Bundesliga-Duell Bayern gegen Dortmund:Zweiter Leuchtturm an der Spitze

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Vor dem Topduell zwischen Bayern und dem BVB kreisen die Debatten nur um ein Thema: Wer ist die stärkste Kraft im deutschen Fußball? Dortmund hat den Abstand sportlich und wirtschaftlich verkleinert. Allerdings zeigt der Erfolg erste Nebenwirkungen: Der Meister muss sich zunehmend damit beschäftigen, den eigenen Kader zusammenzuhalten.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Das Abstimmungsergebnis erinnerte an Parteitage aus der einstigen Sowjetunion. 98,3 Prozent der Aktionäre auf Borussia Dortmunds Hauptversammlung schmetterten den freundlichen Antrag eines Mit-Aktionärs ab, die Dividenden-Auszahlung möge doch bitte von mageren sechs auf immer noch magere acht Prozent des Jahresgewinns erhöht werden.

Die Aktionäre, so viel steht seit dem vergangenen Montag wohl fest, scheint die wirtschaftliche Rendite nicht zu interessieren, allein die emotionale zählt. Steckt den Gewinn in die Mannschaft und in weitere Meisterschaften - so muss man den Auftrag der Kapitalgeber des Klubs deuten. Ein Fanklubtreffen in Schlips und Kragen.

Vor dem fußballerischen Kräftemessen zwischen dem FC Bayern und Borussia Dortmund an diesem Samstag drängt sich der Systemvergleich auf wie nie zuvor. In den letzten 20 Bundesliga-Jahren holten die Bayern (zehn) und die Borussia (fünf) drei Viertel aller Meister-Titel. Und dies, obwohl sich der BVB zwischendurch am Rande der Insolvenz bewegte und noch 2005 als klinisch tot diagnostiziert wurde.

Sieben Jahre nach der Beinahe-Insolvenz hat Dortmunds Vorstands-Chef Hans-Joachim Watzke soeben mit 34,3 Millionen Euro den höchsten Jahresgewinn verkündet, den je ein Bundesliga-Klub erzielt hat. Zum neuen Selbstbewusstsein beim BVB tragen aber auch die bislang ebenso spektakulären Auftritte der Mannschaft in der aktuellen Champions-League-Saison bei.

Während man in Dortmund bis vor wenigen Monaten noch betont bescheiden von einer "ewigen Vormachtstellung des FC Bayern" sprach, sind Watzke und seine Mitstreiter inzwischen mutiger: "Der Abstand ist kleiner geworden. Bayern München wird auf ewig ein Leuchtturm sein. Wir sind aber dabei, in Dortmund einen zweiten Leuchtturm im deutschen Fußball zu errichten. Nur, dass der nicht rot-weiß ist, sondern schwarz-gelb."

Das sind Sätze, die nicht nur den Aktionären beim BVB runtergehen wie die westfälische Erbsensuppe, die in Dortmund bei schwarz-gelben Versammlungen traditionell gereicht wird. Das wohlige Gefühl von Gemeinschaft und Wagenburg, das sie in der krisenerprobten alten Hansestadt gerade wiederbeleben, soll schließlich nicht nur Aktionäre, Mitglieder und Fans erschaudern lassen; das Konzept der "eingeschworenen Gemeinschaft", wie Watzke es nennt, soll auch helfen, die Mannschaft zusammenzuhalten.

Die rockt gerade so eindrucksvoll die Champions League, dass Fußball-Scheichs und -Oligarchen reflexartig zum Scheckheft fingern. Egal, ob man Götze, Reus, Lewandowski, Gündogan, Subotic oder Hummels auch wirklich braucht - Hauptsache, sie sind zu kaufen.

"Dass unsere Spieler inzwischen auch für die zahlungskräftigen Vereine in Europa interessant sind, das ist nun mal so", sagt BVB-Manager Michael Zorc scheinbar unbeschwert: "Besser so, als wenn sich keiner für sie interessierte. Das ewige Gezerre, das dabei entsteht, gehört zu meinem Alltag. So ist der Job nun mal."

