Gehälter im Fußball:Der große Verzicht folgt erst noch

Fußball Champions League Achtelfinale Borussia Dortmund - Paris Saint-Germain am 18.02.2020 im Signal Iduna Park in Dort; Emre Can und Erling Haaland

Hochbezahlte Winter-Zugänge: Erling Haaland (li.) und Emre Can.

(Foto: imago images/Revierfoto)
  • Beim FC Bayern, in Dortmund oder Mönchengladbach haben sich die Profis zu einem Gehaltsverzicht bereit erklärt.
  • Doch es zeichnet sich ab, dass die nächsten Denkmodelle weiter gehen, noch radikaler sein werden.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Gehaltskürzungen bei Fußball-Profis? Wegen eines Virus? Noch vor fünf, sechs Tagen hielt es Borussia Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke für "eher unwahrscheinlich", dass Spieler und vor allem deren Berater zustimmen würden. Aber die Lernkurven sind gerade oft ähnlich exponentiell wie die Graphen für Neuinfektionen und die erschütternden Todesraten. Dienstagnachmittag meldete der BVB fast schon dezent, dass sich alle Profis des Bundesliga-Zweiten zu erheblichem Gehaltsverzicht bereit erklärt haben. Ähnliche Meldungen trudeln vom FC Bayern, Borussia Mönchengladbach oder Schalke 04 ein. Nationaltorwart Manuel Neuer bezeichnet den - geschätzt - 20-prozentigen Soli-Beitrag der Münchner Profis als "Selbstverständlichkeit".

In Dortmund hüllen sie sich offiziell in Schweigen, wie hoch der Verzicht der Profis ausfällt. Kommuniziert hat der BVB lediglich, dass dabei ein "zweistellige Millionensumme" herauskommen könne. Der Klub dementiert nicht, dass die Spieler linear auf zwanzig Prozent ihrer Gehälter verzichten, wenn gar nicht gespielt wird, und auf zehn Prozent, wenn es sogenannte "Geisterspiele" gibt, bei denen kein Publikum im Stadion zugelassen ist und somit alle direkten Zuschauereinnahmen ausfallen. Der BVB ist mit seiner "Kommanditgesellschaft auf Aktien" börsennotiert und muss daher seine Ausgaben fürs Personal veröffentlichen, im Gegensatz zu allen anderen Bundesligisten. Allerdings erst später, in seiner Jahresbilanz.

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Derzeit muss man beim BVB wohl mit gut 150 Millionen Euro Gehaltsvolumen rechnen, nicht zuletzt wegen der hochbezahlten Winterzugänge Emre Can (von Juventus Turin) und Erling Haaland (von RB Salzburg). Im Sommer 2019 verpflichtete Topverdiener wie Mats Hummels und Julian Brandt schlagen ebenfalls zu Buche. Auch Profis wie Marco Reus oder Mario Götze werden in der Region von zehn Millionen Euro Jahresgehalt taxiert.

Stimmung erlaubt keine Sonderrechte für Fußball-Millionäre

Der BVB hat insgesamt 850 Angestellte, darunter überwiegend Normalverdiener, auch Teilzeitkräfte. Alle zusammen dürften den Klub nicht viel mehr als 20 Millionen Euro pro Jahr an Gehältern kosten, in etwa so viel wie zwei Profi-Topstars. Es ist also klar, wo bei Europas Top-Profiklubs das größte Einsparungspotential liegt.

Dass Watzke mit seinem Pessimismus nicht recht behielt, mag daran liegen, dass die meisten Profis die Nachrichtenlage durchaus verfolgen. Trotzdem, so hört man, wurden die Spieler auch über die allgemeine Corona-Situation informiert. Spielern aus anderen Heimatländern wurde nahe gelegt, auf keinen Fall Deutschland und Dortmund zu verlassen, weil die medizinische Situation hier drastisch besser sei, als zum Beispiel in Frankreich, Spanien oder Großbritannien. Nennenswerten Widerstand gegen den Gehaltsverzicht soll es bei keinem Profi gegeben haben. Wie man hört, hätten sich die meisten nicht von ihrem Berater vertreten lassen, sondern für sich selbst entschieden.

