Zweitliga-Relegation:Bielefeld sucht die Notbremse

Lesezeit: 3 min

Bryan Lasme und allen anderen bei Arminia Bielefeld droht der Absturz in die dritte Liga. (Foto: Friso Gentsch/dpa)

Vor etwas mehr als einem Jahr hatte Bielefeld noch gute Chancen auf den Verbleib in der Bundesliga, nun droht in der Relegation der Absturz in die dritte Liga. Es geht um das Image der Arminia, das Wohl der Fans - und um finanzielle Stabilität.

Von Ulrich Hartmann, Bielefeld/München

Bereits sein erster Besuch auf der "Alm" ist für Rainer Schütte im Jugendalter nicht glimpflich ausgegangen. Heimlich mit Freunden besuchte er 1970 ein Heimspiel von Arminia Bielefeld und bekam dafür zuhause mächtig Ärger. Hätte er darob abgelassen von der unsteten Arminia, dann wäre ihm in seinem Leben viel Stress erspart geblieben. Doch Schütte wurde Fan, Dauergast, später Sponsor und vor zwei Jahren sogar Präsident. "Ich hatte in all der Zeit ja auch viel positiven Stress", relativiert er lächelnd diese launische Liebe, "außerdem lernt man Niederlagen zu ertragen und wieder aufzustehen - die Arminia ist nach Rückschlägen immer wieder aufgestanden".

Solche Referenzen sind jetzt wieder gefragt. Den Präsidenten Schütte, 66, erwarten diesen Freitag in Wiesbaden (20.45 Uhr, Sat1) und am nächsten Dienstag in Bielefeld zwei der wichtigsten Spiele der jüngeren Arminia-Historie. Im schlimmsten Fall geht das wieder nicht glimpflich aus. In der Relegation gegen den Drittliga-Dritten SV Wehen Wiesbaden muss der Zweitliga-Drittletzte Bielefeld den freien Fall von der Bundesliga in die dritte Liga vermeiden.

19 Millionen oder doch nur 1,3 Millionen Euro an Geld vom Fernsehen?

Im Februar 2022 besiegte Bielefeld am 23. Bundesliga-Spieltag Union Berlin und hatte danach 25 Punkte. Der Klassenerhalt schien nahe. Doch anschließend gelangen in elf Saisonspielen nur noch drei Unentschieden. Bielefeld stieg ab und stürzte auch in der zweiten Liga direkt weiter hinab in den Tabellenkeller. Gegen Wehen geht es nun binnen zwei Spielen um eine dramatisch wichtige Entscheidung: zweite oder dritte Liga, 19 Millionen Euro TV-Geld oder 1,3 Millionen. Es geht um Geld, um Stolz und um die Leuchtkraft des ostwestfälischen Fußballs.

Als Schütte im Sommer 2021 Präsident wurde, war die Arminia auf einem guten Weg. Sie stand vor ihrem zweiten Jahr Bundesliga und kalkulierte mit stattlichen 35 Millionen Euro TV-Einnahmen. Ein Bündnis regionaler Unternehmen hatte dem hochverschuldeten Klub drei Jahre zuvor einen Schuldenschnitt ermöglicht. Der Verein mauserte sich. Am Stadtrand entsteht zurzeit ein ansehnliches Leistungszentrum. Die A-Jugend stieg kürzlich in die Bundesliga auf, die B-Jugend wurde gar deutscher Meister. Doch Arminias Profimannschaft stürzt ins Bodenlose.

Rainer Schütte, Präsident der Arminia aus Bielefeld. (Foto: pmk/imago)

Fünf Trainer binnen 15 Monaten (Frank Kramer, Marco Kostmann, Uli Forte, Daniel Scherning und Uwe Koschinat) konnten den Absturz nicht stoppen. Als die Mannschaft letzten Sonntag beim 1. FC Magdeburg mit einem Sieg den Zweitliga-Klassenerhalt hätte sichern können, ging sie 0:4 unter. "Das war einer der schlimmsten Tage meiner Karriere", sagte wie unter Schock Routinier Fabian Klos. "Wir haben uns der Lächerlichkeit preisgegeben", lamentierte der Trainer Koschinat. "Wir waren alle fassungslos, weil sich das in keiner Weise angedeutet hatte", sagt Schütte.

"Aber es war nicht das erste Mal", klagt der Präsident, "dass wir über solch einen Einbruch gerätselt haben". Anfang März hatte die Mannschaft in Braunschweig nach 20 Minuten 3:0 geführt. Das Spiel ging 3:3 aus. In der Woche danach endeten sehr plötzlich die Amtszeiten von Trainer Scherning (sieben Monate) und von Sportdirektor Samir Arabi (zwölf Jahre). Zuvor war im Herbst bereits der Geschäftsführer Markus Rejek zum 1. FC Köln gewechselt. Auf Deck steht seit Januar ganz allein der vom VfL Bochum gekommene Geschäftsführer Christoph Wortmann. Ein neuer Sportchef soll nach der Relegation benannt werden.

Trainer Uwe Koschinat wird wohl auch im Fall eines Abstiegs bleiben

"Auch die fehlende personelle Kontinuität hatte natürlich Auswirkungen auf die Mannschaft", gesteht Schütte. Doch nie hätten sie sich vorstellen können, wie schlimm alles wird. Vom ostwestfälischen Branchenkenner Heribert Bruchhagen hat Schütte gelernt: "Es gibt eine Eigendynamik des Misserfolgs." Jetzt bekommt die Mannschaft noch zwei Spiele, um den Verein vor den Entbehrungen der dritten Liga zu bewahren. Im Abstiegsfall müsste der Kader runderneuert werden, fielen in der Fußball-GmbH Arbeitsplätze weg. "Das wäre wahnsinnig schade und vollkommen unnötig und würde den Verein in seiner Entwicklung teilweise zurückwerfen", sagt Schütte. Er glaubt aber an die Mannschaft, und im Verein glauben sie auch an den Trainer. Selbst im Abstiegsfall würde man wohl mit Koschinat weitermachen.

Schütte weiß, dass die Relegation für ihn "sicherlich kein Genuss" wird. Dazu geht es um zu viel: ums Image der Arminia, ums Wohl der Fans, aber vor allem um die finanzielle Stabilität. Mit einem starken Kader aus der dritten Liga in die zweite aufsteigen zu wollen, kann ein defizitäres Unterfangen sein und ist gefährlich. Um die Fans für die Blamage in Magdeburg zu trösten, bezahlt die Mannschaft alle 1879 Gästetickets fürs Hinspiel. Die Spieler wollen die Fans nicht verlieren. Am wirksamsten wäre wohl, die Relegation nicht zu verlieren.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Aufsteiger in die 2. Bundesliga
:Es wird eng im Stadion an der Kaiserlinde

Die SV Elversberg feiert den direkten Durchmarsch von der Regionalliga in die Zweitklassigkeit. Die Saarländer lösen Absteiger Sandhausen als kleinsten Standort des Unterhauses ab - und messen sich künftig auch mit Hertha BSC.

Von Ulrich Hartmann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: