Biathlon-WM in Oberhof:Die Cocktail-Mixerin vom Chiemsee

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Sophia Schneider am Mittwoch am Schießstand in der Oberhofer Biathlon-Arena. (Foto: Martin Schutt/dpa)

Sophia Schneider ist in die Biathlon-Weltspitze gelangt, indem sie sich ein Rezept mit unterschiedlichen Stärken ihrer Konkurrentinnen zusammengestellt hat.

Von Korbinian Eisenberger, Oberhof

Die Biathletin Sophia Schneider war in diesen WM-Tagen von Oberhof äußerst selten in den einschlägigen Bars dieses Orts zu finden. Es geht ihr da wie den meisten in ihrer Branche, die Kombination aus Loipe und Long Island Icetea gilt dort gemeinhin als unverträglich. Sophia Schneider hält es wie ihre Kollegen - aber eben auf ihre ganz eigene Weise.

Die bis dato unerprobte Neumischung mit ihrem Teamkollegen Philipp Nawrath in der sogenannten Single-Mixed-Staffel am Donnerstagnachmittag bekam ihnen beiden nicht sonderlich gut. Im Ländervergleich landete das deutsche Duo am Ende auf Rang sechs. Grund waren die durchwachsenen Schusseinlagen beider DSV-Starter - was in diesem seit 2019 durchgeführten (aber nicht olympischen) Wettbewerb besonders teuer wird.

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Der Wind sei beim Schießen schwer auszurechnen gewesen, sagte Schneider am Mikro der ARD. "Ich hab dann vor dem Nachlader nochmal gedreht und gedacht, vielleicht liege ich dann doch weiter links." Sie verschoss und musste in die Strafrunde. Johannes Thingnes Bö sicherte sich - trotz Strafrunde - im Duett mit Marte Olsbu Röiseland seine fünfte Goldmedaille bei dieser WM. Lisa Theresa Hauser und David Komatz holten Silber und damit die erste Medaille für Österreich. Bronze ging an die Italiener Lisa Vittozzi und Tommaso Giacomel.

Schneider ist bei dieser WM bisher so etwas wie die Kronprinzessin der Medaillen-Garantin Denise Herrmann-Wick. Viele Beobachter hatten in dieser Rolle die Thüringerin Vanessa Voigt erwartet. Ihr scheint aber der Leistungsdruck als einzige Lokalmatadorin bei der Heim-WM alles andere als zu bekommen. Viele in Oberhof hätten es Voigt besonders gegönnt, doch niemand von ihnen dürfte es der Chiemgauerin Schneider neiden, dass sie nun die Reportertrauben um sich versammelt.

"Ich hätte nicht gedacht, dass ich gleich so vorne mitmischen kann und um die Medaillen kämpfe."

Die 25-Jährige war ja im ersten Teil der nun unterbrochenen Biathlon-Weltcup-Saison mehrfach in die erweiterten Punkteränge vorgedrungen. Mit Rang sieben und fünf in den ersten beiden Individualrennen der Weltmeisterschaft, damit hatte sie allerdings selbst nicht gerechnet. "Ich hätte nicht gedacht, dass ich da gleich so vorne mitmischen kann und um die Medaillen kämpfe."

Dieses Mischen, das scheint ihr dieser Tage zu liegen, die Dosierung stimmt oft gut - mit kleinen Ausnahmen, wie beim verschossenen Nachlader am Donnerstag. Wo man sie in diesen Tagen von Oberhof stehen, gehen und laufen sieht, hat Sophia Schneider jedenfalls ein Lächeln auf dem Gesicht, wie man es bei ihr daheim von manch knorrigem Chiemgauer nur an hohen Feiertagen zu sehen bekommt. Aber gut, für sie sind es die erfolgreichsten Tage ihrer Karriere, also feierliche Anlässe, auch ohne Einkehrschwung an der Bar.

Die Teisendorferin hat einen Cocktail der ganz anderen Art, und die Rezeptur bestimmt sie selbst. Das hatte die 25-Jährige unlängst am rennfreien Tag unter der Sonne im Oberhofer Stadion erklärt. Sie bediene sich hierzu aus dem obersten Regal im Frauenfeld. "Da kann man sich von jeder einzelnen etwas raussuchen, das alles zusammensetzen und sich dann die perfekte Athletin erstellen", sagt Schneider. Daraus entwickelte sie ihre eigene Kreation.

Wichtigstes Element darin sei die Erfahrung ihrer neun Jahre älteren Teamkollegin Denise Herrmann-Wick, die sie schon öfters als ihre sportliche "Mama" bezeichnet hat. An deren Seite hat sie sich läuferisch so verbessert, dass sie in dieser Teildisziplin inzwischen zu den zehn Besten zählt. Ihr falle auf, dass sie nun "gut mal mit einer Simon zwei Runden mitlaufen kann und nicht gleich blau werde".

Johannes Thingnes Bö sichert sich den alleinigen Männer-Rekord, geschafft hatte das bisher nur seine Staffel-Partnerin

Genau diese Simon, Julia Simon aus Frankreich, ist ihre zweite zentrale Zutat. An ihr orientiere sie sich, "weil die oftmals extrem schnell die Schüsse rausfeuert". An der Norwegerin Marte Olsbu Röiseland sei "das konstante Schießen" nachahmenswert, "da schwächle ich manchmal noch". Und "der schnelle Schießstandablauf von Ingrid Tandrevold". Also die Bewegungen und Sekunden zwischen Schießeinlage und Loipe auf der Matte.

Am Donnerstag war sie in der Mixed-Staffel angetreten, auch weil ihre Inspiratorin Herrmann-Wick freiwillig verzichtete, um sich für die WM-Höhepunkte am Samstag (Staffel, Männer um 11.45 Uhr, Frauen um 15 Uhr, ARD) und Sonntag (Massenstart, Männer um 12.30 Uhr, Frauen um 15.15 Uhr, ARD) auszuruhen. Roman Rees und Benedikt Doll hatten aus ähnlichen Gründen dem zuletzt starken Nawrath den Vorzug gewährt. Der bis dato überzeugendste deutsche Athlet Johannes Kühn kehrte am Donnerstag erst wieder ins Training zurück - aber, das wird den DSV freuen, ohne erkennbare Probleme. So wird am Ende dieser WM wohl nur ein Teilnehmer übrig bleiben, der sämtliche Rennen bestritten haben wird: Johannes Thingnes Bö.

In der etatmäßigen Begleitung von Röiseland hat Bö seine fünfte Goldmedaille im fünften Wettbewerb eingefahren und sich damit den alleinigen Männer-Rekord vor "Mr. Biathlon" Ole Einar Björndalen gesichert. Lediglich Bös Single-Mixed-Partnerin Röiseland hatte zuvor je fünf Goldmedaillen bei einer WM gewonnen, das war 2020 in Antholz. Eventuell könnte Schneiders Cocktails also noch einen Schöpflöffel aus Norwegen vertragen.

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