Tennis-Akademie von Boris Becker:Fragen zur Insolvenz? "Fehl am Platz"

Lesezeit: 4 min

  • Boris Becker beschäftigt sein Insolvenzfall - doch gleichzeitig eröffnet er eine Tennis-Akademie in Wiesbaden.
  • Unabhängig von den Auflagen kann Becker immerhin auf eine Restschuldbefreiung hoffen, wie er selbst findet.

Von Johannes Aumüller und Gerald Kleffmann, Wiesbaden

Boris Becker kommt auf Krücken. Das Außenband ist kürzlich operiert worden, eine Folge seiner intensiven Tenniskarriere. Die Fäden kommen an diesem Freitag in München weg, bald soll die Sache ausgestanden sein. Aber am Donnerstagmittag humpelt Becker noch durch die Räumlichkeiten eines Wiesbadener Oldtimer-Museums und setzt sich gut gelaunt auf ein Podium.

Boris Becker, inzwischen 51, ist der Mann, an den es gerade so viele Fragen gibt - wegen seines Insolvenzfalles, der aufgrund einer aktuellen Mitteilung der britischen Behörde wohl viel länger ein Thema bleibt als gedacht. Aber in Wiesbaden möchte er über etwas anderes reden: über eine nach ihm benannte Tennis-Akademie im nahen hessischen Städtchen Hochheim, die er gerade anschiebt.

Neues Duo in der Tenniswelt: Investor Khaled Ezzedine (links) und Boris Becker, die ehemalige Nr. 1 der Weltrangliste, in Wiesbaden. (Foto: Boris Roessler/dpa)

Becker tut das mit dem Unternehmer Khaled Ezzedine, dem nicht nur viele Immobilien gehören, sondern auch so viele Oldtimer, dass er dafür ein Museum errichtet hat. In dem sitzen die beiden jetzt und preisen zwischen lauter Luxuskarossen ihr Projekt mit den imponierenden Kerndaten an. 20 Millionen Euro sollen investiert werden, fast fünf Hektar die Grundfläche betragen, 18 Außen- und 21 Hallenplätze entstehen, mit Platz für circa 270 Kinder und Jugendliche. Einsteigen können Kinder ab der 6. Klasse, sie können das Abitur an der Akademie machen. Die Kosten: etwa 50 000 Euro im Jahr. Ezzedine ist der Investor, Becker der Namensgeber und Schirmherr, spätestens im Frühjahr 2021 soll es losgehen. Becker hat schon mal einer Tennis-Akademie seinen Namen überlassen, in Shenzhen in China war das, aber diesmal will er sich wohl intensiver einbringen. "Wo Boris Becker draufsteht, muss auch Boris Becker drin sein", so sagt er das.

Becker blockt Frage zum Insolvenzverfahren ab

Es ist ohnehin ein ambitioniertes Projekt, weil es für Tennis-Akademien nicht leicht ist, schwarze Zahlen zu schreiben - und weil manch einer in der Branche einen Interessenkonflikt heraufziehen sieht: Becker hat ja auch noch einen ehrenamtlichen Führungsjob beim Deutschen Tennis-Bund, als Head of Men's Tennis. Sein neues Engagement ist auch deswegen so besonders, weil es in einem anderen Bereich seines Lebens weiter ziemlich knirscht. Wirtschaftliche Auskünfte gebe er heute nicht, sagt Becker am Donnerstag. Und bei einer konkreten Frage zum Insolvenzverfahren teilt er mit, diese sei hier "fehl am Platz".

"Fehl am Platz"? Das kann man allerdings auch anders sehen.

Beckers Image litt zuletzt mal wieder. Sein Insolvenzfall, der im Sommer 2017 begann, entwickelt sich mittlerweile zu einer Geschichte ohne Ende. Vielmehr: Ein Ende ist in Sicht, aber nicht so, wie es nach britischem Recht in der Regel aussieht. Nach einem Jahr wird auf der Insel ein Schuldenschnitt gemacht, der Schuldner ist die Schulden los, die Akte geschlossen. In Deutschland dauert das Verfahren sechs Jahre. Da Becker in London lebte und lebt, wurde dort das Verfahren eröffnet. Ausgelöst durch eine Bank, die von Becker die Rückzahlung eines Millionenkredits verlangte, samt horrenden Zinsen, wurde mehr und mehr bekannt, wie viele noch von dem früheren dreimaligen Wimbledonsieger Geld wollten. Am Ende meldeten mehr als ein Dutzend Gläubiger Forderungen in Höhe von rund 61 Millionen Euro an. Becker zweifelte die Rechtmäßigkeit diverser Posten an und wehrte sich während des Insolvenzverfahrens, das am 21. Juni 2017 eröffnet wurde. Am 21. Juni 2018 hätte er theoretisch wieder unabhängig sein können. Aber die Behörde stieß immer wieder auf ungeklärte Fragen.