Ausschlaggebend dürfte auch in Dortmund sein, dass alle fünf zahlungskräftigen Ligen in Europa in gleichem Umfang durch die politischen Rahmenrichtlinien der Regierungen stillgelegt sind. Drohungen, sich schnell und möglicherweise ablösefrei ins Ausland oder zu einem anderen Bundesligisten abzusetzen, wie Spielerberater sie sonst wohl schnell formuliert hätten, entfallen derzeit. Selbst in England, wo die Premier League mit utopischen Fernsehgeldern und dank ihrer externen Geldgeber, den Scheichs, Ölmagnaten oder Hedgefonds, normalerweise die Gehälter und Transfersummen in den Himmel treiben kann, haben sie bitter gelernt, dass die Stimmung der Nation keine Sonderrechte für Fußball-Millionäre mehr erlaubt.

Von Italiens Serie A und Spaniens La Liga ganz zu schweigen. In deren Ländern dürfte das Durchziehen von Profifußball nur noch als Geschmacklosigkeit empfunden werden, angesichts der Katastrophe in Kliniken und Pflegeheimen und von 500, 600, 800 Verstorbenen pro Tag dort.

Die nächsten Denkmodelle werden viel weiter gehen müssen

Noch dämmert es den meisten Beteiligten der Fußball-Blase wohl nur, wie einschneidend die mittel- und langfristigen Auswirkungen sein werden. Bisher sind offiziell zwar nur die Spiele bis 30. April abgesetzt. Dementsprechend sind auch die Vereinbarungen der Dortmunder mit den Profis höchst vage. So gut wie niemand geht aber derzeit davon aus, dass man ab Anfang Mai wieder spielen kann. "Wir wollen die Saison zu Ende bringen", heißt es in Dortmund wie fast überall. Man muss jedoch kein pessimistisches Naturell wie BVB-Boss Watzke sein, um das für schwierig zu halten. Erschienen noch vor gut einer Woche "Geisterspiele" als klare Option, die man nur rein organisatorisch hinbekommen müsste, wissen sie in Dortmund genau wie anderswo im Fußballland, dass die Isolation von ein paar Spielern, Betreuern und "dem absoluten Minimum an Fernsehleuten" in einem ansonsten leeren Stadion, Stand heute, auf wachsenden politischen und gesellschaftlichen Widerstand treffen wird. Tendenz anschwellend.

Dortmunds Spieler und ihr Management werden sich, wie alle anderen Profis in Europas Top-Ligen, Tag für Tag in weitere Verzichts-Szenarien hinein denken müssen. Nach Absage der Olympischen Spiele im Juli und August gibt es ein überdeutliches Signal, dass man nicht einmal mehr fest mit dem Juni als Rettungsmonat für das Zu-Ende-Spielen der Saison rechnen kann. Die nächsten Denkmodelle werden viel weiter gehen, radikaler sein müssen, als der bisherige, überschaubare Verzicht.

Auch die sportliche Führung des BVB verzichtet

Juristen weisen bereits darauf hin, dass die Spielerverträge keineswegs zwingend am 30. Juni enden müssen, weil sie sich in erster Linie auf Spielzeiten beziehen. Kann also sein, dass die Saisons der großen Ligen bis September oder noch länger erweitert werden. Kann sein, dass Transferfenster für den Wechsel von Spielern verschoben werden, oder ganz geschlossen. Kann sein, dass die Fußball-Verbände, der Weltverband Fifa und die europäische Uefa, Vertragssituationen ganz neu bewerten und dafür Richtlinien herausgeben. "Wir verabschieden uns alle zwei, drei Tage von einem Denkverbot nach dem anderen", hört man beim BVB. Vor dem Szenario einer nicht zu Ende gespielten Saison werden die Profis, sogar die Super-Verdiener, in wenigen Wochen vielleicht noch ganz andere Zugeständnisse bei ihrer Bezahlung machen müssen. Um den Kollaps ihres bisherigen Gehalts-Biotops zu verhindern.

Geschäftsführer Watzke, Sportdirektor Michael Zorc, Lizenzabteilungs-Chef Sebastian Kehl und Trainer Lucien Favre haben beim BVB ebenfalls Gehaltsverzicht geleistet. Bei Watzke sind es - wohl auch als Beispiel für alle gedachte - 30 Prozent. Selbst er würde in der Dormunder Profi-Mannschaft mit seinen normalerweise circa 1,9 Millionen Euro Jahresgehalt eher zu den Nachwuchsleuten gehören. Sein persönlicher Verzicht macht deshalb nicht einmal ein Monatsgehalt von einem seiner Topstars bei den Borussen aus.

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