Bundesliga-Auftakt:Pragmatische Bayern im Glück

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Erleichterung beim den Bayern-Spielern nach der Führung durch Robert Lewandowski (Mitte). (Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Der FC Bayern gewinnt zum Bundesliga-Auftakt mit 3:1 (1:0) gegen die TSG Hoffenheim.
  • Der Elfmeterpfiff vor dem 2:1 sorgt für Aufregung. Selbst Münchens Trainer Kovac gibt zu: "Den hätte ich nicht gegeben."
  • Kingsley Coman verletzt sich und droht länger auszufallen.
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Aus dem Stadion von Benedikt Warmbrunn, München

Es war noch keine halbe Stunde gespielt, als Niko Kovac sich eine bequeme Regenjacke überzog. Die ersten Minuten war er in einem figurbetonten Outfit an der Seitenlinie gestanden, weiße Sneakers, beige Hose, weißes Hemd unter dem dunklen Pullover; der neue Trainer des FC Bayern legt viel Wert auf seine Erscheinung, bei Spielen sieht er sich als ersten Repräsentanten des Klubs. Aber Kovac stand ja nicht allein an der Seitenlinie, um schön auszusehen. Und es nieselte, ohne Unterlass, seit fast einer halben Stunde. Also entschied sich Kovac für die bequeme, nicht wirklich figurbetonte Regenjacke.

Julian Nagelsmann ein paar Meter die Linie hinunter trug übrigens weiterhin lediglich ein weißes Hemd.

Das mit der Regenjacke war nur eine nebensächliche Erscheinung an diesem Freitagabend, dem Auftaktabend der 56. Bundesligasaison. Und doch war es eine Erscheinung, die auch für das große Ganze stand. Es war eine pragmatische Entscheidung. Eine Entscheidung also, wie sie typisch ist für den FC Bayern unter seinem neuen Trainer.

Kovac wählt eine mutige Aufstellung

3:1 (1:0) gewann die Mannschaft gegen Hoffenheim, sie spielte dabei aber keinen futuristischen Fußball, sie berauschte nicht. Aber sie machte lange genau das, was sie machen wollte. Nicht mehr. Nicht weniger. Der FC Bayern unter Kovac, das war am Freitag ein Team, das beherrscht auftrat, das sich nicht auf Ballbesitzgeschiebe verließ, sondern auch auf ein paar beschleunigende Elemente. Lange Bälle, Flanken, präzise Standards. Kovac' Problem war jedoch vor allem in der Mitte der zweiten Halbzeit, dass auch Hoffenheims Trainer Nagelsmann für sein Team einen pragmatischen Ansatz gewählt hatte.

Sieben Wochen lang hat Kovac bislang den FC Bayern trainiert, sieben Wochen waren das, in denen er sich Gedanken machen konnte darüber, wie er mit diesem Kader umgehen will. Spielt Thomas Müller, über den Louis van Gaal einst sagte, dass er immer spielt, der Müller? Wie sehr setzt Kovac auf die inzwischen doch auch gealterten Flügeldribbler Franck Ribéry und Arjen Robben? Wer spielt von den drei Innenverteidigern, die Kovac alle als Weltklasse bezeichnet hat? Die Aufstellung gegen Hoffenheim war auf ihre Art auch eine Abschlussarbeit dieser sieben Wochen, sie stand dafür, wie mutig Kovac seine eigenen Ansichten gleich einbringt.

Nun, er war durchaus erhöht mutig.

Müller, der zuletzt bei der WM spielte, ohne gesehen zu werden, spielte. Von den Flügelroutiniers durfte Ribéry beginnen, nicht aber Robben, der doch so bekannt ist für seinen Zorn über jede Minute, die er auf der Bank verbringt. Und die Innenverteidigung bildeten Jérôme Boateng und Niklas Süle. Auf der Bank saß also Mats Hummels. Es war vielleicht schon ein kleines Anzeichen dafür, wie Kovac seine Abwehrmitte am liebsten sieht, ganz sicher aber war es ein Zugeständnis an die Qualitäten des Gegners. Es komme, hatte Kovac am Donnerstag gesagt, darauf an, Hoffenheim keine Räume zu bieten. Also entschied er sich für seine schnellsten Innenverteidiger, für Boateng und Süle.

Er wollte sich bloß nicht überrumpeln lassen von Nagelsmann, dem Mann im weißen Hemd, der vor wenigen Tagen gesagt hatte, dass er das Maximale anstrebe, die Meisterschaft also. Und wann sollte er diesen Worten Taten folgen lassen, wenn nicht in München, beim Titelverteidiger?

