Bundesliga: Bayern - Schalke:"Nö, nö, nö!"

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Der FC Bayern hat keine Zeit, sich dem 4:1 gegen Schalke 04 zu widmen - weil zu viele Randgeschichten den Verein beschäftigen. Dabei ist die Ausgangssituation in der Liga verheißungsvoll wie lange nicht mehr.

Jürgen Schmieder, Fröttmaning

Als die Partie gegen Schalke 04 beendet war, lief Bastian Schweinsteiger auf Arjen Robben zu. 4:1 hatte der FC Bayern das Spiel gewonnen, Schweinsteiger hatte gut, Robben sehr gut agiert - was sollte also anderes passieren als eine innige Umarmung oder ein freundschaftliches Abklatschen? Doch Schweinsteiger redete mit grimmiger Miene auf den holländischen Flügelspieler ein, ehe er ihn sanft auf die Wange tätschelte.

Gesprächsbedarf: Bastian Schweinsteiger (links) und Arjen Robben. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Es war eine kleine Szene nach einem großen Spiel für den FC Bayern, schließlich rückte der Verein aufgrund der Niederlage von Hannover 96 wieder auf den sportlich wie finanziell immens wichtigen dritten Tabellenrang vor. Und doch ist die Begegnung von Schweinsteiger und Robben nach dieser Partie stellvertretend dafür, wie es um die sensiblen Seelen der Münchner Fußballer bestellt ist: Der FC Bayern hat keine Zeit, sich diesem überaus überzeugenden 4:1 gegen Schalke 04 zu widmen - weil zu viele Randgeschichten den Verein beschäftigen.

Da ist zum einen die so genannte "Chefchen-Affäre". Arjen Robben hatte unter der Woche gesagt, dass er Mark van Bommel als Führungspersönlichkeit vermissen würde - was böse Journalisten als Kritik an den aktuellen Kapitänen Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger auslegten. Ein ganz böser Journalist hatte Schweinsteiger in einem Artikel gar als "Chefchen" bezeichnet, weshalb ihn der Mittelfeldspieler bei einem Pressetermin mit einigen Schimpfwörtern belegte.

Also zeigte Schweinsteiger während der 90 Minuten wort- und gestenreich, dass er ein wahrer Chef ist - und wer das nicht mitbekommen hatte, dem wurde nach dem Abpfiff noch der kleine Rüffel für Robben kameratauglich serviert. "Nö, nö, nö", sagte Schweinsteiger dann auch auf die Frage, ob er sich denn für seinen Wutausbruch entschuldigen wolle. Er habe in dem Moment gesagt, was er gedachte habe - nur zwei Worte hätte er so nicht unbedingt verwenden sollen.

Ein weiteres Thema, das nur wenig mit dem Geschehen auf dem Platz zu tun hatte, war die sportliche Zukunft von Manuel Neuer. Der versuchte nach der Partie, den Fragen danach geschickt auszuweichen, um am Ende doch recht deutlich zu sagen: "Ich will innerhalb Deutschlands wechseln!" Das ist als Absage an Manchester United und als Bekenntnis zum FC Bayern zu verstehen.

Die Münchner Anhänger dagegen lieferten sich während der 90 Minuten ein Duell - nicht darum, welches der vier schönen Tore sie am lautesten bejubeln sollten, sondern darum, wie sie mit dem wohl neuen Torwart umgehen sollten. Die einen beschimpften Neuer wüst und hielten im Fünf-Minuten-Takt Plakate hoch, die anderen feierten den Torhüter und pfiffen die eigenen Kollegen aus.

"Ich habe mich auf das Spiel konzentriert, deshalb habe ich das gar nicht mitbekommen", sagte Neuer danach, während die Münchner Akteure nochmals um Neuer warben. "Er ist ein sehr guter Torhüter, bei der WM in Südafrika hatten wir den Besten hinten drin", sagte Schweinsteiger: "Er würde auch von der Persönlichkeit her gut nach München passen. Aber mehr kann ich nicht sagen, weil ich nicht mehr weiß."

Es gibt noch weitere kleinere Themen wie etwa die Tatsache, dass manche Akteure (Badstuber, van Buyten, Contento, Klose) weiterhin verunsichert agieren, weil ihnen durchaus bewusst ist, dass die Verantwortlichen für ihre Planstellen bereits nach millionenschweren Zugängen forschen - oder dass Mario Gomez seit Wochen monoton nach dem Gewinn der Torjägerkrone gefragt wird und er seit Wochen monoton antworten muss: "Wenn ich mehr Tore erziele als Cissé, dann habe ich es verdient."

FC Bayern in der Einzelkritik
:Großer Chef und kleiner Chef

Bastian Schweinsteiger arbeitet beim 4:1 gegen Schalke gestenreich an seiner Rolle als Chef, Mario Gomez bastelt an seiner grandiosen Statistik und Thomas Müller zeigt, dass er bald Chef werden könnte.

Jürgen Schmieder, Fröttmaning

Kaum jemand durfte deshalb über dieses wahrlich ansehnliche 4:1 gegen Schalke 04 sprechen, das der FC Bayern mit einer innovativen 6-4-Taktik und spektakulären Spielzügen gestaltet hatte. Die vier Defensivspieler und die beiden defensiven Mittefeldspieler Schweinsteiger und Timoschtschuk agierten bis auf den kleinen Schockmoment des Gegentreffers äußert sicher, nach Ballgewinn gaben sie das Spielgerät schnell nach vorne weiter.

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:Großer Chef und kleiner Chef

Bastian Schweinsteiger arbeitet beim 4:1 gegen Schalke gestenreich an seiner Rolle als Chef, Mario Gomez bastelt an seiner grandiosen Statistik und Thomas Müller zeigt, dass er bald Chef werden könnte.

Jürgen Schmieder, Fröttmaning

Dann bot sich den Zuschauern ein ebenso wundersames wie unterhaltsames Bild. Die sechs defensiven Akteure blieben ruhig stehen und sahen ihren vier Offensiv-Kollegen zu, wie ein Herrchen seine Hunden beim Herumtoben betrachtet.

Thomas Müller, Arjen Robben, Franck Ribéry und Mario Gomez wirbelten die Schalker Abwehr derart durcheinander, dass der FC Bayern bereits drei Tore (Robben, Müller, Gomez) erzielt hatte, ehe Manuel Neuer zum ersten Mal den berührte. Müller traf in der zweiten Halbzeit erneut - und der Sieg der Münchner hätte noch höher ausfallen können, wären die Herumtobenden nicht allzu schludrig mit ihren Chancen umgegangen.

"Wir haben das Bällchen schön laufen lassen", sagte Thomas Müller - und wurde fast wehmütig, als er anmerkte, wie enttäuschend es doch angesichts solcher Spiele sei, was der FC Bayern aus dieser Spielzeit gemacht habe. Die Münchner spielen in den verbleibenden beiden Partien der Saison (in St. Pauli und gegen Stuttgart) darum, Platz drei zu erreichen und damit an der Qualifikation zur Champions League in der kommenden Spielzeit teilnehmen zu dürfen.

"Ich gehe davon aus, dass wir das jetzt durchziehen", sagte Müller: "Wir holen die Kuh vom Eis." Dieser Satz ist - um Missverständnissen sogleich vorzubeugen - kein versteckter Affront gegen Schweinsteiger oder Lahm und auch kein Statement zum möglichen Transfer von Manuel Neuer.

Es ist nur der Hinweis, dass Müller fest davon überzeugt ist, dass der FC Bayern nach einer schwierigen Saison noch das Minimalziel erreichen wird.

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