Bayer Leverkusen:Sie gewinnen einfach immer weiter

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Tor zum zwischenzeitlichen 2:1: Leverkusens Adam Hlozek (2. von links) trifft gegen Freiburg. (Foto: Gerd Gruendl/Imago)

Restlos berauschend spielt Leverkusen diesmal nicht. Dennoch gelingt in Freiburg ein 3:2-Sieg, der den Zehn-Punkte-Vorsprung auf den FC Bayern wahrt. Der Tabellenführer profitiert auch von einem Torwartfehler.

Von Christoph Ruf

Am Sonntag zeigte die Stadionzeitung des SC Freiburg einen erwartungsvoll lächelnden Lucas Höler auf ihrem Titelblatt. Die Arme weit ausgebreitet blickte der Stürmer fröhlich, aber mit etwas fragendem Blick in die Ferne. Titelzeile: "Seid ihr bereit?"

Nach 85 Sekunden Spielzeit musste man die Frage aus Freiburger Sicht mit einem klaren "Nein" beantworten, denn da traf Florian Wirtz zum Leverkusener 1:0 (2.). Und das dank seiner Technik - natürlich - auf spektakuläre Art und Weise. Aber "nicht zu verteidigen", wie SC-Trainer Christian Streich über Wirtz' Treffer im Hinspiel geurteilt hatte, als auch sechs Freiburger Defensivspieler nichts gegen den 20-Jährigen hatten ausrichten können - nein, solch eine Naturgewalt war dieses 0:1 im Rückrundenspiel nicht. Dazu stellten sich zuerst Matthias Ginter und dann Nicolas Höfler bei der "Schussfinte" (Wirtz über Wirtz) zu unentschlossen an.

Auch Freiburg hat einen Wirtz-Moment - doch SC-Torwart Atubolu patzt

Nach dem 0:5 am Donnerstag bei West Ham United, mit dem ein defensiv zuweilen dilettantischer SC kein passendes Ende einer an sich sehr erfreulichen Europa-League-Saison fand, schien dieser Beginn dann ganz gut ins Bild zu passen. Doch anstatt in eine ähnliche Gegentor-Kaskade wie in London hineinzurutschen, wehrte sich der Sportclub, verdichtete gekonnt die Räume und spielte vor allem im ersten Durchgang auch guten Fußball. Am Ende aber stand dann trotzdem ein Leverkusener 3:2-Erfolg.

Der 1:1-Ausgleich von Ritsu Doan nach flüssigem Dribbling und sattem Schuss (14.) war fast so etwas wie ein Freiburger Wirtz-Moment. Dass es dann dennoch mit einer Führung für die Gäste in die Pause ging, hatte dann weniger mit Leverkusener Offensiv-Brillanz als mit dem Freiburger Torwart Noah Atubolu zu tun. Der 21-Jährige machte sich eines schweren Verstoßes gegen den Torwart-Ethos schuldig, als er Angst um den eigenen Körper zeigte. Anstatt sich Patrik Schick mit Kopf und Armen voraus entgegenzustürzen, was ihm als Lohn den Ball gebracht hätte, ging er mit dem Fuß voraus ins Duell. Den nun nicht mehr zu kontrollierenden Ball schob Adam Hlozek zum 2:1 ein.

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Eine verdiente Führung war das dann schon, wenngleich es bis dahin bei Leverkusen noch nicht so viele jener Momente gegeben hatte, die Fußballfans dieser Tage so oft ins Schwärmen versetzen, wenn sie über den designierten Meister sprechen. Restlos berauschend spielte Bayer am Sonntag nicht, so mancher ungewohnte Fehlpass war auch im Spiel. Und, ja, zuweilen fehlte auch ein wenig das übliche Leverkusener Tempo. Doch zum einen fiel das nicht so sehr auf, weil Freiburg auch nicht 90 Minuten durchpowerte. Und zum anderen war der Energie-Abfall erklärbar, schließlich hatten beide Mannschaften noch am Donnerstag kraftraubende internationale Matches absolviert.

Schick trifft schick - "Wenn du oben stehst, geht der Ball halt zweimal an den Pfosten und von da ins Tor"

Immerhin: Als Schick nach dem Seitenwechsel dann zum 3:1 traf, war das ein Beleg für die auch von SC-Trainer Christian Streich zitierte "große individuelle Klasse" des Teams: Eine schöne Hereingabe von Jeremie Frimpong ließ der Tscheche vom linken Fuß abtropfen - und drin war er (53.). "Überragend gemacht", sagte auch Freiburgs Vincenzo Grifo. "Aber wenn du oben stehst, geht der Ball halt zweimal an den Pfosten und von da ins Tor." Das gab auch Schick zu, der den Sieg indes verdient fand: "Wir hatten das Spiel bis zur 80. Minute unter Kontrolle, dann haben sie leider noch ein Tor gemacht." So sah es auch Sport-Geschäftsführer Simon Rolfes: "Wir haben das Spiel auch in der zweiten Halbzeit klar dominiert und hatten auch die besseren Chancen." SC-Trainer Streich, der am Montag offiziell bekanntgeben möchte, ob er im Sommer nach dann zwölfeinhalb Jahren in dieser Position aufhört oder doch noch eine Saison weitermacht, monierte derweil, dass "alle 50:50-Entscheidungen für Leverkusen gepfiffen" worden seien.

Im besagten zweiten Durchgang, den nicht nur Rolfes als bessere Leverkusener Hälfte beurteilte, hatten Alejandro Grimaldo (58.) und Granit Xhaka (87.) weitere Chancen. Doch es wurde noch einmal knapp, als Freiburg durch Yannik Keitel auf 2:3 verkürzte (79.), nachdem auch Atubolus Leverkusener Pendant Lukas Hradecky ein wenig gepatzt hatte. Schließlich blieb es beim 22. Saisonsieg für die Werkself - und somit beim Zehn-Punkte-Vorsprung auf den FC Bayern, den Lucas Höler im Innenteil des Stadionheftes als "beste Mannschaft Deutschlands" bezeichnet hatte.

Das dürfte er allerdings ganz grundsätzlich, als Quintessenz der letzten Jahrzehnte, gemeint haben. Denn dass Leverkusen ein würdiger Meister wäre, wollte nach dem Spiel auch im Freiburger Lager niemand bestreiten.

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