Nagelsmann stellte seine Mannschaft so auf, wie Kovac das im vergangenen Jahr als Frankfurter Trainer gemacht hatte: körperbetont, rustikal, stets lauernd, so spielte die TSG. Und in keiner einzigen Lage gaben sich die Gäste auf.

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Kovac' Spieler ließen sich daher erst gar nicht in Situationen locken, in denen sie hätten ausgekontert werden können. Sehr sachlich strukturierten sie das Spiel, angeleitet von Kovac mit gelegentlichen Pfiffen. Hoffenheim kam so lange zu keiner nennenswerten Torchance, dafür lief Süle einmal Vincenzo Grifo ab (18.). Selbst erzeugte der FC Bayern zwar auch wenig Gefahr, obwohl sie es mal mit langen Bällen versuchten, mal mit Flanken. Dann, in der 23. Minute, gab es eine dieser Situationen, die Kovac verstärkt hat trainieren lassen: eine Standardsituation. Joshua Kimmich flankte einen Eckball scharf in die Mitte, und dort stand der Instinktfußballer Müller ganz frei. Kopfball, Tor. Müller ist nun der erste Spieler der Bundesligageschichte, der dreimal das erste Tor der Saison erzielt hat.

Erst zum Ende der ersten Halbzeit nahm die Partie an Tempo auf. Hoffenheims Joelinton traf den Ball in aussichtsreicher Position nicht richtig (34.). Kingsley Coman traf die Hand von Oliver Baumann - so stark, dass der TSG-Torwart sie schütteln musste (37.). In der Nachspielzeit traf Nico Schulz den oft gefoulten Kingsley Coman, der Franzose musste ausgewechselt werden. Für ihn kam, unter dem Jubel der Fans: Arjen Robben. "Es sieht im Moment nicht so gut aus, er hat starke Schmerzen. Ich hoffe, es ist nichts Ernstes", erklärte Trainer Kovac nach dem Spiel zur Verletzung Comans. Eingehende Untersuchungen am Samstag sollen genauere Aufschlüsse über die Schwere der Verletzung geben.

Zur zweiten Halbzeit endete der Nieselregen, also verzichtete Kovac auf seine Regenjacke. Ansonsten änderte sich in der ersten Minuten am Spiel allein, dass Hoffenheim die Gastgeber noch rustikaler bedrängte, sie zu Fehler zwingen und entnerven wollte. Zunächst gelang das nicht, Robben verfehlte mit einem Distanzschuss das Tor (54.). Dann aber, vier Minuten später, hatten die Gäste sich bis an den Münchner Strafraum gedrängt, Adam Szalai kurvte geschickt an Boateng vorbei, ein humorloser Schuss, der Ausgleich.

Doch auch diese Halbzeit wurde erst gegen Ende richtig aufregend. In der 78. Minute foulte der eingewechselte Havard Nordtveit im Strafraum Ribéry. Es war kein glasklarer Elfmeter, "den hätte ich nicht gegeben", gab auch Niko Kovac fairerweise zu. Den schwachen Elfmeter von Robert Lewandowski wehrte Baumann ab, erst im Nachschuss traf Robben (79.). Doch weil Lewandowski im Anlauf zweimal verzögert hatte, war Robben zu früh in den Strafraum gelaufen, nach Ansicht der Videobilder wurde der Elfmeter wiederholt, weil auch ein Hoffenheimer zu früh im Strafraum gesichtet wurde. Nun traf Lewandowski mit Eiseskälte (82.).

Vier Minuten später führte der FC Bayern für ein paar Augenblicke ein erstes Mal mit zwei Toren Vorsprung, der ehemalige Schalker Leon Goretzka hatte geschossen, Müller den Ball ins Tor abgefälscht. Doch wieder musste der Videoassistent bemüht werden, und weil Müller den Ball mit dem Ellbogen berührt hatte, zählte auch dieses Tor nicht. Den Endstand erzielte Robben dann unwiderruflich in der 90. Minute nach feinem Müller-Assist.

An der Seitenlinie war Kovac für einen Moment ganz unsachlich. Er sprang sogar ein bisschen herum, so sehr freute er sich, dass ihm seine Abschlussarbeit doch noch gelungen war.

Und auch Arjen Robben sah keinen Grund mehr, sich darüber zu ärgern, dass er zu Beginn nur auf der Bank gesessen hatte. Na ja, fast. Auf die Frage, ob er sich geärgert habe, antwortete der Niederländer lachend: "Ja."

© SZ vom 25.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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