Monatelang stritt sie mit Becker um dessen Pokale (und andere persönliche Gegenstände), die versteigert werden sollten, um den Gläubigern etwas zurückzuführen. Im Juni fand die Versteigerung doch statt. 765 000 Euro kamen dabei zusammen.

Hinzu kam die Passaffäre. Von der Zentralafrikanischen Republik, einem der ärmsten Länder der Welt, sollte Becker einen Diplomatenpass erhalten. Zunächst musste er sich des Verdachts erwehren, er erhoffe sich diplomatische Immunität, die ihn vor einer Strafe schützen sollte. Letztlich musste er hinnehmen, dass der Pass gefälscht war. Der mutmaßliche Vermittler ist inzwischen gefasst. Becker nützte das wenig, die Frist seines Verfahrens wurde zunächst über die zwölf Monate hinaus verlängert. Am Dienstag teilte der Insolvency Service, die Behörde in London, die den Fall abzuwickeln versucht, überraschend mit, dass Beckers Insolvenzauflagen um zwölf Jahre verlängert werden und 2031 enden. Becker wird erst vor seinem 64. Geburtstag das Kapitel begraben können.

Laut Behörde seien bei Becker "nicht offengelegte Transaktionen vor und nach dem Insolvenzverfahren" in Höhe von mindestens 4,5 Millionen Pfund (etwa 5,2 Millionen Euro) entdeckt worden. Daher wurde eine "Restriction Order" erlassen. "Bis auf Weiteres hat Boris Becker der Verlängerung einzelner Insolvenzauflagen bis 2031 einvernehmlich zugestimmt", sagte sein Anwalt Christian-Oliver Moser der SZ. Er betonte, Becker habe keine Vermögenswerte "unterschlagen oder verheimlicht" - "allerdings hat er Vermögenswerte, die ihm allerdings nach seiner Auffassung gar nicht zustehen, zu spät angegeben".

Gleichwohl verdeutlicht die lange Laufzeit der Auflagen, wie ungewöhnlich der Fall selbst für die Insolvenzbehörde ist. In der Regel laufen "Restriction Orders" drei bis fünf Jahre. Gewöhnlich wird auch über Details wie konkrete Vermögenswerte gerne geschwiegen. Inzwischen verweist die Behörde gar auf einen "Media Manager", der Journalisten zu Becker Rede und Antwort steht. Dieser erklärte der SZ auch, dass "Herr Becker den Erlass der Restriction Order akzeptiert hat". Diese beinhaltet verschiedene Einschränkungen, die sich allerdings nur auf das Hoheitsgebiet Großbritannien beziehen. So kann Becker sich dort nicht zu einer Wahl stellen, kein öffentliches Amt bekleiden. Er darf eine Firma besitzen, aber kein Geschäftsführer sein. Bei Krediten ab einem Betrag von 500 Pfund muss er den Insolvenzverwalter informieren. Wie aus einem Schreiben der Behörde deutlich wird, das der SZ vorliegt, erhalten die Gläubiger wiederum pro geliehenem Pfund 0,62 Penny zurück. Für 1000 Pfund gibt es also nur 6,2 Pfund retour.

Gibt es eine Verbindung zwischen Beckers neuem Projekt und dem Insolvenzfall?

Kooperiert Becker vollumfänglich? "Sein Verhalten kommentieren wir nicht", so der Sprecher. Auch ließ er offen, ob Vermögenswerte verheimlicht wurden oder nicht. Unabhängig von den Auflagen kann Becker immerhin, wie er via Twitter meinte, auf eine Restschuldbefreiung hoffen.

Becker hält das am Donnerstag nicht davon ab, entspannt aufzutreten. Aber eine direkte Verbindung zwischen dem Projekt in Hochheim und seinem Insolvenzfall scheint es doch zu geben. Als es im Sommer an die Versteigerung persönlicher Gegenstände ging, trat Gerüchten zufolge Beckers neuer Geschäftspartner Ezzedine als Käufer auf. Ob das stimmt? "Vielleicht", sagt Ezzedine nur und lächelt: "Wir bauen ein Museum ( zur Akademie soll ein Boris-Becker-Museum gehören; d. Red.) - und wenn ich das gemacht hätte, wäre es sehr nützlich."

© SZ vom 08.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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