Karl-Heinz Rummenigge hätte das schlechte Verhalten seines Teams vor dem Gegentor erwähnen können, oder das berechenbare Offensivspiel, oder die vergebene Chance von Robben. Doch der Bayern-Vorstand erklärte das 1:1 gegen Hamburg am vorvergangenen Spieltag und das Abrutschen auf Platz zwei in einem Sport-Bild-Interview nun so: "Wenn beispielsweise der Herr Kircher ( der Schiedsrichter; d.Red.) in Hamburg ein korrekt erzieltes Tor gibt, dann hätten wir erst gar nicht die Tabellenführung eingebüßt."
Das Zitat passt in eine Woche, in der Klub-Vertreter den Misserfolg ihrer Mannschaft mit einem einzigen Pfiff zu erklären versuchen. Die Berliner Hertha empörte sich nach dem Pokal-Aus gegen Gladbach über Schiedsrichter Brych: Dieser hatte einen angeblichen Kopfstoß von Hubnik gegen de Camargo mit Rot und Strafstoß bestraft.
Und Frankfurts Trainer Veh fauchte nach dem 1:1 gegen Düsseldorf nicht nur wegen Röslers Provokationen, sondern auch wegen der späten Elfmeter-Entscheidung, wiederum von Brych. Alle anderen Spielmomente, alle Fehlpässe und alle ausgelassenen Chancen, waren vergessen.
Nun gab es in der Geschichte des Fußballs schon viele berechtigte Anlässe für Schiedsrichter-Kritik und entsprechend auch Verständnis für manch harsche Reaktion von Betroffenen. Doch in den drei Szenen ist die Vehemenz der Beschwerden erstaunlich.
Denn die Deutung von Gomez' Armbewegung gegen Westermann, auf die Rummenigge anspielt, als Foul war zwar strittig, aber keine Fehlentscheidung. Beim Elfmeter gegen Frankfurt zeigen Bilder, wie Anderson den Düsseldorfer Furuholm am Oberarm am Trikot zieht. Und selbst beim vermeintlich klarsten Fehlpfiff, der sicher überzogenen roten Karte für Hubnik, stellt sich die Frage, warum der Berliner so wild auf de Camargo zustürmt und dem Gegenspieler auf den Fuß steigt?
Das Motiv der Verantwortlichen scheint klar zu sein. Es hat die Phase der Saison-Entscheidungen begonnen, da macht es Sinn, den Fokus vom eigenen Team zu nehmen und auf Andere zu richten. Und es soll wohl vorbeugend für die nächsten Streitfälle wirken, wenn sich in der Öffentlichkeit der Eindruck durchsetzt, die Mannschaft XY sei noch ein, zwei strittige Pfiffe im Nachteil. War da nicht die alte Weisheit, nach der sich im Laufe einer Saison alles ausgleicht?
"Man hat manchmal den Eindruck, dass es heißt: Im Zweifelsfall kontra Bayern", sagt Rummenigge - Vertreter anderer Klubs äußern sich jetzt ähnlich. Der Druck auf die Schiedsrichter ist ohnehin schon immens groß, es ist unfair und fahrlässig, das Reizklima weiter zu verschärfen.