans Hoek prägt die Fahndung der Bayern nach einem neuen Keeper - Favorit bleibt Manuel Neuer.

Christof Kneer

Beim Training des FC Bayern steht immer dieser Mann hinterm Tor. Manchmal steht er auch daneben, oder er kommt sogar auf den Platz. Er betritt den Strafraum, schnappt sich den Torwart, redet gestenreich auf ihn ein. Dann stellt er sich wieder hinters Tor.

Wer wird Hans-Jörg Butts Nachfolger im Tor des FC Bayern? (Foto: AP)

Aus der Ferne sieht das so aus, als habe Louis van Gaal jetzt auch diesen seltsamen Torrichter installiert, der im Europacup neuerdings über die Strafräume wacht. In Wahrheit ist es Frans Hoek aber recht egal, ob ein Stürmer sich im Trainingsspiel fallen lässt oder gefoult wird. Hoek ist kein Torrichter, er ist Torwart-Richter. Man muss sich das so vorstellen, dass er über eine Art unsichtbaren Joystick verfügt, und mit diesem Joystick lenkt er seine Torhüter durch jede neue Spielsituation: Jetzt ein paar Meter vor! Jetzt etwas einrücken! Jetzt wieder vor! Und zwischendurch ruft der Joystick-Coach: Immer an den Fuß denken! Nimm den Innenrist! Sauber passen!

Frans Hoek, 54, ist der radikalste Torwarttrainer der Welt. Vielleicht ist das der Grund, warum er so gut zu Louis van Gaal passt, dem radikalsten Trainer der Welt. Beide sind sehr objektiv der Meinung, dass Fußball nur so gespielt werden kann, wie sie sich das denken. Und sie denken sich das so, dass der Torwart zwar laut Regelbuch die Hände benutzen darf, aber dass das ja noch schöner wäre, wenn sie sich den Fußball von einem Regelbuch befehlen lassen würden. Im Pflichtenheft der Fußball-Fundamentalisten ist der Torwart als hinterster Feldspieler vorgesehen, als Ausgangspunkt des Ballgekreisels. Und beide bilden sich etwas darauf ein, dass sie junge Spieler - oder eben: junge Torhüter - so erziehen können, dass sie nach abgeschlossener Erziehung genau diesen Fußball spielen.

Er habe Edwin van der Sar "gemacht", sagt Hoek gerne über den niederländischen Torwart von Manchester United, den er in gemeinsamen Anfangstagen bei Ajax Amsterdam als Prototypen des modernen Torwartspiels konzipierte. Öffentlich kommt Frans Hoek kaum vor, er ist wie van Gaal der Meinung, dass ein Torwarttrainer lieber hinter dem Tor stehen sollte als vor der Kamera. Intern könnte Hoek aber eine entscheidende Stimme haben, wenn es bald eine Frage zu beantworten gilt, die den Klub für lange Zeit prägen könnte. Die Frage lautet: Heißt der Bayern-Torwart in den nächsten Jahren Manuel Neuer oder nicht?

Am Wochenende wird Hoek den Kandidaten 90 Minuten lang bei der Arbeit überprüfen können. Das Duell der Schalker mit dem FC Bayern lenkt den Blick auf diese Personalie, um die es zuletzt erstaunlich ruhig geworden war. Vor Monaten galt es in der Branche noch als abgemachte Sache, dass der eingeborene Schalker Neuer im Sommer 2011 nach München überläuft. Inzwischen ist sich die Branche da nicht mehr ganz sicher.

Es sind kaum mehr offizielle Sätze zu diesem Thema im Umlauf, was ein solides Indiz dafür ist, dass hinter den Kulissen umso mehr gesprochen wird. Zuletzt drang aus den Kulissen die Kunde, wonach van Gaal die hohen Kosten für Neuer gerne sparen und statt dessen lieber den Bayern-Reservisten Thomas Kraft, 22, zum neuen Stammtorwart erziehen würde - unterstützt von seinem Joystick-Mann. Beide genießen es ja, das Copyright auf einen Profi zu besitzen, sie wollen Spieler "machen", so wie Hoek das mit van der Sar geschafft hat und van Gaal früher mit Seedorf und Kluivert oder zuletzt mit Müller und Badstuber. Thomas Kraft ist der perfekte Kandidat, um gemacht zu werden - ein exzellenter Torwart ist er schon, aber er ist noch kein "Torspieler". So nennt der radikale Hoek liebevoll seinen van der Sar.

Louis van Gaal liebt Torhüter, die das Spiel kontrollieren. Für ihn ist ein abgefangener Steilpass samt anschließender Spieleröffnung eine tollere Parade als ein Abenteuerflug ins Kreuzeck. Deshalb schätzt er auch Jörg Butt so sehr, der das Spiel mit seinem Oldenburger Temperament beruhigt und mit seiner Übersicht bestens zu Hoeks Spielansatz passt. Also noch ein weiteres Jahr Jörg Butt, und dann - ab 2012 - Thomas Kraft?

Eine Weile schien dies van Gaals bevorzugtes neues Szenario zu sein, aber wie man hört, existiert inzwischen ein allerneuestes Szenario, das dem Ursprungs- Szenario verdächtig ähnlich sieht. Frans Hoek hat sich inzwischen ausführlich mit Manuel Neuer befasst und schnell festgestellt, dass der 24-Jährige eigentlich der perfekte Torspieler ist. Neuer ist ein Torwart mit Füßen, seine Hände beherrscht er sowieso. Manchmal wirkt sein Spiel noch ein bisschen lausbubenhaft und leichtsinnig, trotzdem darf man davon ausgehen, dass Hoek seinem Chef diesen kleinen van der Sar ans Herz gelegt hat. Bayerns Bosse haben diese Personalie ohnehin immer befürwortet, weshalb Schalkes Manager Felix Magath auf einen neuen Münchner Vorstoß vorbereitet sein sollte. Auch der Fall Rensing dürfte dazu beitragen, dass Neuer bald wieder von den Bayern hört - die Verantwortlichen werden es sich eher nicht zutrauen, noch einmal einem unerfahrenen Keeper das Münchner Tor anzuvertrauen.

Am Ende dürfte es also doch so kommen, dass Manuel Neuer ins Münchner Tor einrückt, wobei Jörg Butt den Bayern eine komfortable Verhandlungsbasis verschafft. Sie müssen für Neuer nicht jeden Preis bezahlen, sie haben ja ihren zuverlässigen Oldenburger. Butt sei Dank könnten die Bayern warten, bis Neuer 2012 gar nichts mehr kostet. Kommt er schon 2011, würde Butt direkt seinen Nachfolgejob als Nachwuchskoordinator antreten, und der junge Kraft würde dann wohl wechseln, zu einem Klub mit einem Torwarttrainer, der ihn auch die Hände benutzen lässt.

© SZ vom 04.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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