Pünktlich zum Gastspiel Dortmunds in München wurde deshalb wohl auch das Vertragspapier von Mario Götze an Sport-Bild lanciert, mit dem Detail, der 20-Jährige habe die Möglichkeit, 2013 aus seinem eigentlich bis 2016 laufenden Vertrag auszusteigen. Der Klub will das nicht kommentieren. Als Quelle der Indiskretion wird in Dortmund ein ehemaliger Mitarbeiter der Firma von Götzes Berater Volker Struth vermutet, der sich mit der Weitergabe der Information in München habe "beliebt" machen wollen.

Dabei, so funkt es auf Dortmunds Fluren, wolle der Super-Dribbler, der seit elf Jahren für den BVB kickt, gerade jetzt, nach den erstaunlichen Auftritten in der Champions League, mehr denn je langfristig bleiben. Wie auch sein Berater Struth eilig mitteilte.

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Doch die Spekulationen gehen weiter. Heute Götze, morgen wieder Lewandowski oder Hummels. Irgendwas ist immer. Klubs wie die Bayern, Barcelona, Manchester United oder Real Madrid zahlen auch weiterhin deutlich höhere Gehälter. Dortmunds Bilanz weist aus, dass der BVB beim Sponsoring mit 60 Millionen Umsatz den FC Bayern (80 Millionen) fast schon eingeholt hat und beim Merchandising gerade mit 350 000 verkauften Trikots neue Rekordmarken aufstellt. Mit dem Gesamtumsatz von gut 215 Millionen Euro ist der BVB in den "Top 10" in Europa gelangt. "Die Tendenz ist weiter steigend", sagt Watzke.

Aber noch immer leisten sich die Bayern vom Wirtschaftsprüfer testierte Personalkosten von insgesamt 166 Millionen Euro im Jahr und die Dortmunder mit 74 Millionen nicht mal die Hälfte davon.

"Es wird uns immer mal wieder ein Spieler verlassen", sagt Zorc, "aber wir haben bewiesen, dass wir das dann auch wieder ausgleichen können." Die prominenten Abgänge Nuri Sahin und Shinji Kagawa konnte die Borussia durch Ilkay Gündogan und Marco Reus tatsächlich ersetzen. Nicht wenige sagen, dass der BVB sich dabei sogar verbessert habe. Sahin (Liverpool) und Kagawa (Manchester United) pendeln in der Premier League zwischen Spielfeld, Ersatzbank und Lazarett. Die Erfahrungen der beiden werden von Dortmunds Profis genau beobachtet.

"Unsere Geschlossenheit" nimmt Watzke diese Vorlage aus England gerne auf, "stellt eine besondere innere Kraft dar. Man beäugt sich hier nicht gegenseitig, alles ist total offen. Es geht nicht alles nur übers Geld." Angesichts der neuen Wirtschaftskraft klingen solche Bekenntnisse nicht mehr wie das Pfeifen im Walde. "Man muss nicht naiv sein", glaubt Watzke, "um im Fußball ein Romantiker zu sein. Ich bin sonst nicht romantisch."

Im Fußball aber möchte er die irrationalen Kräfte beschwören, die es braucht, um seine Schar von Hochbegabten in Dortmund zu halten. "Am Mittwoch", erzählt er, "war ich in Basel und habe da die Laudatio auf unseren früheren Spieler Alex Frei gehalten. Davon haben wir nichts, davon habe ich nichts - außer der Freude, die mir das macht. Alex Frei ist eben ein verdienter Spieler von uns."

Ganz nebenbei hat Dortmund inzwischen auch ähnlich potente Wirtschaftspartner an seiner Seite, wie es die Bayern mit ihren Gesellschaftern Audi/VW und Adidas und ihren Werbepartnern Allianz und Telekom haben. Evonik, der größte Arbeitgeber in Nordrhein-Westfalen, Signal-Iduna oder Puma halten dagegen. Im Winter wird die neue Finanzkraft den Dortmundern erlauben, den Kader noch einmal nachzurüsten. "Druck", sagt Watzke, "hatte ich bis 2006, als ich manchmal abends nicht wusste, ob nicht über Nacht einer unserer Gläubiger den Stecker zieht und wir abstürzen. Alles, was wir jetzt machen, ist im Vergleich dazu harmlos."

© SZ vom 01.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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