Boris Becker:"Wimbledon war surreal"

Lesezeit: 2 min

Nach dem Wimbledonsieg im Sommer: Boris Becker (links) und Novak Djokovic (Foto: imago/PanoramiC)
  • Boris Becker spricht im Interview mit der Süddeutschen Zeitung über sein Jahr als Coach des Weltranglistenersten Novak Djokovic. Der Wirbel, den seine Rückkehr in den Tennissport ausgelöst hat, erstaunt ihn bis heute.
  • Bei seiner Arbeit mit Djokovic helfe Becker unter anderem, dass viele Spieler jetzt Trainer haben, gegen die er früher selbst gespielt hat.
  • Die Arbeit des Deutschen Tennis-Bunds (DTB) kritisiert Becker scharf. Seiner Meinung nach waren "über Jahre die falschen Personen in den falschen Positionen."

Von Gerald Kleffmann und Philipp Schneider

Drei Monate länger als bislang gedacht trainiert Boris Becker inzwischen den Tennis-Weltranglistenersten Novak Djokovic. Das erzählt der ehemalige Weltklassespieler, 47, im Interview mit der Süddeutschen Zeitung (Wochenendsausgabe). "Unser Austausch hat drei Monate inkognito gut geklappt", sagt Becker über den Beginn der Partnerschaft mit Djokovic im Oktober 2013: "Beim ATP-Finale im November 2013, wo Novak gewann, wollte er schon, dass ich auf die Bank gehe. Das war mir zu früh."

Schon damals, als Becker der Öffentlichkeit lediglich als Fernsehkommentator bei der BBC gegenwärtig war, habe er sich im permanenten Austausch mit Djokovic und dessen Trainer Marjan Vajda befunden. "Für mich waren diese Tage knifflig. Ich musste dem Fernseh-Publikum vieles klarmachen, ohne zu viel aus dem Nähkästchen zu plaudern", sagt Becker.

Rückblickend ist Becker noch immer erstaunt, wie sehr sich die Medien für seine Rückkehr ins aktive Tennisgeschäft interessierten. "Es war unglaublich. Überall war die Hütte voll", sagt er. Zu Beginn ihrer Zusammenarbeit, nachdem Djokovic bei den Australian Open im Viertelfinale ausgeschieden war, habe er allerdings deutliche Kritik vernommen: "Er verlor 7:9 im fünften Satz gegen den späteren Sieger Stan Wawrinka. Keine Katastrophe. Aber es wurde gleich so gesehen. Bei Becker ist immer alles schwarz-weiß!", sagt Becker: "Für uns war das ein guter Test. Wir haben vier Wochen zusammen verbracht und gleich eine schwierige Phase gut überstanden."

Djokovic' Triumph in Wimbledon, der den Serben zudem zurück an die Spitze der Weltrangliste führte, war auch für Becker der Höhepunkt der Saison. "Seit dem Ende meiner aktiven Karriere war das sportlich die emotionalste Zeit. Ich hatte den echten Siegerpokal 25 Jahre nicht gesehen. Am Abend beim Gala-Dinner stand er da. Wir durften ihn streicheln, in die Höhe nehmen, haben Fotos gemacht. Das war bewegend."

Bei seiner Arbeit mit Djokovic helfe ihm, "dass viele Spieler jetzt Trainer haben, gegen die ich gespielt habe. Und ich habe ja schon früher diese Coaches gelesen. Insofern kann ich den Spieler auch durch den Coach lesen", sagt Becker. Im Finale besiegte Djokovic Roger Federer, der von Stefan Edberg trainiert wird: "Der Sieg war der absolute Höhepunkt. Djokovic gegen Federer. Und oben auf der Tribüne: Becker und Edberg! So was findet doch nur in Filmen statt", sagt Becker: "Dieses Wimbledon war surreal. Sogar für mich."

Seit einiger Zeit sitzt Becker gemeinsam mit weiteren ehemaligen Profis wie Mats Wilander, Carlos Moya und John McEnroe als Experte im Advisory-Board der ATP. "Wir sind aufgefordert, den Tennissport zu verändern. Von Grund auf. Warum heißt es 40:30? Warum geht der Satz bis sechs?", erzählt Becker über die erste Sitzung, die vor wenigen Wochen in London stattgefunden hat. "Wir besprechen alles, auch, ob Tennis zu lang dauert. Ist es wichtig, dass es drei Gewinnsätze gibt? Sind die Preisgelder richtig verteilt? Was machen wir, wenn Federer abtritt, Nadal auch?"

Becker kritisiert den DTB

Sehr kritisch sieht Becker die Arbeit des Deutschen Tennis-Bunds (DTB), in dem "über Jahre die falschen Personen in den falschen Positionen waren". Dass Michael Stich, Beckers langjähriger Konkurrent auf dem Tennisplatz, wegen einiger seiner Bedingungen nicht zum DTB-Präsidenten gewählt wurde, kann Becker kaum nachvollziehen. "Ich habe die Diskussion mitbekommen, dass Michael Stich den ehrenamtlichen Präsidenten abschaffen wollte. In welchem Land, in welchem Jahrhundert leben wir, dass das noch nicht eingetreten ist? Vielleicht ist das das Problem!", sagt Becker.

Wenig Verständnis hat er außerdem dafür, dass Davis-Cup-Kapitän Carsten Arriens Deutschlands besten Profi Philipp Kohlschreiber aus dem Team ausgeschlossen hat, den Becker in höchsten Tönen lobt. "Ich bin begeistert von seinem Spiel. Er hat Ansätze, bei denen ich sagen muss: Werd' nicht viel besser, sonst wird es eng für Djokovic und mich", sagt Becker: "Meine Lösung ist immer, dass die beste Mannschaft spielen muss. Der Coach hat die Brücke zu bauen."

© SZ vom 06.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: