Borussia Mönchengladbach:Der neue Herr der Fohlen

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32 Jahre Berufserfahrung bei der Borussia: Roland Virkus begann 1990 seine Tätigkeit im Klub als Trainer verschiedener Jugendmannschaften. (Foto: van der Velden/Fotostand/Imago)

Der langjährige Nachwuchs-Koordinator Roland Virkus folgt auf Max Eberl als Sportdirektor in Mönchengladbach. Den Verantwortlichen gelingt damit ein interessanter Kunstgriff.

Von Ulrich Hartmann

Stallgeruch ist bei Borussia Mönchengladbach ein durchaus ehrenwerter Begriff. Seit in den Siebzigerjahren eine junge Borussia-Mannschaft erfolgreich durch die Fußballwelt galoppierte, werden die Spieler dieses Klubs "Fohlen" genannt. Das Fußballinternat der Borussia heißt offiziell Fohlenstall.

Seit vor drei Wochen Borussias erschöpfter Sportdirektor Max Eberl in einer emotionalen Pressekonferenz überraschend zurückgetreten war, hat die Branche gerätselt, wer einen Mann mit derart viel Stallgeruch wohl adäquat ersetzen kann. Der 48-Jährige war in Mönchengladbach sechs Jahre Spieler, vier Jahre Nachwuchs-Koordinator und 13 Jahre Sportdirektor.

Am Dienstag hat die Borussia ihren neuen Sportdirektor vorgestellt, und er hat doch tatsächlich sogar noch neun Jahre mehr Stallgeruch als Eberl mit seinen 23 Dienstjahren. Der gebürtige Mönchengladbacher Roland Virkus, 55, hat als Fan Borussia-Spiele auf dem Bökelberg gesehen, begann 1990 seine Tätigkeit im Klub als Trainer verschiedener Jugendmannschaften, wurde später Leiter des Fußballinternats und 2008 Eberls Nachfolger als Nachwuchs-Koordinator. Am Dienstag folgte Virkus ihm auch in der Funktion des Sportdirektors nach. Insofern ist das keine große Überraschung.

Eine kleine Überraschung ist diese interne Lösung dann aber doch, weil Eberl seine eigene Position binnen 13 Jahren zu einer weithin attraktiven Position ausgebaut hat. Wolfsburgs Jörg Schmadtke, Bielefelds Samir Arabi, Schalkes Rouven Schröder und zuletzt sogar der Technische Direktor des französischen Fußballverbands, der frühere Gladbacher Spieler Hubert Fournier, wurden als Eberl-Nachfolger gehandelt. Sie werden es nun aber alle nicht. Die Borussia favorisiert interne Kandidaten, wenn auch deren Qualifikation stimmt. Und das tut sie in diesem Fall offenbar.

Talente finden nun womöglich schneller den Weg ins Bundesligateam

"Am erfolgreichen Weg der vergangenen Jahre haben viele Köpfe mitgewirkt", sagt der Vereinspräsident Rolf Königs, "wir haben eine starke Struktur und ein starkes Team und ich freue mich, dass in Roland Virkus einer aus diesem Team die Arbeit von Max Eberl fortsetzt." Für Vizepräsident Rainer Bonhof hat Virkus alle nötigen Qualifikationen: "Erfahrung in der Führung eines Fußballbetriebs, in der Kaderplanung sowie im Umgang mit Trainern, Spielern und Spielerberatern". Virkus besitze zudem "ein großes Netzwerk".

Corona hat die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Borussia allerdings beschnitten. Jene Optionen, mit denen Eberl verheißungsvolle Spieler holen und lukrativ weiterverkaufen konnte, wird Virkus vorerst kaum haben. Insofern ist es nicht nur möglich, dass das eine oder andere Talent mehr aus dem Fohlenstall demnächst eine Chance im Bundesligateam erhält, sondern dass dieser Gedanke bei der Nachfolge-Regelung mitentscheidend war.

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