Dressur-WM in Herning:Aus dem Schatten seiner Schwester

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Im Einklang und gut vorbereitet: Benjamin Werndl auf Famoso. (Foto: Ralf Treese/Imago)

Doppel-Olympiasiegerin Jessica von Bredow-Werndl ist eine der erfolgreichsten deutschen Dressurreiterinnen. Zur WM fährt diesmal aber ihr Bruder Benjamin - 17 Jahre nach seiner letzten internationalen Medaille.

Von Sabine Neumann

17 Jahre sind eine lange Zeit, nicht nur für ein Sportlerleben. 2005 war es, George W. Bush hatte gerade seine zweite Amtszeit als US-Präsident begonnen, aus Joseph Ratzinger war Papst Benedikt geworden und Angela Merkel wurde Bundeskanzlerin, da gewann der Dressurreiter Benjamin Werndl bei der Europameisterschaft der Jungen Reiter in Italien zum letzten Mal Teamgold und hinter seiner Schwester Jessica Einzelsilber. Dreimal war er als Jugendlicher Mannschaftseuropameister, einmal EM-Zweiter, dazu kamen etliche Medaillen bei deutschen Meisterschaften. Danach aber vergingen viele Jahre, bis sich die Geschwister mit geeigneten Pferden im internationalen Spitzensport etablieren konnten.

In diesen Tagen geht auch für Benjamin Werndl ein Traum in Erfüllung. Mit inzwischen 38 Jahren gehört er zum deutschen Dressurteam für die Weltmeisterschaft im dänischen Herning, die an diesem Samstag mit dem Mannschaftswettbewerb beginnt. "Ich bin glücklich und erleichtert, dass ich es geschafft habe", sagte er nach seiner Nominierung, "ich freue mich riesig." Er, der Bruder der Doppel-Olympiasiegerin Jessica von Bredow-Werndl, ist nun ebenfalls im Kreis internationaler Medaillenanwärter angekommen.

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Seiner Schwester gelang der Durchbruch früher, 2013 mit Unee. Parallel baute sie Dalera für die Königsklasse auf und arbeitete sich mit der Trakehnerstute stetig an die Weltspitze. Das Duo gehörte 2018 bei den Weltreiterspielen in Tryon/USA zum deutschen Siegerteam. Im vergangenen Jahr wurde von Bredow-Werndl mit ihrer "Queen" doppelte Olympiasiegerin, Triple-Europameisterin und deutsche Meisterin in Grand Prix Spezial und Kür. In diesem Jahr siegte das Paar souverän im Weltcup-Finale in Leipzig. Die Weltmeisterschaft wird allerdings ohne die Weltranglistenerste stattfinden, denn sie erwartet in Kürze ihr zweites Kind, ein Mädchen.

"Ich habe manchmal gezweifelt, ob ich es irgendwann ins deutsche Team schaffe. Aber ich war nie verzweifelt."

Während seine Schwester in den vergangenen Jahren also auf der Überholspur unterwegs war, lief es für Benjamin Werndl nicht immer rund. Ist es schwierig, im Schatten der Schwester zu stehen? "Nein, das ist es nicht, weil ich Jessis Erfolg auch als meinen sehe", sagt der Berufsreiter und blickt von der Piazza Richtung Dressurplatz. Auf dem Asphalt klappern Hufe. Ein paar Pferde werden in die Führanlage gebracht. Vier- bis fünfmal am Tag kommt jedes Tier aus seiner Box, Koppelgang eingeschlossen. Die Reitanlage bei Rosenheim mit rund 50 Pferden, mehr als 20 Mitarbeitern und zahlreichen Kunden aus dem In- und Ausland leiten die Geschwister gemeinsam. Beide verfolgen dasselbe Ziel. "Wir wollen der führende Dressurausbildungsstall sein. Der sportliche Erfolg von uns allen tut dem Unternehmen sehr gut", erläutert Werndl.

"Ich sehe Jessis Erfolg auch als meinen": Jessica Bredow-Werndl mit Goldmedaille in Tokio. (Foto: Moritz Mueller/imago images)

Einige Male war er nah dran an einem Platz im deutschen Team. 2018 stand der studierte Betriebswirtschaftler mit Daily Mirror auf der Longlist für die Weltreiterspiele. 2019 wurde er in den Olympiakader berufen. Doch alle Chancen auf eine Championatsteilnahme rückten in weite Ferne, als sich 2020 nacheinander seine beiden Pferde verletzten. Werndl brauchte Geduld. "Ich habe manchmal gezweifelt, ob ich es irgendwann ins deutsche Team schaffe. Aber ich war nie verzweifelt", versichert er. "Ich mache ja das, was ich liebe: Pferde ausbilden und Reiter trainieren." Mit jedem Pferd habe auch er sich weiterentwickelt und dieses Wissen weitergegeben, sagt der Vater dreier Töchter. "Die vielen kleinen Fortschritte auf dem Weg begeistern mich genauso wie das Endprodukt. Aus den Pausen habe ich immer etwas Positives gezogen, und ich hatte mehr Zeit für die Familie."

Die Bundestrainerin ruft vor der WM ein Jahr des Umbruchs aus

Famoso, Werndls WM-Partner, kehrte im November 2021 in den Turniersport zurück, Daily Mirror erst im Mai 2022. Vor gut einem Monat beim CHIO Aachen trug der deutsche Teamreiter bei seinem Nationenpreis-Debüt mit dem 13-jährigen Oldenburger zum zweiten Platz bei. In der abschließenden Kür platzierte sich das Duo an sechster Stelle. Auch in der CDI-Tour fiel Werndl durch einfühlsames und zugleich präzises Reiten auf und wurde mit Daily Mirror Zweiter im Grand Prix Special. Besonders freute ihn, dass sich der 18-jährige Routinier nach seiner langen Auszeit so frisch und motiviert präsentierte, dass er als Reserve für die WM nominiert wurde.

Vor sechs Jahren vertraute Flora Keller Werndl ihre Pferde an. Ihre Schwester Beatrice Bürchler-Keller, eine ehemalige Schweizer Dressurrichterin und Besitzerin von Dalera, Ferdinand und anderen, unterstützt Jessica von Bredow-Werndl seit 2012. "Wir sind sehr dankbar, dass wir so gute Partner haben", sagt Werndl. Natürlich wird auch Flora Keller nach Herning reisen, ebenso wie Werndls Eltern und seine Frau Katrin. Schwester Jessica wird ihn von zu Hause aus unterstützen.

Deutschland ist zwar Titelverteidiger, doch die Favoritenrolle fällt diesmal den dänischen Gastgebern zu. In den Einzelfinals haben die Dänin Cathrine Laudrup-Dufour und Vamos Amigos die besten Chancen. Die deutsche Mannschaft tritt in derselben Besetzung an wie in Aachen. Isabell Werth reitet Quantaz. Neben Werndl und Famoso stehen auch Ingrid Klimke und Franziskus sowie Frederic Wandres und Duke of Britain zum ersten Mal im deutschen Championatsteam. Es sei ein Jahr des Umbruchs, betont Bundestrainerin Monica Theodorescu.

Für Benjamin Werndl gehören neben dem Training der Pferde auch spezielle Fitnessübungen zur Stabilisierung und Mobilisierung sowie Atemübungen und Meditation zur täglichen Routine. "Es geht darum, mit dem Pferd ins Gleichgewicht zu finden, präsent und fokussiert zu sein. Darauf konzentriere ich mich." Solche ganzheitlichen Ansätze kannte man vor 17 Jahren noch nicht. Benjamin Werndl jedenfalls ist vorbereitet.

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